Zum Internationalen Hebammentag - Katharina Schmid-Spindler arbeitet seit 2008 in Hockenheim und Umgebung als Geburtshelferin / Gemischte Gefühle zur Ausbildung über duales praxisintegriertes Studium

Katharina Schmid-Spindler ist seit 2008 Geburtshelferin um Hockenheim

Sie bezeichnet jede Geburt als einzigartig und aufregend. Gleichzeitig verschweigt sie nicht die negativen Erfahrungen ihres Berufslebens.

Von 
Corinna Perner
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Hebamme Katharina Schmid-Spindler stattet Kathrin und Sven Mitsch auch am zweiten Tag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus einen Hausbesuch ab. Während Papa Sven die fünf Tage alte Thea hält, hat der zweijährige Henri es sich bei Mama Kathrin gemütlich gemacht. Katharina Schmid-Spindler spricht mit der Familie über die neue Situation und richtet Grüße von der Kollegin aus dem Kreißsaal aus. © Corinna Perner

Hockenheim. Während der Duden den Beruf der Hebamme ganz sachlich als „staatlich geprüfte Geburtshelferin“ bezeichnet, ist die Tätigkeit in der Praxis alles andere als nüchtern und trocken. Ganz im Gegenteil: „Auch heute noch vergieße ich nach manchen Geburten ein Tränchen“, verrät Hebamme Katharina Schmid-Spindler, dass selbst nach vielen Berufsjahren eine emotionale Beteiligung bleibt – von Abstumpfen keine Spur. Zum heutigen internationalen Hebammentag gibt sie Einblicke in ihren Beruf.

Die 37-Jährige arbeitete nach der von 2005 bis 2008 an der Hebammenschule in Speyer absolvierten Ausbildung zunächst bei einer Kollegin mit und eröffnete 2010 die erste eigene Praxis in Hockenheim in der Unteren Hauptstraße, die 2016 in die Ernst-Brauch-Straße zog.

Hebamme Katharina Schmid-Spindler nimmt die gerade einmal fünf Tage alte Thea in Augenschein. © Perner

Doch auch im klinischen Umfeld ist Katharina Schmid-Spindler tätig und hat großen Respekt vor der Einzigartigkeit der Erfahrungen, die sie hier machen darf: „Es ist ein Privileg, am werdenden Leben teilhaben zu dürfen, und es ist unsere große Aufgabe, das wertzuschätzen“. Jede Familie, jedes Kindes und jede Geburt sei anders und so gibt es täglich Neues zu lernen, unabhängig davon, wie ein Kind zur Welt kommt.

„Egal, ob Hausgeburt, Klinikgeburt, Beleggeburt oder Kaiserschnitt, es ist Aufgabe einer Hebamme, jede wertschätzend zu begleiten“, sagt die 37-Jährige, betont dabei ein großes Aber: Jede Frau sollte die Wahl haben und objektiv über Vorteile und Risiken aufgeklärt werden. Während der Geburt ist es dann die Gebärende, die die Hauptrolle spielt: „Die Frau wird nicht entbunden, sondern gebärt ihr Kind aus eigener Kraft – die Hebamme ist beratend, unterstützend und beobachtend dabei“.

Im Team Wissen austauschen

Während der wöchentlich mindestens einmal stattfindenden Tag- und Nachtdienste à zwölf Stunden schätzt Katharina Schmid-Spindler vor allem die Tatsache, als Beleghebamme in der Schwetzinger Klinik immer einen Ansprechpartner zur Verfügung zu haben. „Im Team arbeitet jede anders“, aus dem Pool an Wissen schöpfen auch die Kolleginnen untereinander gerne. Außerhalb der Klinikdienste, zu denen auch die Anmeldesprechstunde zählt, kümmert sich Katharina Schmid-Spindler vor allem um die Vorsorgeuntersuchungen und Wochenbettbetreuung. Kurse finden aktuell weiterhin online statt.

Internationaler Hebammentag

  • Der Internationale Hebammentag wird seit 1991 jeweils am 5. Mai in mittlerweile mehr als 50 Ländern begangen, um Hebammen und ihre Arbeit zu ehren und auf die Bedeutung der Hebammen für die Gesellschaft hinzuweisen.
  • An dem Tag machen Hebammen auf ihre berufliche Situation aufmerksam. In Deutschland wurde er 2010 zur Einreichung einer Onlinepetition beim Deutschen Bundestag genutzt, mit der auf die schwierige Situation freiberuflicher Hebammen aufmerksam gemacht werden soll.
  • 2015 machte die Berufsgruppe auf die steigenden Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung aufmerksam, die für die Ausübung des Berufs verpflichtend ist. In Baden-Württemberg haben viele Hebammen aus Protest „Schwangeren-Flashmobs“ durchgeführt. 

