Aktionstag

Hockenheim: Platz in der Gesellschaft für wohnungslose Menschen gefordert

Sozialverbände, kirchliche Einrichtungen und Organisationen machen beim DRK-Quartier im Auchtergrund auf Situation Betroffener aufmerksam.

Von 
Volker Widdrat
Lesedauer: 
Sie stehen zu der Wohnungslosenunterkunft im Quartier Auchtergrund: CDU-Gemeinderat Markus Fuchs (v. l.), Grünen-Gemeinderat Adolf Härdle, SPD-Landtagsabgeordneter Daniel Born, DRK-Kreisgeschäftsführerin Christiane Hammoudi, CDU-Landtagsabgeordneter Andreas Sturm, Unterkunftsleiter Lajos Ráksi, CDU-Gemeinderätin Jasmin Ulrich, Erster Beigeordneter Matthias Beck und DRK-Ortsvereinsvorsitzender Sven Fillinger. © Volker Widdrat

Hockenheim. Der Tag der wohnungslosen Menschen wird jedes Jahr am 11. September begangen. Sozialverbände, kirchliche Einrichtungen und Organisationen machen dabei auf die Lebenssituation wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen aufmerksam. Das Motto: „Politik in die Pflicht nehmen – Wohnungsnot beenden.“ Das Grillfest der vom Deutschen Roten Kreuz in Kooperation mit der Stadt Hockenheim betriebenen Wohnungslosenunterkunft im Quartier Auchtergrund stand am Donnerstag unter dem Leitgedanken: „Ein Platz am Grill – Ein Platz in der Gesellschaft“.

Der Leiter der Unterkunft, Lajos Ráksi, begrüßte Bewohnerinnen und Bewohner, ehrenamtlich Engagierte, Vertreter der Politik, des Gemeinderats und der Stadtverwaltung, Kooperationspartner sowie DRK-Mitarbeitende. Die Bundesregierung habe im Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit das Ziel formuliert, Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. Doch die Zahlen zeigten: „Politik, Gesellschaft und wir alle haben noch viel zu tun. Jeder einzelne von Ihnen trägt dazu bei, dass unsere Gemeinschaft stärker wird“, dankte er allen Unterstützern.

Kommune, DRK, Arbeitgeber, Vereine und Kooperationspartner ziehen an einem Strang

„Ein Tag, der uns allen bewusst machen soll, dass die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland seit Jahren kontinuierlich steigt – und dass es dringend an der Zeit ist, Lösungen zu finden“, erklärte die Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbandes Mannheim, Christiane Hammoudi. In der Hockenheimer Einrichtung zögen Kommune, DRK, Arbeitgeber, Vereine und Kooperationspartner an einem Strang: „So ist es möglich, Menschen in schwierigen Lebenslagen eine echte Perspektive zu geben.“

Beim Betreuungskonzept wirkten Sozialarbeit, Hauswirtschaft und Hausmeisterei Hand in Hand mit der Kommune. Die menschenunwürdige Containerunterkunft im Hofweg sei lange Problem und Sorgenkind in der Stadt gewesen. Die neue Unterkunft dagegen sei „ein Leuchtturmprojekt, das weit über Hockenheim hinausstrahlt“. Allein in diesem Jahr hätten schon zehn Menschen erfolgreich auf dem Weg zurück in die Gesellschaft begleitet werden können. Dass man heute feiern könne, sei ein Symbol, überbrachte die Kreisgeschäftsführerin noch eine weitere gute Nachricht.

„Jeder Mensch hat einen Platz in unserer Mitte verdient“

Über ein Förderprogramm sei es gelungen, für Hockenheim fünf große Schließfächer anschaffen zu können. Wohnungslose Menschen müssten beim Behördengang dann nicht alles mit sich rumschleppen. Bürgermeister Matthias Beck, der unter anderem für die Fachbereiche Bürgerservice, Polizeibehörde und Soziales zuständig ist, war in Uniform gekommen. Er musste nach der Grillveranstaltung zur Einsatzleitung beim Glücksgefühle Festival. Das Motto des Grillfestes erinnere daran, „dass jeder Mensch einen Platz verdient – nicht nur am Tisch, sondern auch in unserer Mitte. Ein Platz, an dem man willkommen ist, nicht gefragt wird, woher man kommt oder was man besitzt, sondern einfach dazugehört“.

