Bolonkahündin „Nala“ wurde nach dem Gassigehen am Wasserturm mit Krämpfen und hoher Körpertemperatur in die Heidelberger Tierklinik eingeliefert (wir berichteten am 13. August). Dort ist sie noch heute, wie ihre Besitzerin Karola Rüttinger im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet. „Sie muss immer noch behandelt werden“, sagt Rüttinger, „es könnte wohl auch sein, dass ihre Nieren oder die Schilddrüse Schaden genommen haben.“
Die Ursache für das Leid ihrer Hündin kennt die Hockenheimerin noch immer nicht, sie habe mittlerweile aber von einer weiteren Hundehalterin erfahren, deren Welpe am Wasserturm vergiftet wurde. Verfolgt man die entsprechenden Diskussionen auf Facebook und Co. könnte man den Eindruck gewinnen, die Bedrohung durch Giftköder sei allgegenwärtig und nehme gar zu. Nachfragen bestätigen dieses Bild aber nicht.
Keine häufige Erscheinung
Meinhard Maurer ist Veterinärmediziner und Leiter der Tierklinik Heidelberg. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die meisten Tiere mit entsprechenden Symptomen absichtlich – oder überhaupt – vergiftet wurden“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Oft können sich die Besitzer das Leiden ihrer Tiere einfach nicht erklären, sagt er, da liege es für die Betroffenen einfach nahe, an eine Vergiftung zu glauben.
Viele Tierärzte würden es sich darüber hinaus einfach machen und bei Erkrankungen beziehungsweise Todesfällen, die sie nicht eindeutig erklären können, die Möglichkeit einer Vergiftung ins Gespräch bringen. „Die Tierhalter haben damit eine Erklärung, und der Tierarzt ist nicht schuld, wenn das Tier stirbt“, sagt Maurer. In vielen solcher Fälle kommen die tierischen Patienten dann in seine Klinik. In fast allen Fällen, in denen tatsächlich eine Vergiftung vorliegt, ist die Ursache eine von dreien, wie der Spezialist für Kleintiere erläutert.
„Rattengift ist ein Cumarinderivat, sprich: Bei den Tieren versagt die Blutgerinnung und sie verbluten in eine Körperhöhle“, erklärt Maurer. Das Heimtückische an dieser Art der Vergiftung sei, dass die Wirkung mit drei bis vier Tagen Verspätung eintrifft und oft nicht mehr in Verbindung mit der Ursache gebracht werden könne. Blutergüsse, freie Flüssigkeit und blutiger Durchfall sind deutliche Zeichen, deren Bedeutung mit einem relativ einfachen Test überprüft werden könne. „Leider steht der vielen Tierärzten nicht zur Verfügung“, sagt Maurer.
Früh genug erkannt, können Infusionen mit hohen Konzentrationen von Vitamin K die Vergiftung stoppen und das Tier retten, wie der Fachmann erklärt.
Die zweite Quelle der häufigsten Vergiftungen ist Schneckenkorn. Besonders auf Hunde habe das Gift, das häufig in Gärten eingesetzt wird, eine enorme Anziehungskraft. Es verursacht Krämpfe und Zuckungen, die für einen Anstieg der Körpertemperatur sorgen. „Ab 42,5 Grad Celsius versagen gewisse Enzyme und Proteine im Körper, was in der Regel tödlich endet“, sagt Tierarzt Maurer. Die Devise heißt in diesem Fall: Magen auspumpen und Krämpfe unterbinden. Schwierig werde es, wenn das Gift bereits in den Darm gelangt ist, „da kriegen sie es nur schwer wieder raus und müssen zusätzlich noch drastisch abführen.“
Ähnliche Symptome und Behandlung kommen auch in der dritten Vergiftungsoption vor: „Manchmal haben Tiere auch Kompost gefressen“, berichtet Meinhard Maurer, „die Vergiftung wird durch so genannte Mykotoxine verursacht, die bei der Verrottung entstehen.“
Die Mykotoxine sind Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen. Diese drei Krankheitsbilder machen rund 98 Prozent der Vergiftungsfälle in der Heidelberger Tierklinik aus, wie Maurer erklärt. „Was aber auch schon vorgekommen ist, sind Cannabisvergiftungen, weil Hunde die Kekse des Herrchens entdeckt haben oder Hanfblätter gefressen haben, die zum Teekochen verwendet worden waren“, sagt der Veterinär.
Diagnose oft falsch
Dennoch seien in beinahe allen Fällen seine Patienten nicht absichtlich vergiftet worden – oder gar falsch diagnostiziert: „Oft brechen auch Tumore auf, gerade bei älteren Tieren“, sagt Maurer, „auch das sorgt für innere Blutungen, an denen sie sterben können.“
Ähnliche Beobachtungen macht auch die Polizei, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums auf Anfrage erklärt. Straftaten im Zusammenhang mit Hunden – ob Tierschutz, fahrlässige Körperverletzung oder ähnliches – werden von der Polizeihundeführerstaffel bearbeitet. In diesem Jahr haben die Beamten, zuständig für den Rhein-Neckar-Kreis und die Städte Mannheim und Heidelberg, nach Auskunft des Präsidiums bisher acht Fälle mit vermeintlichen Giftködern bearbeitet. „In allen Fällen waren es Verdachtsfälle, das heißt, es handelte sich nachweislich um keinen Giftköder, und es kamen auch keine Hunde zu Schaden. Im Bereich Hockenheim wurde nichts Derartiges gemeldet beziehungsweise angezeigt“, erklärte der Sprecher gegenüber unserer Zeitung.
Bei konkreten Fällen würden die Funde beim Chemischen– und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Freiburg toxikologisch untersucht. „Der anschließende Ermittlungserfolg hängt zumeist von den Gesamtumständen ab: Hinweise von Zeugen, Umfeld, persönliche Differenzen et cetera“, heißt es aus dem Präsidium.
Polizei empfiehlt Wachsamkeit
Grundsätzlich empfiehlt die Polizei, freilaufende Hunde stets unter Beobachtung zu halten, „da die Tiere von ihrem Urverhalten schon dazu neigen, interessante oder schmackhafte Gegenstände abzuschnuppern, abzulecken und gegebenenfalls aufzunehmen“. In bebautem Gebiet sollten Hunde ohnehin nicht ohne Leine laufen, so der Polizeisprecher. Verdächtige Gegenstände sollten zeitnah gesichert und eingefroren werden.
„Wichtig ist es hierbei, niemals den Gegenstand mit bloßen Händen anzufassen, um eine Eigengefährdung ausschließen zu können“, empfiehlt er. Sollte sich der Hund nach dem Gassigehen ungewöhnlich verhalten, starkes Erbrechen, Ermattung, Desorientierung oder ähnliches zu beobachten sein, sollten Hundehalter umgehend einen Tierarzt aufsuchen.
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