Im Interview - Songwriter Paul Millns über sein neues Album „A little thunder“ und die Inspiration zu sehr persönlichen Titeln / Am Freitag spielt er mit Band im Pumpwerk

„Man muss aus jeder Lage das Beste machen“

Von 
Matthias Mühleisen
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Eingespieltes Team: Paul Millns (v. l.), Bassist Ingo Rau, Butch Coulter an Mundharmonika und Gitarre sowie Schlagzeuger Vladi Kempf arbeiten seit vielen Jahren sowohl im Studio als auch auf der Bühne (hier im Pumpwerk 2012) zusammen. © Lenhardt

Seit 17 Jahren zählt das Pumpwerk zu den regelmäßigen Stationen seiner Konzertreisen. Wenn Paul Millns dabei seine Band mitbringt, die seit langem aus Bassist Ingo Rau, Butch Coulter an Mundharmonika und Gitarre sowie Schlagzeuger Vladi Kempf besteht, können sich die Zuhörer auf zwei inspirierte, authentische musikalische Stunden freuen. Wenn das Quartett am Freitag, 7. Dezember, um 20 Uhr die Kleinkunstbühne betritt, dürfte die Freude besonders groß sein: Das soeben erschienene Album „A little thunder“ mit 14 großartigen, abwechslungsreichen und teils sehr persönlichen Stücken steht im Mittelpunkt. Im Interview erklärt der 74-Jährige, wo seine Inspirationen lagen und worauf er sich nach einer Tour besonders freut.

Sie haben sehr persönliche Dinge in Ihren neuen Songs verarbeitet. In „My father’s son“ geht es darum, dass Sie Ihre leiblichen Eltern nie kennengelernt haben. Was hat Sie bewegt, das zu thematisieren?

Paul Millns: Ich habe meine leiblichen Eltern nie getroffen, aber ich habe spät herausgefunden, dass meine Mutter später geheiratet hat und ich drei Halbgeschwister habe. Als ich vergangenes Jahr in London gespielt habe, sind 13 Mitglieder meiner neuen Familien gekommen. Wenn man älter wird, denkt man eben mehr darüber nach, was in der Vergangenheit passiert ist.

Im Stück „Drunk again“ geht es um unterschiedliche Süchte – auch die nach Leben und Liebe – hat das auch etwas mit dieser Erfahrung zu tun?

Millns: Ja, durchaus. Ich mag Menschen, die das Leben auskosten, die versuchen, das meiste daraus zu machen. Das trifft natürlich auch auf meine „neue Familie“ zu.

Sie beschäftigen sich in „Too soon“ aber auch mit dem Verlust eines Menschen – vielleicht zum ersten Mal in dieser ausdrückliche Weise.

Millns: Das geht zurück auf den Tod eines Cousins, den ich nur ein Jahr lang kannte, aber der in dieser Zeit wie ein Bruder für mich wurde. Er war schwer krank, kam aber trotzdem zu meinem Londoner Konzert.

Geht es im Titelstück „A little thunder“ ebenfalls um den Tod?

Millns: Einige Stücke auf dem Album lehnen sich an Auszüge aus T. S. Eliots Gedicht „The waste land“ (Das wüste Land) an. Darin heißt es, dass die Welt nicht mit einem Knall zugrunde geht, sondern mit Gewimmer. Da hält der Song „A little thunder“ dagegen. Was immer man beendet: Es sollte mit einem Knall passieren, ein bisschen Donner statt kleinlaut – auch wenn es nicht perfekt gewesen sein mag.

In „God save the self doubters“ (Gott schütze die Selbstzweifler) werden Sie ziemlich politisch: Nur die, die am lautesten schreien, verschaffen sich Gehör, die Welt scheint voll blinden Glaubens an Parolen zu sein – haben Sie da bestimmte Politiker im Blick?

Millns: Das ist meine Antwort auf die Ausbreitung von politischen, aber auch religiösen „Gewissheiten“, die keine Debatten dulden, keine Nachforschungen, die alles auf Sprüche reduzieren. Ich halte diese Tendenz für sehr gefährlich, ich finde, wir dürfen alles infrage stellen.

Zum Glück haben Sie auch angenehmere Themen, die Liebe spielt wieder eine wichtige Rolle. Ein besonders schönes Beispiel ist „The only dance that matters“. Auf welchen Tanz kommt es denn so an?

Millns: Auf den letzten natürlich, wie früher in der Tanzstunde, als man beim letzten Tanz des Abends auf die hinterste Ecke des Saals zusteuerte, um auf Tuchfühlung zu gehen.

Schön und traurig zugleich ist auch „If I were you, I’d leave me“. Was sagt denn Ihre Frau dazu?

Millns: Sie hat sich noch nicht zu sehr über mich beschwert (lacht). Aber wie in allen Liedern gibt es einen fiktionalen Anteil und ein Stück Wahrheit.

Was ist die Botschaft des ebenfalls sehr schönen Titels „Breathing in and breathing out“?

Millns: Ich hatte die Idee schon lange, aber die Umsetzung war schwierig. Die Botschaft lautet: In harten Zeiten kannst du nur einen Schritt nach dem anderen tun, weitermachen – einfach ein- und ausatmen und das Beste daraus machen.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie nach einer Tour nach Hause kommen?

Millns: Ich habe zwei Enkelkinder, drei und sechs, die sehr aufgeregt sind wegen Weihnachten. Es ist toll, die Welt durch ihre Augen zu sehen.

Zur Person: Paul Millns

Paul Millns wurde 1945 im englischen Norfolk geboren. Er begann seine Karriere Ende der 60er Jahre, als er mit Musikern wie Alexis Korner, Louisiana Red, Eric Burdon, Bert Jansch und John Martyn auftrat.

Sein erstes Soloalbum, „Paul Millns“, erschien 1975, die Mitarbeit am Soundtrack zum Film „Gibby Westgermany“ verschaffte ihm 1979 gesteigerte Aufmerksamkeit, 1980 macht ihn ein Auftritt im „Rockpalast“ in Deutschland bekannter.

Großes Kritikerlob erhielt das 1984 mit dem Saxofonisten und Flötisten Olaf Kübler aufgenommene audiophile Album „Finally falls the Rain“. Seither veröffentlicht er regelmäßig Platten, die von der Kritik stets sehr positiv aufgenommen werden, aber mangels Radioeinsatz keine große Verbreitung erlangen.

Das jüngste Werk, „A little thunder“, ist erst wenige Wochen alt. Aufgenommen wurde es im Studio seines Bassisten Ingo Rau in Freiburg.

Seit den späten 70er Jahren spielt er regelmäßig Konzerte in Deutschland, darunter seit weit über 30 Jahren in Gehrings Kommode in Mannheim und im Pumpwerk.

Für das Konzert mit Band am Freitag, 7. Dezember, 20 Uhr, im Pumpwerk kostet der Eintritt 18 Euro, Karten können unter Telefon 06205/92 26 25 im Pumpwerk reserviert oder im Kundenforum unserer Zeitung in Schwetzingen (Vorverkaufsgebühr: 1 Euro) gekauft werden. mm

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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