Pumpwerk - Big Band des Gauß-Gymnasiums erhält von Vollblut-Jazzern Tipps im Workshop / Am Abend rockt die Truppe dann beeindruckend die Bühne

Jungmusiker lassen die Profis staunen

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Markus Mertens
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Ganz ohne Zurückhaltung stimmen die vier Nachwuchssängerinnen auf der Bühne "Mo' Better Blues" an, zu dem sie einen eigenen Text verfasst haben (l.). Echo-Jazz-Preisträger Joo Kraus beeindruckt mit seinen mitreißenden Soli.

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Hockenheim. Die Geschichte dieses Abends hat drei Anfänge. 2012: Landesakademie Ochsenhausen. Der Landtagsabgeordnete und passionierte Jazz-Sänger Manfred Kern ist eigentlich nur da, um sich von der Crème de la Crème des deutschen Jazz noch ein paar Winke zur Verbesserung seiner Fertigkeiten geben zu lassen, da kommt ihm der Gedanke: Wie wäre es, diesen exklusiven Workshop auch an Schulen in Baden-Württemberg anzubieten und der Jugend die einmalige Chance zu schenken, von der Leidenschaft beseelter Vollblutprofis kosten zu dürfen? Gemeinsam mit Bassist Veit Hübner entwickelt Kern ein Konzept, das das "Jazz & More Collective" zum Tournee-Programm weiterdenkt - von der Baden-Württemberg-Stiftung und der Bauder-Stiftung getragen.

5. November, 14 Uhr, Gauß-Gymnasium: Das Oktett, randvoll mit Pionieren des europäischen Jazz, überfällt die 16-köpfige Schüler-Big-Band ohne Wenn und Aber. Man möchte meinen: Das kann nicht funktionieren. Jazz-Professoren und Landes-Jazzpreisträger treffen auf eine Big Band, die erst seit sechs Wochen miteinander musiziert. Doch wenn Veit Hübner im Gespräch mit unserer Zeitung ein staunendes "Man, sind die gut!" von sich gibt, hat er nicht zu viel versprochen.

5. November, 19 Uhr, Pumpwerk: Den Musiklehrern und Big-Band-Leitern Gerd Weber und Matthias Mayer geht der Zeiger. Vermutlich sind sie angespannter als ihre Schüler. Denn als wir uns mit dem jungen Saxofonisten Moritz Barta unterhalten, sagt der nur ganz gelassen, dass der Workshop "eine riesen Erfahrung" für ihn gewesen sei. Dann geht's - im Anzug und mit Fliege - ab auf die Bühne.

Erste Soloeinlagen

Und die rockt die Band schon fast unverschämt souverän. Doug Beachs "Fat Cat" einfach mal ganz gediegen über die Balken donnern lassen oder mit Bill Contis legendärem "Rocky"-Thema "Gonna Fly Now" die akustischen Schwingen ausbreiten? Für diese beherzten Jungmusiker nicht der Hauch eines Problems! Dabei lässt so mancher Nachwuchs-Jazzer an diesem Abend sein allererstes improvisiertes Solo vom Stapel - und hätte wohl allen Grund zur Nervosität.

Doch da sieht man, was es ausmacht, wenn die ganz Großen der Szene sich so offen und fassbar zeigen, dass schon wenige Stunden ihrer kreativen Energie reichen, um jede Angst fortfliegen zu lassen, als hätte es sie nie gegeben. Einen Tag zuvor kannten sie noch nicht einmal die Noten dieser Nummern, doch schon jetzt perlen an Trompete, Gitarre oder Saxofon plötzlich gekonnt-progressive Instrumentalfetzen durch die Lüfte, schreiben vier junge Sängerinnen mit Hilfe ihres Coaches Fola Dada einfach ihren eigenen Text auf den groovigen "Mo' Better Blues" und räumen damit nicht nur vollkommen zu Recht einen Applaus ab, der es in sich hat, sondern besiegen auch ganz ungezwungen und natürlich ihre Zurückhaltung. Weil sie sich und ihren jungen, zarten Stimmen über den Weg trauen, und mit aller Kraft heraussingen, was an Leidenschaft in ihren zierlichen Körpern steckt.

Klar ist: Die Profis bleiben dran - und die greifen musikalisch ineinander, dass es nur so ein Traum ist. Martin Schrack gibt am Klavier einen herrlich unaufgeregten Begleiter mit Stil und Attitüde, Posaunist Johannes Herrlich schenkt dem Sound seine bauchige Fülle, während Göran Klinghagen (Gitarre) und Schlagzeuger Torsten Krill sich in formvollendeter Klangbettbildung üben.

Ein Rädchen greift ins andere

Und völlig gleich, welche Nummer auch kommen mag - ob es das herrlich verwaschene "I'm Old Fashioned", emotionale Standards wie "Body And Soul" oder Neukompositionen wie das treibende "Not Too Late" sind - da greift ein Rädchen fast schon blind ins andere. Da passen selbst die wildesten Soli in gelebter "Jeder darf mal"-Manier zusammen, als hätten sie sich vorher zur Umarmung verabredet. Das ist ein Hochamt des Jazz!

Dass der Echo-Preisträger Joo Kraus einfach mal das Flügelhorn auspackt, um kleine, mächtige Träumereien ihrer Bestimmung zu übergeben, Fola Dada mit ihrer bebend kraftvollen Stimme ganze Klippen zum Einsturz bringt, und Veit Hübners erdigen Fingertänzen auf dem Bass dabei ihre Erschütterung entnimmt - es wirkt alles beim Zuschauen so einfach.

Als müsste man nur Klaus Graf heißen, um dem Saxofon einen derart hinreißend-melancholischen Gesang abzugewinnen. Doch da wären wir wieder bei Veit Hübner - denn der Jubel, in dem der letzte Ton erstickt, kommt nicht von ungefähr. Es bleibt allein zu sagen: Man, sind die gut!

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