Der frühere Rektor der Pestalozzi-Schule Manfred Wöhr gehört zu jenen Menschen, die sich nicht damit abfinden, im Ruhestand die Hände in den Schoß zu legen. Als Freund der Volksmusik überlegte er sich, dass es schön wäre, dieses alte Kulturgut nicht dem Vergessen anheim zu geben, sondern es vermehrt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken.
So hat er in unserer Zeitung einen Aufruf gestartet, dass er plane, ein Instrumentalensemble zu gründen, bei dem jeder mitwirken könne, der ein Instrument spiele und sich gerne für den Erhalt und Pflege des Volkslieds einsetze. Dem Aufruf sind vier Instrumentalisten gefolgt: Dieter Klee und Hildegard Linke (Klavier), Ursula Muth (Violoncello), und Beate Witte (Gitarre), Manfred Wöhr selbst spielt Violine, so dass am 13. Juli das Gründungstreffen zustande kam.
Kurz darauf ging es schon mit der ersten Probe los. Bei der dritten Probe am Donnerstagnachmittag in der Wohnung von Hildegard Linke zeigt sich, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die Musiker in ihrem Tun bei der Wiedergabe von „Hab oft im Kreise der Lieben“ zusammenfinden. Es fehlt zwar Beate Witte, das beeinträchtigt aber nicht den Gesamtklang.
„Wir haben versucht, einen Proberaum mit Klavier in St. Christophorus oder in einer Schule zu finden“, sagt Wöhr, „zurzeit ist das wegen der Ferien schwierig. Hildegard Linke hat uns freundlicherweise ihre Wohnung mit zwei Klavieren zur Verfügung gestellt, bis sich nach den Ferien das Raumproblem klären wird.“ Als erste Frau im Stadtrat und Leiterin der Frauenunion ist Linke in Hockenheim keine Unbekannte. „Für mich ist es selbstverständlich, dass in meiner Wohnung geprobt wird“, freut sie sich über mehr Geselligkeit, „seit mein Mann verstorben ist, wohne ich allein hier.“
Menschlich gleich gut verstanden
Der Name „Volkslieder-Instrumentalensemble“, den sie für ihre Gruppe gefunden haben, sagt sehr viel über sie aus. Warum Instrumentalensemble? Der Begriff „Ensemble“ beinhaltet Zusammengehörendes, eine aufeinander abgestimmte Gruppe, die gemeinsam ein bestimmtes Ziel verfolgt, erklärt Wöhr. „Wir haben auf Anhieb gemerkt, dass wir uns auch menschlich gut verstehen, das ist sehr wichtig bei einem Ensemble.“ Ziel der Gruppe ist es, „Volkslieder wieder mehr in den Vordergrund zu rücken, indem wir sie einüben und zu verschiedenen Anlässen wie Altennachmittage oder bei anderen Feierlichkeiten zu Gehör bringen“, sagt Wöhr. Der Name des Ensembles enthält auch den Begriff „Volkslieder“. Dazu sagte Wöhr: „Volkslieder zeichnen sich in allen Zeiten dadurch aus, dass weder der Komponist noch der Texter bekannt ist. Es waren keine Lieder für arme Leute, sie wurden von allen Bevölkerungsgruppen gerne gehört und auch gesungen.“
Die Wurzeln liegen 800 Jahre zurück, doch erst 1773 habe sie Herder in einem Band gesammelt. Die Lieder müssen aber nicht alt und anonym sein, um als Volkslieder angesehen zu werden, Vertonungen von Heine, Schiller oder Goethe, aber auch Operettenmelodien sind in den Bereich der Volkslieder eingegangen, Bis zum heutigen Tag pflegen sie ganz berühmte Sänger.
„Wir wollen versuchen, in diese Stapfen zu treten, zu musizieren und Instrumentalisten egal welchen Alters zu gewinnen, die bereit wären, bei uns mitzuwirken.“ Dass die junge Generation das deutsche Liedgut nicht mehr kennt, findet Wöhr bedauerlich. Er würde sich wünschenswert, dass Jugendliche die echten, ursprünglichen Lieder und Klänge, die heute kaum mehr bekannt sind, lernen und an die nächste Generation weitergeben.
Wenn Stücke wie „Freude, schöner Götterfunken“, „Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Ännchen von Tharau“ mit so feinen Farben und schönem weichem Klang ausgestattet sind, wie sie am Donnerstag bei der Probe zu hören waren, dann begeistern sie zweifelsohne Jung und Alt. Ursula Muth motiviert so ihr Mitwirken: „In unserem Alter ist es ganz wichtig, die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten, Musik ist dazu ein gutes Fundament. Für mich persönlich kommt hinzu, dass die sozialen Kontakte wichtig sind, weil wir durch die Pandemie isoliert und einsam wurden.“ Der Hobby-Organist und -Pianist Dieter Klee findet es schön, „Musik in der Gemeinschaft zu machen“. Einen kleinen Einblick in ihr Können gibt das Trio Klavier, Violine und Violoncello zum Schluss mit „Guter Mond, du gehst so stille“, nicht ohne ihre Hoffnung kundzutun, dass viele weitere Instrumentalisten Lust bekommen, ihr Können einzubringen und mitzumachen.
Info: Interessenten melden sich unter der Telefonnummer 06205/79 73 Ein Bundespräsident als Volksliedsänger: www.schwetzinger-zeitung.de
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