Aktionstag

Hockenheimer Selbsthilfegruppe hilft Menschen bei Adipositas

Krankhaftes Übergewicht, Adipositas, ist für viele Menschen nicht nur eine körperliche, sondern auch seelische Belastung. Am 4. März, dem Welt-Adipositas-Tag, will die Hockenheimer Selbsthilfegruppe auf das Thema aufmerksam machen und ist mit einem Informationsstand im Globus im Talhaus zu finden. Wir haben vorab mit drei Beteiligten und Betroffenen gesprochen.

Von 
Vanessa Schwierz
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Ein Mann kommt nach seiner OP zur Nachuntersuchung ins Deutsche Adipositas-Zentrum. Vier Wochen nach dem Eingriff wog der Patient noch 214 Kilogramm, vorher brachte er 237 auf die Waage. (Symbolbild) © dpa

Hockenheim. Diäten, Kuren und Therapien begleiten viele Menschen, die abnehmen wollen. Den einen gelingt es, anderen nicht. Aber nicht immer lässt sich das Abnehmen selbst beeinflussen, denn oft stecken auch Krankheiten dahinter, dass ein Mensch zu- oder abnimmt. Am 4. März ist Welt-Adipositas-Tag und an diesem möchte die Hockenheimer Selbsthilfegruppe Adipositas zusammen mit der Adipositashilfe Deutschland auf die Krankheit aufmerksam machen – sie ist an diesem Samstag mit einem Informationsstand im Globus zu finden.

Seit 2018 gibt es die Gruppe in Hockenheim, die aus einer Mannheimer Gruppe heraus entstand. Thomas und Susanne Ritzinger leiten diese, haben selbst bereits operative Eingriffe aufgrund von Adipositas hinter sich. Sie möchten den Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen, Betroffenen helfen, den richtigen Weg zur Gewichtsabnahme zu finden. Susanne Ritzinger, die selbst einmal 130 Kilogramm wog, hat eine zweijährige Suchthilfeausbildung gemacht. „Mir war das wichtig, um den Menschen auch direkt vor Ort zu helfen. Und mit dieser Selbsthilfegruppe und meiner Ausbildung müssen die Betroffenen nicht extra nach Mannheim fahren“, erklärt sie ihre Intention. Sie wäre selbst froh gewesen, hätte sie in ihrem nahen Umfeld eine solche Möglichkeit gehabt.

Was ist Adipositas (Fettleibigkeit)?

  • Als Adipositas (Fettleibigkeit) wird das krankhafte Übergewicht eines Menschen bezeichnet.
  • Ein Mensch gilt als adipös, wenn er einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 Kilogramm pro Quadratmeter besitzt. Dies kann einfach berechnet werden: Gewicht (in Kilogramm) geteilt durch Größe (in Metern) geteilt durch Größe (in Metern).
  • Es gibt drei Stufen der Adipositas. Grad 1: BMI von 30 bis 34,9, Grad 2: BMI von 35 bis 39,9,Grad 3: BMI ab 40.
  • Je höher der Grad, desto höher die Gefahr von Begleiterkrankungen. Dies können folgende sein: Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthrose, Schlafapnoe, Fettleber, Gallensteine, bestimmte Krebsarten sowie Probleme mit den Gelenken, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte.
  • Eine Ursache von Adipositas ist bei den meisten Menschen die Folge eines unausgewogenen Energiehaushalts. Das bedeutet, dass sie mehr Kalorien aufnehmen, als sie verbrauchen. Die überschüssigen Kalorien werden vom Körper als Fett eingelagert.
  • Faktoren für eine Gewichtszunahme können sein: Ernährung und Lebensstil, die genetische Veranlagung, bestimmte Krankheiten sowie psychologische und soziale Faktoren.
  • Eine Adipositas kann aber immer auch die Folge einer Erkrankung sein, wie zum Beispiel einer Schilddrüsenüberfunktion.
  • Die Behandlung einer Adipositas erfolgt mit Gewichtsabnahme – Ernährungsumstellung und Bewegung. Wenn das nicht hilft, kann auch chirurgisch geholfen werden, das sollte aber nur die letzte Möglichkeit sein.
  • Möglichkeiten eines chirurgischen Eingriffs können sein: Magenballon, Schlauchmagen oder Magenbypass.
  • Informationen rund um das Thema gibt es unter www.adipositas-selbsthilfe.de vas

