Stadthalle - "Mann der tausend Stimmen" Andreas Müller lässt den Zuhörern bei "SWR3-Comedy live" mit Parodien auf Angie, Jogi, Boris & Co. keine Zeit zum Durchatmen

Genügend Gags für 100 Stunden Radio

Von 
Matthias Mühleisen
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© Lenhardt

Einer für alle, alle aus einem: Wer zum Mann der tausend Stimmen kommt, spart unglaublich viel Radiohörzeit. Denn was Andreas Müller in zwei Stunden bei "SWR3-Comedy live" in seinem atemlosen Solo auf die Bühne der Stadthalle bringt, könnte locker auf das Programm einer ganzen Woche verteilt werden. Doch mit homöopathischen Dosen hat es der fast 49-Jährige nun mal nicht so.

Und so eilt er zwischen Keyboard, computerbestücktem Pult, Standmikrofon und Musikinstrumentensammlung hin und her, als sei es im speziell bestuhlten Saal mit knapp 1000 Besuchern nicht voll genug und müsse auch auf dem Podium drangvolle Enge vor lauter durch den Kakao gezogenen Promis herrschen.

Dreieinhalb Jahre ist es her, dass Müller an gleicher Stelle gefeiert wurde, sein "Personal" hat sich nur geringfügig verändert. Die Bundeskanzlerin kommt darin solo und mit ihrer "Patchworkfamilie aus Berlin" mit Mutti, Vollhorst (Seehofer) und "Sigi Pop" Sigmar Gabriel vor. Jogis Jungs, inzwischen titelgeschmückt, sind ebenfalls eine feste Bank - auch wenn Müller zum Ende des Programms ihre 1:2-Niederlage gegen Klinsmanns US-Boys verkündet. Und diese spontan einer Wette Sepp Blatters zuschreibt.

Boris' Britenwunsch brandaktuell

Aktualität ist eine der großen Stärken des Komikers. Vieles, was am nächsten Morgen in der Zeitung steht, hat er schon abends in einen Gag gepackt, etwa Boris Beckers Wunsch, Brite zu werden. Dem hält er im Videoeinspieler süffisant seine Aussage entgegen, er sei "stolz, ein Deutscher zu bin" - der Grammatik-Lapsus wird natürlich mehrfach wiederholt und ins Englische übertragen.

Ein beliebtes "Vermüllerungs"-Objekt ist der ehemalige Landesvater und heutige EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Oettinger, den er zu Kraftwerks "Die Roboter" singen lässt "Ich bin der Oettinger", der sich mit Google auskennt, weil er zuhause einen "Gugelgrill" hat. Dank feuchter Aussprache kennt er sich auch bestens in "Spei-Ware" aus.

"Merkel-Raute" als Röntgenbild

Köstlich die Idee, Merkels zum Raute-Markenzeichen vorm Bauch gefaltete Finger als Knochen auf das Röntgenbild vom Ski-Sturz zu montieren. Der Saal brüllt, als auf dem nächsten Röntgenbild ein schmales Knochengerüst in einer mächtigen Hülle steckt und Rainer Calmunds sonore Stimme sich wundert, dass das Skelett nicht mitwächst.

Was als "50 Shades of Grey" Erwartungen weckt, entpuppt sich als Bilderbogen mit Schwarz-Weiß-Fotos von Angela Merkel.

Der SWR3-Comedychef versteht sich auch auf politische Seitenhiebe. Zu Stephan Sulkes "Mann aus Russland" lässt er Wladimir Putin fragen: "Sagen sie mal, wie sagt man Annexion auf Russisch?" Der antwortet "Novorossia" (Neurussland). Ätzend gelingt ihm auch sein von Dieter Thomas Heck moderiertes Potpourri der "schönsten Pegida-Schlager": Auf Costa Cordalis' "Anita" dichtet er: "Du kommst von irgendwo, doch hier wirst du nicht froh - Pegida". "Mein kleiner brauner V-Mann" erklingt auf die Kaktus-Melodie der Comedian Harmonists und lässt das Lachen eher im Hals steckenbleiben.

An die Grenze geht Müller, wenn er Calmund sagen lässt: "800 Millionen Menschen werden jeden Tag auf diesem Planeten nicht satt - und ich bin einer davon." Dann doch lieber Klaus Weselsky am Bahnsteig "etwas Ausgefallenes zeigen" lassen und dazu auf Christian Anders' Melodie "Es fährt kein Zug nach irgendwo" den Bahnstreik-Soundtrack singen. Oder im Stile von Peter Fox dem Flughafen Berlin-Brandenburg eine Stimme verleihen: "Hey, bau neu!"

Zum beliebten Müller-Personal zählt weiterhin Winfried Kretschmann, der Cem Özdemir nach dessen Hanfpflanze-entlarvenden Icebucket-Challenge rät: "Die Pflanz' musch gieße, net dich!" Und natürlich gibt's auch wieder Einblicke in den Online-Handel bei "Feinkost.klick": Dort erklärt die kettenrasselnde Frau Werwolf, dass es so g'hört, dass aus dem i-Pad Wasser läuft: Es sei halt ein Brause-Tablet.

Zur Person: Andreas Müller

Nach dem Abitur in Baden-Baden begann Andreas Müller Musikwissenschaft in Karlsruhe zu studieren. Nach der Zwischenprüfung landete er jedoch beim damaligen SWF3.

Seit 1991 ist Andreas Müller als Parodist und Stimmenimitator bei dem Sender (heute SWR 3) beschäftigt.

Er ist Autor und Moderator mehrerer Comedy-Reihen sowie Mitbegründer und Macher der SWR3 Gagtory.

Seit 2007 ist Andreas Müller Comedychef bei SWR3. Er produzierte eine Reihe von Hörspielen, die als Serie konzipiert wurden, wie "Feinkost Zipp (Moggään!)" und "Die Lallers". mm

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