Hockenheim. Die gemäßigteren Temperaturen der vergangenen Tage und der Regen am Mittwoch können nicht darüber hinwegtäuschen: Es ist heiß und wird noch heißer - der Klimawandel schreitet ungebremst voran. „Die globalen Klimaziele von 1,5 bis 2 Grad werden wir wohl nicht erreichen. Und was viele nicht bedenken: Es handelt sich um Durchschnittswerte für die ganze Welt einschließlich der Ozeane. Auf dem Festland und speziell in Baden-Württemberg wird es viel heißer“, sagt Diplom-Biologe Uwe Heidenreich, der Mitglied im Vorstand von Naturschutzbund Hockenheim und BUND Hockenheim Rheinebene ist. Er mahnt daher Politik und Verwaltung vor Ort, Maßnahmen nicht länger aufzuschieben.
Heidenreich beruft sich nicht auf subjektive Wahrnehmungen: Er verweist auf die Veröffentlichung der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, wonach das Jahr 2023 mit durchschnittlich 10,7 Grad Celsius noch wärmer als das bisherige Rekordjahr 2022 war. Im Juni und September seien es vier Grad über dem Jahresmittelwert der Referenzperiode 1961 bis 1990 gewesen. Zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte bei uns am Oberrhein der Temperaturanstieg bei fünf Grad liegen: „Das wären im Sommer Temperaturen wie heute in Zentralspanien. Im Winter geht es Richtung Südwestfrankreich“, vergleicht Heidenreich die Prognose mit aktuell herrschenden Bedingungen.
Uwe Heidenreich: „Der Deutsche Städtetag macht viele gute Vorschläge“
Unter diesen Voraussetzungen hält es der Diplom-Biologe für fahrlässig, noch länger zu warten. Er verweist auf das Klimaanpassungsgesetz (KAnG) von 2023, das Maßnahmen zur Klimaanpassung gesetzlich vorschreibt, aber auch fördert. „Der Deutsche Städtetag macht viele gute Vorschläge“, sagt Uwe Heidenreich. Aufgrund seiner besonderen Ausrichtung auf Süßwasserkunde (Limnologie) fokussieren sich seine Vorschläge auf das Wassermanagement. Entsiegeln, begrünen, Wasserrückhalte einrichten sind seine Vorschläge. Im Sommer sollte die Stadtverwaltung Trinkbrunnen oder Wasserspender bereitstellen wie den im Foyer des Bürgersaals. Das Thema Schottergärten rückt er ebenso ins Bewusstsein, da sie keinen Beitrag zur Abkühlung leisten. Darüber herrscht grundsätzlich Konsens, doch Kontrollen und Konsequenzen blieben aus.
Vor allem in der Stadt habe Klimaanpassung eine soziale Seite: „Es sind oft Mieter und ärmere Menschen, die in heißen und schlecht isolierten Wohnungen leben, es ist auch diese Schicht, die unter der geplanten marktwirtschaftlichen Methode der CO₂-Reduzierung über höhere Preise am meisten leiden wird.“ Sein Vorschlag, dass die Stadt hier mit Abkühlungsräumen helfen kann, wurde in den Hitzetagen Anfang Juli bereits umgesetzt: Im klimatisierten Bürgersaal hielten sich einige Hockenheimer zur Erfrischung auf, berichtete Oberbürgermeister Marcus Zeitler in der Sitzung des Gemeinderats.
Bewässerung im Rheinbogen wirkt sich langfristig auf Grundwasserspiegel aus
Handlungsbedarf sieht Heidenreich auch in der Landwirtschaft: Im Hockenheimer Rheinbogen werde Tag und Nacht beregnet. „Das wird sich langfristig auf den Grundwasserspiegel auswirken. Schon jetzt trocken die Feuchtgebiete aus“, schildert der Experte die Folgen. Als Lösung schlägt er vor, Wasserrückhalte für Regenwasser einzurichten. Das könne über Genossenschaften erfolgen, um die Finanzierung zu erleichtern. Angesichts immer stärker trockenfallender Gräben plädiert er auch dafür, Wasser in die Landschaft fließen zu lassen, um sie als Schwammlandschaft zu nutzen.
Als positives Beispiel nennt der Biologe die Regenwasserspeicher im Stiegwiesenpark nahe der Kaiserstraße. Dass das Aufkommen dort aber relativ schnell wieder in den Kraichbach abgepumpt wird, sollte seiner Meinung nach geändert werden. „Im Grund genommen müsste man so ein Wasseraufkommen immer aufbereiten, beispielsweise von schädlichem Gummiabrieb befreien, und in einem unterirdischen System halten, um es dann für die Bewässerung zu nutzen.“ Das geschehe in vielen Bundesländern schon systematisch. Und auch die Nutzung von Wasser sei nicht unbegrenzt erlaubt: Die Stadt Hannover, die in einem Gebiet großer Wasserknappheit liegt, habe die Nutzung des wertvollen Rohstoffes ab 27 Grad Celsius durch eine Allgemeinverfügung reguliert, sodass beispielsweise die Landwirtschaft nicht mehr bewässern darf und auch Sportplätze und öffentliche Grünanlagen darben müssen.
Spielplatz Kaiserstraße als Positivbeispiel für optimale Beschattung
Zur Klimaanpassung gehört auch das Thema Beschattung von Spielplätzen. In dieser Hinsicht kann ebenfalls die Kaiserstraße bei ihm punkten: Das dortige Spielgelände sei ideal begrünt und geschützt und biete ein idyllisches Bild, während andernorts die Areale oft die meiste Zeit der Sonne ausgesetzt seien. Zuletzt wurde das auch im Gemeinderat von den Grünen zur frisch eingeweihten Matschanlage angemerkt, die ohne Beschattung an heißen Tagen kaum nutzbar sei.
Kritische Anmerkungen machen Heidenreich und seine Frau Sybille zu jüngeren Bauprojekten, bei denen das Thema Begrünung und Wasserrückhaltung nicht ausreichend berücksichtigt ist. Der Platz um die vor 15 Jahren eingeweihte Zehntscheune sei zu stark versiegelt und bei der jüngst erfolgten Erschließung der städtischen Grundstücke im Sanierungsgebiet Obere Hauptstraße sei auch nicht zu erkennen, dass hier ausreichend an Bäume gedacht wurde. Hier müsse umgehend umgedacht werden und die Verpflichtungen des Klimaanpassungsgesetzes berücksichtigt werden. Dafür gebe es Förderprogramme.
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