Bahnlärm - Bürgerinitiative Stille Schiene stellt bei Mitgliederversammlung Sachstand bei verschiedenen Verfahren und Planungen vor

Hockenheimer Bürgerinitiative Stille Schiene will „Stereobeschallung“ verhindern

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zg/kso
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Auf der sogenannten interaktiven Karte zeigt die DB Netz AG die aktuell definierten und weiter zu untersuchenden Streckenverläufe für die Neubaustrecke Mannheim-Karlsruhe. Im Bild die jeweilige Betroffenheit von Hockenheim, Neulußheim und Reilingen. © Sommer/BISS

Die Bürgerinitiative Stille Schiene Hockenheim hatte zu ihrer Mitgliederversammlung eingeladen und circa 15 Mitglieder und Interessierte waren der Einladung in das Stadthallen-Restaurant „Rondeau“ gefolgt. Die Abhandlung der üblichen Formalia bis hin zum Kassenbericht einschließlich positivem Prüftestat und einstimmiger Entlastung von Vorstand und Kassenwart verlief sehr schnell.

Nur der Tätigkeitsbericht des Vorstands nahm etwas mehr Zeit in Anspruch, da der BISS-Vorsitzende Lothar Gotthardt doch aus einer überraschenden Fülle an Veranstaltungen, Beteiligungsforen und Workshops berichten musste, die der Vorstand sowohl virtuell als auch teils in Präsenz im Geschäftsjahr 2021 besucht hatte.

„Eigentlich geht uns die Bürgerbeteiligung rund um die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim nicht mehr so viel an. Aber wir schalten uns dort immer dann zu, wenn es um das Thema Lärmschutz an Bestandsstrecken geht. Das, was den Bestandsstrecken-Anliegern im Norden dabei passiert, ist für uns ein Indiz, mit welchen Diskussionen wir uns hier vielleicht in wenigen Jahren auseinandersetzen müssen“, erläuterte Gotthardt den erheblichen Zeitaufwand, den der BISS-Vorstand auch im vergangenen Jahr investieren musste.

Gotthardt und sein Stellvertreter Konrad Sommer berichteten über den aktuellen Sachstand zu drei wesentlichen Fragen. Zunächst ging es darum, wie es hinsichtlich des gescheiterten Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahnbundesamts weitergehen würde. Gegen diesen Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2018, der durch einen Strauß nachweislich unwirksamer Maßnahmen mehr Schutz gegen Bahnlärm in Hockenheim herstellen sollte, hatte die Stadtverwaltung Klage erhoben und im Juni 2021 erreicht, dass der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim den Beschluss aufhob.

Warten auf Bundesamt-Vorschlag

Seither warten die etwa 9000 betroffenen Bürger Hockenheims gemeinsam mit der Stadtverwaltung auf einen neuen Vorschlag des Eisenbahnbundesamts, das seinerseits dem Vernehmen nach Schwierigkeiten mit der Bereitstellung einer für einen neuen Lösungsvorschlag erforderlichen Datenbasis in Form von Lärmgutachten aus den 1970er Jahren hat und sich aktuell bemüht, eine alternative Datenbasis aufzubauen.

Hier bleibt allen Beteiligten die Hoffnung, dass es noch in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu ernsthaften Gesprächen kommt. Genau diese Erwartung sorgte wiederum dafür, dass ein für den 28. Juni angesetzter Verhandlungstermin beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe in allseitigen Einvernehmen zwischen Prozessgegnern und Gericht abgesagt wurde.

Gleichzeitig wurde das Verfahren, das die Stadt Hockenheim bereits 2005 gegen die DB Netz AG angestrengt hatte und in dem es ebenfalls um die Befriedigung der Stadt aus einem Vertrag aus dem Jahr 1981 geht, zum wiederholten Male ruhend gestellt. Die Beteiligten in diesem Verfahren möchten nun zunächst abwarten, mit welchem Lösungsvorschlag das Eisenbahnbundesamt, wie weiter oben bereits berichtet, aufzuwarten gedenkt.

Und dann gibt es drittens noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren in Form eines sogenannten Bürgerdialogs. In diesem versuchen Planer der DB Netz AG, zwei zusätzliche Gleise irgendwo zwischen den Pfälzer Bergen und dem Odenwald zu verlegen, um zukünftig den zu erwartenden Güterverkehr zwischen Mannheim und Karlsruhe abzuwickeln.

In diesem seit 2020 laufenden Verfahren haben die Planer die aktuelle Anzahl weiter zu untersuchender Trassenalternativen auf unter 50 verdichtet, von denen allerdings eine östlich der heutigen Bestandsstrecken an Hockenheim vorbeilaufen würde und somit, bei oberirdischer Verlegung, die insgesamt bereits heute gerichtsanhängigen Lärmstreitigkeiten zwischen der Stadt Hockenheim einerseits und den Bahninstitutionen Eisenbahnbundesamt und DB Netz AG andererseits nochmals verschärfen würde. Zudem würde auch die Gemeinde Neulußheim von einer solchen Trassenvariante erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Gleise östlich der Stadt verhindern

Die zweite für Hockenheim relevante Trassenführung, die von der DB Netz AG weiter untersucht wird, würde die zwei neuen Gleise östlich der Stadt Hockenheim etwa in Höhe der Raststätte Hockenheim-West mit der Autobahn A6 zusammenführen und die Trasse sodann im Bereich des Autobahnkreuzes Walldorf in eine parallele Weiterführung mit der Autobahn A5 in Richtung Karlsruhe führen.

Von dieser Variante wäre Hockenheim ebenfalls erheblich betroffen, da die Stadt dann nicht nur westlich des Stadtzentrums von bis zu sechs parallel laufenden Gleissträngen beschallt würde, sondern auch noch in den zweifelhaften Genuss einer Hifi-verdächtigen Stereobeschallung durch zwei weitere Gleise östlich der Kernstadt käme. Von dieser Lösung wäre dann auch die Gemeinde Reilingen tangiert.

„Natürlich sind diese Perspektiven alles andere als gut. Aber noch empfehlen wir, Ruhe zu bewahren. Es fehlen für alle Varianten noch aktuelle Lärmgutachten und wir sehen immer noch die Möglichkeit, dass die Bahn nach Vorlage der Gutachten und Bewertung der erheblichen Baukosten, die durch Verlegung diverser öffentlicher und privater Gebäude entstehen würden, selbstständig Abstand nimmt von einer Verlegung der neuen Gleise im Bereich der Hockenheimer Gemarkung“, erläuterten die BISS-Vorstände den Stand des Planungsverfahrens.

Die generelle Notwendigkeit der Verlegung zusätzlicher Gleise für den Güterverkehr bestreitet die BISS übrigens keineswegs. Aber auf Hockenheimer Gebiet würde das nach hiesiger Meinung zu einer massiven und unverantwortbaren Überbündelung von Verkehrsinfrastruktur-Komponenten führen.

Komplex und schwer erklärbar

Vorsitzender Lothar Gotthardt ergänzte: „Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir die zuvor beschriebenen Gerichtsverfahren und die aktuelle Planung der Neubaustrecke im Zusammenhang betrachten müssen. Das macht die ganze Angelegenheit ziemlich komplex und schwer erklärbar.“

Am Ende der zweistündigen Veranstaltung sah man deshalb immer noch einige Zweifel und Fragen in den Gesichtern der Besucher. Wer sich weitere Informationen über den Bürgerdialog zur Neubaustrecke wünscht, findet diese auf der Webseite www.mannheim-karlsruhe.de. Zudem freute sich der BISS-Vorstand, auf die Webseite der Bürgerinitiative hinweisen zu können, die jetzt im modifizierten Outfit wieder unter www.biss-hockenheim.de erreichbar ist. zg/kso

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