 

Menschen mit Adipositas haben mit Vorurteilen zu kämpfen

Immer wieder haben adipöse Menschen mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie faul seien, „denn dick ist fett, faul“. Aber so stimme das nicht. „Du bist krank. Seit zwei Jahren ist Adipositas eine anerkannte Krankheit“, betont Ritzinger im Gespräch mit dieser Zeitung, dass die Betroffenen und auch die Gesellschaft sich dies verinnerlichen und vor allem auch akzeptieren müssen.

Eine Operation wie eine Magenverkleinerung stelle immer die letzte Möglichkeit dar, denn „die beste Operation ist keine Operation“. Susanne Ritzinger weiß, wovon sie spricht. Denn sie ist diesen Weg gegangen. Und dieser findet nicht nur auf dem OP-Tisch statt, sondern muss vor allem im Kopf des Betroffenen ankommen. „Der Kopf wurde nicht mitoperiert“, betont Ritzinger und ergänzt, dass eine OP ein Leben retten kann, aber nicht die Probleme lösen. Daher liegt ihr die Selbsthilfegruppe sehr am Herzen – so wie die Menschen, die kommen. Sie will gemeinsam mit ihrem Mann den Menschen Mut machen, zu ihrer Krankheit zu stehen und sie dabei unterstützen, damit klarzukommen und sich vor allem nicht zu schämen.

Helfen Menschen mit Adipositas und stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite: Thomas und Susanne Ritzinger (Selbsthilfegruppe Hockenheim, v. l.) sowie Christian Wirtz (Adipositas Hilfe Deutschland, Geschäftsstelle Süd-West). © Schwierz

Christian Wirtz von der Adipositas Hilfe Deutschland, Geschäftsstelle Süd-West, betont, dass eine Adipositas auch Begleiterkrankungen hervorrufen oder aus Erkrankungen entstehen kann. Schuppenflechte sei zum Beispiel eine Begleiterkrankung, was vielen Menschen nicht bewusst sei. Dass Adipositas eine anerkannte Krankheit ist, sei Diabetikern zu verdanken, da diese immer wieder mit Problemen des Übergewichts zu kämpfen haben. „Menschen mit Diabetes Typ 2 brauchen sich nach einer OP oft kein Insulin mehr zu spritzen. Ich selbst brauche auch keine Medikamente mehr“, erklärt Wirtz, der aufgrund von Adipositas einen Schlauchmagen hat – und für den die OP der letzte Weg war.

Puppen bei Infostand in Hockenheimer Globus zeigen Krankheiten auf

Die Selbsthilfegruppe Adipositas will mit ihrem Informationsstand auf die Krankheit aufmerksam machen und betont, dass sich niemand scheuen muss, auf den Stand und die Berater zuzugehen. Verschiedene Broschüren liegen aus, sollen Betroffenen oder Interessierten Informationen zu Adipositas geben. Eine Puppe wird aufzeigen, welche Organe oder Körperteile durch diese Krankheit ebenfalls erkranken können – oder durch was Adipositas ausgelöst werden kann.

Auch eine Kinderpuppe will die Selbsthilfegruppe aufstellen, „denn eigentlich ist es als Erwachsener schon zu spät“. Bereits bei Babys und Kindern sollte auf eine gesunde Ernährung geachtet, aber es müsse dennoch nicht auf alles verzichtet werden. „Erst gibt es ein Stück Banane, Apfel oder anderes Obst und am Ende gibt es ein Gummibärchen. Es ist der Weg zum Nachtisch, spielerisch gestaltet. Und auch psychologisch für Kinder wichtig, dass man ihnen einen gesunden Weg zeigt“, erklärt Susanne Ritzinger und ergänzt, dass Verbote nicht der richtige Weg sind, da durch sie der Reiz auf etwas nur verstärkt werde.

Redaktion Redakteurin mit Schwerpunkt Online, aber auch Print

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