Grillen sei ein wunderbares Symbol, jeder bringe etwas mit, jeder habe eine Aufgabe, jeder trage seinen Teil bei: „Und am Ende entsteht etwas, das viel größer ist als die Summe seiner Teile: Gemeinschaft.“ Beck dankte den Mitwirkenden für ihren Einsatz und den Bewohnern für die Einladung in „ihren“ Hof. Hockenheim sei eine Stadt, die zusammenhält, lobte der Erste Beigeordnete: „Eine Stadt, die hinschaut, wenn Menschen in Not sind. Eine Stadt, die Begegnungen ermöglicht, nicht nur mit Worten, sondern ganz praktisch, mit einem Grill, einem Teller und einem offenen Ohr.“

Der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Sturm dankte für die gelungene Unterkunft, die man eher in einer größeren Stadt als Hockenheim vermuten würde. Bei rund 94.000 wohnungslosen Menschen laufe etwas falsch im reichen Bundesland Baden-Württemberg. Sein Dank galt auch dem Gemeinderat für die vorbehaltlose Unterstützung des Projekts.

Gewalttaten gegen obdachlose Menschen erschreckender Alltag

Es gebe viele Gelegenheiten, sich über alles zu empören, meinte der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Born. Er empöre sich darüber, dass in Deutschland so viele Menschen wohnungslos seien und über die Strukturen, die Wohnungslosigkeit verursachten. Als er im vergangenen Winter mit den Maltesern Getränke und warmes Essen am Heidelberger Hauptbahnhof verteilt habe, sei er gefragt worden, warum man als Obdachloser den Reißverschluss seines Schlafsacks nicht zumachen würde. Er habe die Antwort nicht gewusst: „Man lässt den Reißverschluss auf, weil man bei einem geschlossenen Schlafsack nicht mehr rauskommt, wenn er angezündet wird.“

Unterkunftsleiter Lajos Ráksi (r.) begrüßte die Gäste im Saal der Rettungswache. © Volker Widdrat

Gewalttaten gegen obdachlose Menschen seien erschreckender Alltag, so Born. Laut aktueller Polizeistatistik seien im vergangenen Jahr 2194 Straftaten im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit erfasst worden. Darunter Bedrohungen, Demütigungen, Schläge, Vergewaltigung, Erpressung, Folter, Mord und immer wieder Brandanschläge. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Darüber sollten sich Demokratinnen und Demokraten empören, „indem wir solidarisch und engagiert sind, indem wir dieses Land verbessern“.

Wohnungslosigkeit müsse überwunden werden, forderte Born: „Wenn wir dafür arbeiten, dass niemand in unserem Land auf der Straße leben muss, Angst vor Wohnungslosigkeit haben muss, dann haben wir uns über das Richtige empört, dann haben wir unsere Stimme für das Richtige erhoben, dann haben wir als Demokraten das Land besser gemacht.“

„Ein Platz am Grill, ein Platz in der Gesellschaft“ lautete das Motto in Hockenheim am bundesweiten Tag der wohnungslosen Menschen. © Volker Widdrat

Neben dem Grillen in entspannter Atmosphäre gab es weitere Angebote. Auf Flipcharts konnten die Gäste Fragen an die Politik oder positive Botschaften für die Bewohner loswerden. Ein Quiz fragte nach Zahlen und Daten und regte zum Nachdenken an: Niemand wird freiwillig obdachlos oder wohnungslos. Oft sind es unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit, Scheidung, finanzielle Notlagen oder eine falsche Entscheidung, die Menschen in diese Situation bringen.

Fünf Bewohner der Containeranlage im Hofweg leben noch hier

Im Angebot waren Führungen durch die Unterkunft, die im Mai 2022 eröffnet worden war. Das Gebäude beherbergt im Obergeschoss 13 Zimmer für 26 Personen sowie Gemeinschaftsduschen, Waschmöglichkeiten und eine Küche mit angrenzendem Wohn- und Essbereich. Ein Wasch- und Trockenraum steht zur Verfügung. Ein sogenanntes Polizeizimmer ermöglicht die Unterbringung von in der Nacht aufgegriffenen Personen.

Einrichtungsleiter Lajos Ráksi hatte weitere Fakten und Zahlen parat. Heute leben noch fünf Personen aus der Containeranlage im Hofweg in der Unterkunft. Seit der Eröffnung wurden insgesamt 81 Bewohnerinnen und Bewohner aufgenommen. Derzeit sind in dem Haus zwölf Männer und sechs Frauen untergekommen. Der jüngste Bewohner ist 23 Jahre, der älteste 78 Jahre. Die Gäste nutzten das einladende Grillfest, um ins Gespräch zu kommen, zu feiern und nach vorne zu schauen.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke