Landwirtschaftsdebatte

Hockenheimer Bauer Helmut Kief: Wo sollen die Lebensmittel herkommen?

FDP beschäftigt sich auf Anregung von Helmut Kief mit Erwartungshaltung der Gesellschaft an die Betriebe und Konsequenzen

Von 
Marcus Oehler
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Landwirte aus Leidenschaft: Helmut Kief (l.) und sein Sohn Jochen in ihrem Stall in der Seewaldsiedlung. © Lenhardt

Hockenheim. Mit Themen der Landwirtschaft hat sich die FDP Hockenheim befasst. Dabei erläuterte Landwirt und Stadtrat Helmut Kief die aktuelle Situation. Die Erwartungshaltung in der Gesellschaft gegenüber der Landwirtschaft habe sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert.

Landwirte würden heute in die Verantwortung genommen für Dinge, die sie nicht zu verantworten haben, sagte Helmut Kief. Gleichzeitig würden die Leistungen, die sie erbringen, nicht wahrgenommen. Es gebe viel zu wenige Meinungsbildner, die das Thema Landwirtschaft sachlich kommentieren. Die Landwirtschaft sollte mehr als Beitrag zur Energiewende wahrgenommen werden, vieles sei zu sehr negativ behaftet. Kief: „Wir romantisieren sehr viel, wenn wir an Landwirtschaft denken, und gehen gerne von einem Extrem ins andere, es sollte alles schön sein und die heile Welt zeigen.“

Die Extreme seien oft zu groß, es müsse versucht werden, die Dinge näher zusammenzubringen. Landwirtschaft sei Rohstofflieferant, Rückzugsraum für Tiere, Erholungsraum Landschaft, Naturschutzfläche und vieles andere mehr. Landwirtschaft könne auf seiner Fläche vieles. Die Medien beleuchteten sie meist sehr einseitig, findet der Landwirt.

Hockenheimer Bauer Helmut Kief appelliert an Politik und Bürger: Aufgabe nicht vergessen

Viele Umweltschützer sähen sich als Problemlöser für die Landwirtschaft, etablierten sich als Gutachter, als gäbe es keine Landwirtschaftsexperten in diesem Land. Viele politische Maßnahmen zielten auf die Erhöhung der Biodiversität ab, vergäßen aber die Aufgabe der Landwirtschaft, heimische Nahrungsmittel zu produzieren, kritisiert Helmut Kief.

„Wir Bauern kritisieren Forderungen nach mehr Biodiversität in der Landwirtschaft als großes ökologisches Missverständnis. Für unsere Umwelt bringt es rein gar nichts, wenn wir unsere Landwirtschaft in eine Rasenspielwiese mit Streichelzoo verwandeln und die Lebensmittel kommen aus dem brennenden Regenwald“, sagt Kief.

Folge man der Diskussion der Umweltverbände, habe man den Eindruck, es sei noch nie so giftig gewesen wie heute. Strukturwandel, Verstädterung und Romantisierung hätten zu einer regelrechten Entkoppelung der Bevölkerung von der Landwirtschaft geführt. Der Landwirt fragte in der Versammlung: „Wer kennt heute noch die Abläufe auf einem Bauernhof?" Offensichtlich wachse heute eine Generation auf, die frei nach dem Neuen Testament „wie die Vögel unter dem Himmel sind, sie säen nicht und sie ernten nicht, aber der Supermarkt ernährt sie doch“, schilderte er ironisch.

Hockenheimer Bauer Helmut Kief: Artenvielfalt in hochproduktive Kulturlandschaft integrieren

Ökologisch richtig sei jedoch eine möglichst umfassende Selbstversorgung aus heimischer Erzeugung. Die Herausforderung bestehe darin, Artenvielfalt in eine hochproduktive Kulturlandschaft zu integrieren, argumentiert der Milchviehhalter aus Hockenheim. „Neue Naturschutzgebiete, Blühflächen und Vernässungen brauchen wir dafür nicht.“

Dass die Biodiversität durch die Flurbereinigung und andere Maßnahmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Schaden genommen habe, bestritt Kief nicht. Allerdings seien es staatliche Programme gewesen, die eine Artenvielfalt zurückgedrängt haben, die erst durch Landwirtschaft entstanden sei.