Mit den neun- und elfjährigen Töchtern lebt die Hebamme inzwischen in Altlußheim und so verwundert es nicht, dass sie regelmäßig auf Frauen und Familien trifft, die sie seit 2008 begleitet hat. „Das Private und Berufliche kannst du nicht komplett trennen“, schmunzelt die 37-Jährige, wenn sie an die regelmäßigen Begegnungen mit ehemals betreuten Familien denkt: „Hebammenmänner und Hebammenkinder müssen einiges mitmachen.“

60 bis 80 Frauen im Jahr betreut

Tatsächlich erinnert sie sich fast immer an Gesichter und Namen, obwohl mit 60 bis 80 betreuten Frauen pro Jahr – zu Hochzeiten waren es sogar um die 100 – über die Zeit so einige Kontakte zustande kamen. Mit bisher bis zu insgesamt sechs in einer Familie betreuten Kindern entstehen oft wiederholte Begleitungen. Im klinischen Umfeld sind es jährlich ebenfalls Geburten im hohen zweistelligen Bereich, denen die Hebamme beiwohnen darf.

Dass auch in Hockenheim und Umgebung mehr Bedarf besteht, als Hebammen vorhanden sind, fällt vor allem in Urlaubszeiten auf. „Das ist ein politisches Problem, die Hebammenlobby ist einfach zu klein“, äußert die langjährige Geburtshelferin und nennt beispielsweise die weiterhin bestehende Problematik der Haftpflichtversicherung, die für freiberuflich tätige Hebammen anfällt und jährlich über 10 000 Euro beträgt. „Das steht in keinem Verhältnis zur Studienlage, was die Risiken rund um eine Geburt angeht“.

„Geburt ist kein Zuckerschlecken, sie ist anstrengend und das hat die Natur auch extra so eingerichtet: Für die emotionale Bindung und Liebe zum Kind müssen wir diesen Weg durchschreiten“, weiß Hebamme Katharina, wie wichtig eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme während der Geburt ist: „Wenn sich die Mama sicher und gut aufgehoben fühlt, ist die Geburt für sie aufarbeitbar“.

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Die Frage nach dem eigenen Erleben des Geburtsverlaufes steht daher beim ersten Wochenbettbesuch immer im Vordergrund, auch negative Erfahrungen dürfen angesprochen werden. „In der Gesellschaft wird hier viel tabuisiert, die Mutter hat nach der Geburt glücklich zu sein“ und auch die gut gemeinten Ratschläge rund ums Stillen „machen etwas mit den Mamas“. „Stillen ist ein sensibles Thema, wir Mamas haben so eine Urangst, dass unsere Kinder nicht satt werden.“

Begleiten, so gut es geht

„Das System Schwangerschaft und Geburt funktioniert, aber natürlich gibt es unschöne Erlebnisse“, verschweigt Katharina Schmid-Spindler nicht, dass auch traurige Momente Teil ihrer Tätigkeit sind, wenn ein Neugeborenes nach der Geburt zum Beispiel in eine Kinderklinik verlegt werden muss oder ein Baby im Bauch der Mutter verstirbt – Situationen, die auch die Hebamme belasten: „Das trägt man mit sich.“ Für sich selbst ist vor allem ihre eigene Tätigkeit Mittel zur Verarbeitung: „Das Gefühl, die Familie so gut es geht begleitet und emotional aufgefangen zu haben, hilft.“

Doch auch wenn eine Geburt objektiv gut verlaufen ist, sind es Feinheiten, die Kommunikation und Wortwahl, die „unter Geburt“ entscheidend sind, wie sie erlebt wird. Das Stichwort „Gewalt in der Geburtshilfe“ gerät seit einigen Jahren immer wieder in den Fokus.

Von der Geburt im Auto vor dem Krankenhaus über die ungeplante Hausgeburt mit per Telefon angeleitetem Papa, der die Nabelschnur beim Eintreffen der Hebamme „schon professionell mit dem Ikea-Küchenclip abgeklemmt“ hat, bis hin zum werdenden Vater, der die Frau während der Wehen mit Gitarrenspiel begleitete, passieren im Kreißsaal und in der täglichen Betreuung immer wieder „superlustige Geschichten“.

