Gemeinderat

Gebäude mangelhaft - wo sollen Geflüchtete in Hockenheim unterkommen?

Der „Hockenheimer Weg“ bei der Unterbringung und Integration Geflüchteter steckt in einer Sackgasse fest. Anstatt des extra für diesen Zweck gekauften Gebäudes, finden Ankommende nun Container vor.

Von 
Matthias Mühleisen
Lesedauer: 
Aus für das „Haus der Kulturen im Quartier Rathausstraße“: Unter diesem Titel sollte die ehemalige Geriatrische Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises nach einem Beschluss des Gemeinderats vom März künftig sowohl der Unterbringung Geflüchteter, aber auch der Integrationsbeauftragten und der Lokalen Agenda dienen. © Mühleisen

Hockenheim. Der bislang so erfolgreiche „Hockenheimer Weg“ bei der Unterbringung und Integration Geflüchteter steckt in einer Sackgasse fest. Das Gebäude der ehemaligen Geriatrischen Rehaklinik des Rhein-Neckar-Kreises in der Rathausstraße 8, das die Stadt im Februar 2023 für diesen Zweck für rund 6,5 Millionen Euro vom Kreis gekauft hat, weist derart schwerwiegende Mängel auf, dass es in den kommenden zwei Jahren nicht nutzbar ist. Daher soll der Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch, 23. Oktober, die Anmietung von Containeranlagen in der Brühler Straße 10-12 sowie in der 4. Industriestraße beschließen.

Ob es das „Haus der Kulturen im Quartier Rathausstraße“, dessen Konzept der Gemeinderat im März dieses Jahres mit der Umstrukturierung des Integrationsmanagements einstimmig beschlossen hat, jemals geben wird, ist damit völlig offen. Damit auch die Umgebung einbezogen wird, wollte die Verwaltung ein Quartiermanagement im Haus errichten und die Büros der Integrationsbeauftragten mit 3,4 Stellen dort ansiedeln. Die Lokale Agenda sollte ebenfalls in die Rathausstraße 8 umziehen.

Der Kauf erfolgte aufgrund der Verpflichtung, Geflüchtete unterzubringen, die der Kreis den Kommunen zuweist. Die Strategie der dezentralen Unterbringung war nach Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine an ihre Grenzen gestoßen, bis Ende des Jahres 2023 erwartete die Stadt damals, ein Kontingent von 268 Menschen aufnehmen zu müssen. Daher erschien das Gebäude in zentraler Lage, das nach Auszug des Altenheims St. Elisabeth nach Bezug von dessen Neubau frei werden würde, ideal.

Mehr zum Thema

Abrissarbeiten

Baustellen in Hockenheim nähern sich ihrem Abschluss

Veröffentlicht
Von
Matthias Mühleisen
Mehr erfahren

Argument für den Kauf des früheren Klinikbaus: Für eine solche Anzahl Unterzubringender könnte sonst höchstens eine Containeranlage aufgestellt werden. Die Nutzung von Sport- und Vereinshallen wollte Oberbürgermeister Marcus Zeitler unter allen Umständen vermeiden. Rund 270 Geflüchtete in der Anschlussunterbringung sollten deshalb in die Rathausstraße 8 ziehen, 70 bis 80 zeitnah ins leer stehende Dachgeschoss. Daraus wurde bekanntlich nichts: Das Altenheim St. Elisabeth konnte sich keine Parallelnutzung nicht vorstellen und gewann einen Rechtsstreit über mehrere Instanzen gegen die Stadt. Aus diesem resultierte auch ein Betretungsverbot für die Stadt bis zur Übergabe Ende Juli 2024.

Gerichtsurteil begrenzt Belegung in der Rathausstraße 8 Hockenheim

Die Erkenntnisse aus der anschließenden Überprüfung der Rathausstraße 8 durch Fachingenieure sowie eine notwendige baurechtliche Nutzungsänderung waren ernüchternd: Nach einer erforderlichen Sanierung stünde das Gebäude vermutlich erst in zwei Jahren zur Verfügung – und zwar nur für die Unterbringung von maximal 120 Schutzsuchenden. Das ergibt sich aus einem Urteil aus Waibstadt von 2015, laut dem diese Maximalzahl in einem reinen Wohngebiet zumutbar sei, erklärt OB Zeitler im Gespräch mit unserer Zeitung. Wenn ein bisheriges Seniorenheim zur Unterkunft für Geflüchtete werden soll, sei eine Nutzungsänderung erforderlich, sagt Zeitler.

Diese Obergrenze wirft unabhängig vom schwer sanierungsbedürftigen baulichen Zustand die Frage auf, ob der Kauf der Immobilie noch gerechtfertigt ist, wenn sie nicht einmal die Hälfte des Unterbringungsbedarfs deckt und die Investitionskosten für die Komplettnutzung nicht wie 2023 kommuniziert „eine gute Million Euro“ betragen, sondern ein Vielfaches davon: Der OB spricht von einem „hohen Millionenbetrag“ und ergänzt, dass die Begehung des Gebäudes „schockierend“ für die Stadtvertreter war.

300 Zuweisungen in halbem Jahr in Hockenheim

Unter diesen veränderten Voraussetzungen suchte die Verwaltung nach anderen Lösungsmöglichkeiten – sowohl für die Unterbringung als auch für die Zukunft des vom Kreis erworbenen Gebäudes. „Wir werden in den nächsten sechs Monaten mindestens 300 Flüchtlinge aufnehmen müssen – das geht nur über Containerlösungen“, erklärt Marcus Zeitler. Gespräche mit dem Kreis erbrachten die Möglichkeiten, die zur Beschlussfassung anstehen.

Die Containeranlage in der Brühler Straße 10-12 ist für maximal 204 Personen zugelassen. Sie soll ab kommendem April für drei Jahre mit Option auf zwei Jahre Verlängerung von der Stadt angemietet werden. Über sieben Jahre soll der Mietvertrag für die Container in der 4. Industriestraße laufen, in denen 110 Menschen untergebracht werden können.

Was mit der Rathausstraße 8 passiert, ist derzeit noch offen, der Oberbürgermeister nennt als Optionen die Rückabwicklung des Kaufs vom Kreis, der ja beim Verkauf wusste, für welche Zwecke die Stadt das Gebäude erwirbt. Das habe er bereits bei Landrat Stefan Dallinger angesprochen.

Sollte es in städtischer Hand bleiben, müsste eine Strategie entwickelt werden, wie es langfristig genutzt werden kann. Auch ein Verkauf, wenn sich die Immobilienbranche erholt hat, kommt für Zeitler infrage. In der Nähe investiert die Firma Heberger schon.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

Copyright © 2025 Hockenheimer Tageszeitung

VG WORT Zählmarke