Geschichte

Hockenheim erinnert an Deportation jüdischer Mitbürger

Der Arbeitskreis Jüdische Geschichte gedenkt der über 50 Menschen mit Hockenheimer Wurzeln, die am 22. Oktober 1940 erst nach Mannheim und dann ins französische Internierungslager Gurs gebracht wurden.

Von 
F. Offenloch-Brandenburger und K. Brandenburger
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Im Jahr 2005 wurden die Zwillingsteine gespalten, um einerseits in Hockenheim, andererseits in der Gedenkstätte Neckarzimmern aufgestellt zu werden. Das Bild zeigt den Arbeitskreis Jüdische Geschichte mit dem Spender des Grabsteins Felix Conrad (5. v. l.). © Arbeitskreis Jüdische Geschichte

Hockenheim. In der Ottostraße, direkt neben dem Rathaus, steht in einem kleinen Beet aus weißen Kieselsteinen ein Gedenkstein mit der Inschrift „Gurs 1940“. Eine Tafel erläutert, woran der Stein erinnert: Am 22. Oktober 1940 wurden in Hockenheim jüdische Einwohnerinnen und Einwohner zuerst nach Mannheim transportiert und kurz darauf in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Über 50 Menschen mit Hockenheimer Wurzeln waren bereits Monate davor in Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe in Judenhäuser eingewiesen worden. Daran erinnert der Arbeitskreis Jüdische Geschichte Hockenheim.

Was das für die Menschen bedeutete, können wir heute nicht einmal mehr erahnen. Was würden wir in der kurzen Zeit unter der Aufsicht der Polizei und einer Amtsperson zusammenklauben und mitnehmen? Warme Kleidung, persönliche Erinnerungsgegenstände, Familienfotografien, Bücher und Dokumente. Natürlich nur in Maßen. Schließlich muss ja alles bis zum jeweiligen Sammelplatz getragen werden. Was folgt, ist ein Transport ins Ungewisse. Das Zurückgelassene – Haus, Mobiliar, Immobilien, Fabriken – fällt an das Deutsche Reich.

Die Hockenheimer Jüdinnen und Juden waren von Mannheim aus in Zügen eingepfercht vier Tage und drei Nächte unterwegs. Zu essen hatten sie nur ihre Verpflegung, die sie geistesgegenwärtig mitgenommen hatten. Am Ende der Zugfahrt erwartete sie Morast, Ungeziefer, Hunger und Durst. Zuerst gab es kein Stroh auf dem Schlaflager, keine Toiletten, nur über Treppen erreichbare freie und ungeschützte Abtritte. In 380 kalten, feuchten, zugigen und schmutzigen Baracken waren 13.000 Menschen eingesperrt. Es gab für die Menschen keine Intimsphäre. Viele der Alten und Betagten, die mit über 80 und sogar 90 Jahren abtransportiert worden waren, starben bald. Die Überlebenden wurden nach und nach in die Vernichtungslager des Ostens gebracht und dort ermordet.

Der Hockenheimer Gedenkstein mit der Aufschrift „Gurs 1940“ ist eines von 138 Mahnmalen, die in der Gedenkstätte Neckarzimmern aufgestellt wurden. Sein Pendant ist neben dem Rathaus aufgestellt, wo die Hockenheimer Synagoge einst stand. © Arbeitskreis Jüdische Geschichte

Heute, 85 Jahre danach, denken Menschen auch in Hockenheim mit Trauer daran. „Wir wollen die Erinnerung an die Menschen, die zu unserer Stadt und ihrer Geschichte gehören, nicht vergessen“, teilt der Arbeitskreis Jüdische Geschichte mit. Der Mahnmalstein am Rathaus, wo bis 1938 die Synagoge stand, wurde im „Ökumenischen Jugendprojekt Mahnmal“ vor 20 Jahren erarbeitet und feierlich gesetzt. Ein Zwillingsstein ist heute Teil der Gedenkstätte in Neckarzimmern, wo aus insgesamt 138 badischen Deportationsorten ein großes Mahnmal in Form eines Davidsterns entstand.

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