Sogar in der Küche der frischgebackenen Oma fand sich Katharina Schmid-Spindler einmal zum Backkurs wieder, nachdem sie das beim Hausbesuch angebotene Magenbrot gelobt hatte. Und auch das Mitspielen in der Puppenküche gehört bei Familien mit bereits vorhandenen Kindern manches Mal dazu. „Ich bin nach manchen Geburten immer noch aufgeregt“, erinnert sich Hebamme Katharina auch gerne an ihre Examensgeburt zurück, bei der der Vater – ein Oberarzt – sie beruhigt und das Abschneiden der Nabelschnur übernommen hatte. Nie vergessen werde die langjährige Hebamme, wie ein Vater voller Ernsthaftigkeit das Handling mit dem Baby mit einem mit Nudelpackungen gefüllten Body geübt habe: „Spaghetti waren die Arme und Beine, Fusilli der Körper.“

Dokumentation kostet viel Zeit

So gerne Katharina Schmid-Spindler den praktischen Tätigkeiten ihrer Arbeit nachgeht, so ungern ist sie Geschäftsfrau. „Dokumentation ist wichtig und muss sein, aber sie nimmt viel Platz ein – diese Zeit wird den Betreuten weggenommen“, kritisiert sie den Zeitmangel in medizinischen Berufen, den das hohe Maß an Dokumentationspflicht verstärkt.

Seit 2020 erfolgt die Hebammenausbildung über ein duales praxisintegriertes Studium, die Möglichkeit einer schulischen Ausbildung läuft derzeit aus. Dieser Neuerung blickt Schmid-Spindler mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Akademisierung bedeutet eine Aufwertung des Berufsstands, Forschung und Studien im Bereich der Physiologie werden verstärkt. „Wir Hebammen sind befugt, physiologische, also normale Schwangerschaften und Geburten zu begleiten. Diese Physiologie wird gesellschaftlich nicht mehr gesehen“, bedauert sie den aktuell vor allem pathologischen Blick.

Kompetenzen nicht aufgewertet

Eine Aufwertung von Kompetenzen und eine höhere Bezahlung gehe mit dem Hebammenstudium dagegen nicht einher, Medikamente dürfen durch Hebammen weiterhin nicht verschrieben werden und der in anderen Ländern übliche Hebammenultraschall wurde ebenfalls nicht ins Leistungsspektrum aufgenommen.

Bedenken hat Katharina Schmid-Spindler auch in Hinblick auf die Praxis: „Die Erfahrungen sind einfach super, super wichtig. Manche Dinge sind wissenschaftlich nicht fundiert, aber sie funktionieren“, schmunzelt sie und ergänzt: „So ein bisschen die Kräuterhexe werden wir wohl immer bleiben“. Auch sonst zählt im Beruf der Hebamme nicht nur das reine Fachwissen: „Das Gefühl für die Mama, das Kind und die Familie sind das A und O bei unserer Arbeit, wir können nicht nur anhand von Leitlinien arbeiten, sondern müssen die Familien abholen.“

Eigene Praxis zehrt an Kräften

Ende 2021 schloss die Hebamme ihre Praxis mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Erst jetzt zeige sich, dass die Praxistätigkeit zwar „bereichernd“ gewesen war, aber eben auch ein „maximales Pensum“ abverlangt habe und „kräftezehrend“ gewesen sei: „Das Privatleben leidet darunter.“Pro Woche kamen da deutlich mehr als die üblichen 40 Stunden zusammen.

Die im Keller ihrer Mutter eingelagerten Kursutensilien sollen aber auf jeden Fall wieder zum Einsatz kommen. Das Wie will noch gut durchdacht werden, es soll aber auf jeden Fall in Richtung eines Hebammenzentrums mit Kolleginnen gehen und die originäre Hebammenarbeit im Vordergrund stehen. „Das System ,jeder arbeitet für sich’ ist kein System der Zukunft“, ist sich Katharina Schmid-Spindler der Bedeutsamkeit des Austausches bewusst.

Den pflegt sie sowohl mit den Hebammenkolleginnen gerne, aber auch mit dem ärztlichen Fachpersonal. Eine darüber hinausgehende Vernetzung mit Kinderärzten, Heilpraktikern und anderen Therapeuten hält sie für sinnvoll, „da muss keiner das Gefühl haben, dass man sich gegenseitig die Butter vom Brot nimmt, das kann gut funktionieren“.

Freie Autorin Freie Mitarbeiterin für Hockenheim und Umgebung rund um die Themen Kultur, Religion sowie Land und Leute.

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