Kief erläuterte: „Ohne Rodungen von Wäldern und Trockenlegung von Sümpfen seit dem Mittelalter hätte es unsere abwechslungsreiche Landschaft und ihre vielfältige Flora und Fauna nie gegeben.“ Durch freiwillige Programme für die Neupflanzung von Hecken und Baumreihen könnten derzeit monotone Agrarstandorte aufgewertet werden, regte er an und warnte zugleich davor, stattdessen die Landwirtschaft weiter einzuschränken: „Bewirtschaftungsauflagen oder Flächenstilllegungen führen nur zu mehr Abhängigkeiten von Importen und zu Umweltzerstörungen anderswo.“

Der liberale Landwirt sprach die aktuell kursierende Kritik an der Abhängigkeit von Öl, Gas und Technologie der heimischen Wirtschaft an. „Für Lebensmittel wollen die Umweltorganisationen wohl den gleichen Weg einschlagen. Haben sie denn noch nichts dazugelernt“, fragte er.

Hockenheimer Bauer Helmut Kief appelliert an Politik und Bürger: Guter Nutzungsmix als Ziel

Kief forderte, die Biodiversität auf verantwortliche Weise zu erhöhen und deshalb einen Paradigmenwechsel in der Naturschutzpolitik: Nicht Flächengewinne zulasten der Landwirtschaft müssten das Ziel sein, sondern eine gute Mischung von – von je nach Bodengüte – intensiv und extensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Von den Landwirten pauschal mehr Biodiversität zu verlangen, sei lebensfremd, solange nicht gesagt wird, wo und wie die Lebensmittel sonst produziert werden sollen.

Kief sprach einen weiteren Aspekt der Diskussion an: Über acht Prozent der Treibhausgasemissionen stammten aus der Landwirtschaft. Rund die Hälfte macht das klimaschädliche Gas Methan aus, das entsteht, wenn Kühe ihr Futter verdauen. Diesen Wert habe das Umweltbundesamt vor zwei Jahren ermittelt. Das Image als „Klimakiller“ sei also ungerechtfertigt angesichts anderer und größerer Verursacher.

Die Tatsache, dass die Zahl der Milchkühe von Jahr zu Jahr sinkt, führe zu einem Rückgang der Methanemissionen. Seit 2001 sei die Zahl der Kühe im Bundesgebiet um 23 Prozent gesunken. Ebenfalls unbeachtet bleibe, dass die Wiederkäuer in den vergangenen Jahren immer leistungsfähiger geworden seien, was den Ausstoß von Methan, hochgerechnet auf das erzeugte Kilogramm Milch, weiter senke.

Außerdem hätten Wissenschaftler der Universität Kiel in einer Studie festgestellt, dass eine stärker weidebasierte Milchproduktion dazu beitragen könnte, die Methanemissionen zu verringern. Doch Kief gibt zu bedenken: „Dazu muss man aber auch wissen, dass die Wiesen im Hockenheimer Rheinbogen nicht beweidet werden dürfen.“ Also mehr Weidegang und ein komfortabler und umweltfreundlicher Stall? Das klinge plausibel und sei wohl für eine gewisse Zahl von Betrieben machbar. Allerdings nur dann, wenn man die Landwirte dabei unterstütze, um- oder neu zu bauen und wenn sie dann davon auch leben könnten.

Helmut Kiefs Schlusswort: „Es gibt kaum etwas Dümmeres und Gefährlicheres, als wichtige Entscheidungen in die Hände von Leuten zu legen, die keinen Preis dafür bezahlen müssen, wenn sie sich geirrt haben.“ 1972 habe ein Landwirt 27 Menschen ernährt, es gab 1,083 Millionen Betriebe mit 2,245 Millionen Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Heute ernähre jeder deutsche Landwirt im Schnitt 137 Menschen, in 282 800 Betrieben gebe es noch 64 500 Erwerbstätige. 

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