Hockenheim. Am 18. April 2023 stiegen weiße und grüne Luftballons über der evangelischen Martinskirche in Mosbach-Neckarelz in den Himmel. In der Kirche sprach Pfarrer Frithjof Meißner über Hagen und seinen jüngeren Bruder Theodor, die zehn Tage zuvor starben. Hagen wurde neun Jahre alt, sein jüngerer Bruder sieben.
Die Jungen wurden am Osterwochenende in Hockenheim ermordet, die mutmaßliche Täterin: die Mutter der beiden Jungen. Ab dem 6. Dezember muss sich die Frau vor dem Landgericht in Mannheim verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Mordes erhoben.
"Hagen und Theodor waren sehr beliebt"
Die Martinskirche in Neckarelz, in der die Trauerfeier stattfand, befindet sich nur wenige Gehminuten vom Wohnhaus des Vaters der beiden Jungen entfernt. Bei ihm, bei Stefan Ache, lebten die Kinder. „Öffentlich zu trauern, das schaffte ich damals einfach nicht“, sagt Ache an einem Samstag Ende November im Kinderzimmer seiner Söhne. Seine Tochter aus erster Ehe, Jacqueline, sei auch für ihn bei der Trauerfeier gewesen, zu der so viele Kinder gekommen seien. „Hagen und Theodor waren sehr beliebt“, sagt Ache.
Eine Woche nach der Trauerfeier in Neckarelz habe er sich dann am Grab von seinen Jungs verabschiedet, während ihre Urnen in Schwarz und Grün - Hagens und Theodors Lieblingsfarben - in die Erde eingelassen wurden. Und konnte da immer noch kaum fassen, was passiert war.
Komisches Gefühl am Absperrband
Am Ostersonntag fuhr Ache von Mosbach-Neckarelz, wo er wohnt, nach Hockenheim, um seine beiden Söhne bei ihrer Mutter abzuholen, wie er es an jedem zweiten Wochenende im Monat tat. Sein Wagen war gepackt, gemeinsam mit den Kindern wollte er gleich weiter in die Fränkische Schweiz in den Osterurlaub fahren. Seine Lebensgefährtin und ihre Kinder waren da schon mit dem zweiten Wagen auf der Autobahn unterwegs.
Hagen und Theodor lebten bei Stefan Ache, gingen in Mosbach zur Schule, seine Ex-Frau und er teilten sich das Sorgerecht. „Als ich an der Wohnung in Hockenheim ankam, waren überall Polizeibeamte“, erinnert er sich. Und berichtet, wie ihn am Ostersonntag ein komisches Gefühl beschlich, als er an das Absperrband herantrat. Er habe einen Beamten zu sich gewunken. „Jemand von der Kripo sagte dann zu mir: Ihre Kinder leben nicht mehr.“ Und Stefan Aches Welt brach zusammen.
Seine Jungs - tot? Hagen, der so gern BBC-Dokumentationen schaute und große Pläne für die Zukunft hatte, der Wissenschaftler werden wollte? Und Theodor, der kleine wilde Junge, der so gern laut Rockmusik hörte?
E-Mail an die Polizei
Nach den bisherigen Ermittlungen der Mannheimer Staatsanwaltschaft soll die Mutter der Jungen am Karfreitag entschieden haben, zunächst die beiden Kinder und dann sich selbst zu töten. Am Ostersamstag soll die 44-Jährige die Kinder mit einem Medikament sediert und sie erstickt haben. Am 8. April 2023 starben Hagen und Theodor. Am Tag danach soll die Frau eine E-Mail an die Polizei geschickt haben, in der sie angab, etwas Schlimmes getan zu haben. Darin soll sie die Beamten auch aufgefordert haben, bei ihr vorbei zu kommen. Danach soll sie versucht haben, sich das Leben zu nehmen.
Nachdem er vom Tod seiner Söhne erfahren hatte, griff Stefan Ache zum Handy, er informierte seine Partnerin und seine Tochter, die wie er als Nebenklägerin im Prozess vor dem Landgericht auftritt. „Beide haben geschrien“, erinnert sich der Vater. Und dann flossen viele Tränen. „Ich selbst konnte am Anfang kaum weinen“, sagt er. Ache fühlte sich wie erstarrt, zwei Monate lang konnte er nicht arbeiten gehen, stand dann aber doch wieder in der Physiotherapie-Praxis, in der er beschäftigt ist.
Doch der Alltag zehrt an dem 56-Jährigen, die Rituale mit seinen Söhnen fehlen ihm: Die gemeinsamen Mahlzeiten, die Gespräche, und vor allem die Abendstunden, in denen er seinen Söhnen vorlas, während sie sich an ihn kuschelten. Überall in den Regalen des Kinderzimmers stehen Bücher, „Der Meister Eder und sein Pumuckl“, „Pettersson und Findus“, „Grimms Märchen“. Schneewittchen und Rotkäppchen sind auch als Motive in den blauen Kinderzimmerteppich eingewebt. Über dem Hochbett hat jemand die Dachschräge mit Filzstiften angemalt.
„Sie waren hier bei mir zu Hause“, sagt er. Neben der Tür zum Kinderzimmer dokumentiert eine Bilderwand ihr gemeinsames Leben. Die Jungen mit ihrem Vater beim Fotografen oder in der Natur. Theodor mit Schnuller im Mund beim Aufbau des Sandkastens im Garten.
Hirnblutung erlitten
Stefan Ache ist es wichtig, zu betonen, dass die Kinder es gut bei ihm hatten, und wie sehr er sie geliebt hat. Nach Angaben des Mannheimer Landgerichts soll die Mutter von Hagen und Theodor 2005 eine Hirnblutung erlitten haben, die zu einer Hirnschädigung führte. Die Frau entwickelte laut Landgericht Mannheim in der Folge eine Persönlichkeitsstörung. Sie soll angegeben haben, Angst um ihre Kinder gehabt und sie deshalb umgebracht zu haben. „Vor allem meine Tochter Jacqueline hatte immer ein merkwürdiges Gefühl, wenn die beiden in Hockenheim waren“, sagt Ache. Er selbst will ab 6. Dezember an jedem Prozesstag am Mannheimer Landgericht dabei sein. „Es muss sein, aus Fürsorge für meine Kinder“, sagt der Vater von Hagen und Theodor.
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