Das erste Konzert nach gefühlt einer Ewigkeit. Der erste Besuch in der Stadthalle Hockenheim ohne mehrfach kontrollierenden Blick aufs Handy, ob der Impfnachweis digital parat ist. Der erste Besuch in der Stadthalle, bei dem einem schlagartig klar wird, die Maske braucht es nicht mehr, die Hände müssen nicht in Alkohol baden – man hätte ihn sich weniger beklemmend gewünscht. Denn der Krieg im Osten Europas lag nicht nur wie ein Schatten über dem Abend, dessen Erlös dazu bestimmt ist, die Not zu lindern, die der Krieg erzeugt hat. Er war auch in Form von gut 50 Menschen greifbar, denen die Flucht aus der Ukraine gelungen ist, die hier eine Zuflucht gefunden haben und die zu dem Benefizkonzert eingeladen waren.
Gedanken, Sorgen, ein trübes Kopfkino, das für die nächsten gut drei Stunden Pause haben sollte, dem die musikalische Qualität von Amokoma eine Treppe baute, auf der es hinaus ging in die unbeschwerte Welt der Töne, vorzugsweise in die groovenden Hallen des Soul und Funk. Oder um es mit Sister Sledge zu sagen: „We are family“. Für eine kleine Zeitspanne eine unbeschwerte Gemeinschaft, aus der alles Leid ausgeschlossen war. Amokoma waren der perfekte Begleiter hierfür, als die Musik noch unbeschwert allein dem Imperativ des Rhythmus folgte.
Dieser Thematik nahm sich auch Manuela Offenloch vom Rotary Club Hockenheim, der die Benefizveranstaltung organisiert hat, in ihrer Begrüßung an. Sie vertrat ihren Nachfolger im Amt, den Rotary-Präsidenten Frank Brenner, der, man ahnt es fast in dieser Zeit, der Veranstaltung wegen einer Corona-Erkrankung fern bleiben musste. „Der Anlass ist nur furchtbar“, stellte Offenloch, fassungslos wegen des Krieges mitten in Europa, fest. Menschen müssten sterben, nur weil sie ihre Freiheit verteidigen würden. Auch hier mache sich der Krieg bemerkbar, wenn auch nur am Geld, fügte sie hinzu, dankbar über und stolz auf die stabile Demokratie, in der sie leben darf.
Gutes entsteht aus Handeln
Angesichts des Leides in der Ukraine habe sich der Rotary Club spontan entschlossen zu helfen, schon einen Hilfstransport auf den Weg gebracht, nun das Benefizkonzert organisiert. „Es sind nur Kleinigkeiten, aber es ist uns ein großes Anliegen, sie zu tun“, stellte Offenloch fest, wissend, dass Gutes aus Handeln entsteht.
Auch der Abend mit Amokoma soll seinen Betrag leisten, hielt Offenloch fest und freute sich, dass aus einer spontanen Idee innerhalb von drei Wochen eine handfeste Aktion wurde, die einige Hundert Menschen in die Stadthalle lockte. Sie dankte Stadthallen-Chef Rainer Weiglein für die tolle Zusammenarbeit, der Band Amokoma, die trotz Corona-Durststrecke auf ein Viertel ihrer Gage verzichtete, und allen Sponsoren, die derart zum Gelingen der Veranstaltung beitrugen, dass schon vor der ersten Note, die erklang, sämtliche Kosten gedeckt waren. Was im Umkehrschluss bedeutet: Jeder Cent, der an diesem Abend eingenommen wurde, fließt zu 100 Prozent in den Spendentopf des Rotary Clubs.
Und, schlug Offenloch den Bogen zur Band hinter ihr auf der Bühne, schon immer sei es das Motto der Rotarier: „Spaß haben und dabei helfen.“ Und ferner gelte – Musik verbindet, in diesem Fall Konzert und Hilfe, stellte sie fest und überließ den Abend der Macht der Töne.
Wenn das Publikum vom ersten Takt der Band Amokoma an begeistert mitging, quasi ohne Aufwärmen, so deshalb, weil dies schon im Vorfeld geschehen war. Hugo Fuchs und Wolfgang Müller sorgten mit ihrem unaufgeregten Gitarrenspiel für „Musik zum Relaxen“, wie Fuchs meinte, „den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, wie Müller hinzufügte, für einen tollen Start in den Abend, dem das „Heart of Gold“ von Neil Young die Richtung vorgab.
Ein perfektes Gesamtpaket
„Wir wollen auf die Pauke hauen“, so Band-Chef Oliver Rosenberger im Vorfeld – und eine Party war es von der ersten Minute an. Dancefloor-Klassiker sind das Markenzeichen von Amokoma, Songs, die jeder kennt, kaum eine Band im Repertoire hat, so der Anspruch. Was wohl stimmen muss, denn die vom Rotary Club zu dem Konzert eingeladenen Menschen aus der Ukraine konnten begeistert mitklatschen – Musik ist eine internationale Sprache und die Songs aus der Band weltbekannt.
Wie jedes Gebäude, so braucht auch ein Abend, errichtet aus Soul und Funk, ein festes Fundament. Dafür sind bei Amokoma Sebastian „Sebi“ Kunz (Gitarre), Christian Muszynski (Keyboards), Manuel Mandrysch (Bass) und Silvio Groß (Schlagzeug) verantwortlich, die den Soundteppich knüpfen, auf dem die Stimmen von Oliver Rosenberger, Terry Dean, Miss Coco, Carolyne und Jay Ryze tollen wie Schmetterlinge auf einer Blumenwiese. Wobei Rosenberger der Allrounder ist, der sowohl den Timbre von Timberlake drauf hat als auch genauso sicher auf den Spuren von Mick Hucknall von Simply Red wandelt. Terry Dean mit seiner souligen Stimme lädt zum Träumen ein, wie er gleich zu Beginn bei „Don’t look any further“ unter Beweis stellte. Und Sängerin Carolyne ist das Diana-Ross-Medley, das im Anschluss den Saal zum Tanzen brachte, wie auf den Leib geschrieben. Was muss man in der Region noch über Miss Coco sagen? Mit ihrem „No roots“ verwandelt sie den Saal in einen brodelnden Dschungel – tropische Hitze inklusive. Rapper Jay Ryze, der wie ein Flummi über die Bühne fegt, dabei noch Luft und Stimme für seinen ebenso einpeitschenden wie mitreißenden Rap hat – kurzum, jede Sängerin, jeder Sänger wäre für sich abendfüllend, in der Summe bilden sie Amokoma und sind damit Garant für super Stimmung und Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Sekunde.
„Last night a DJ saved my life“ von Indeep, auf den Punkt genau serviert von Carolyne und der von Terry Dean gehaucht prinz’sche „Kiss“ entließen das Publikum in eine Pause, die Lust auf mehr machte. Ein Versprechen, das im Anschluss durch ein Chic-Medley prompt eingelöst wurde. Medleys von Earth, Wind and Fire und Simply Red sollten noch folgen – alles zu einem Paket geschnürte Songs, die im Saal mitgesungen werden konnten.
„Purple Rain“ zum Abschluss
Nach knapp über drei Stunden ging ein mitreißender Abend zu Ende, der den Akteuren auf der Bühne mindestens ebenso viel Spaß machte wie den Menschen im Saal. „Endlich mal wieder Party“, brachte es Rosenberger auf den Punkt. Diese Freude, mal wieder live, mal wieder vor Publikum spielen zu dürfen, war der Band anzumerken und er kam auch im letzten Song des offiziellen Teils, „Freed from desire“ zum Ausdruck.
Frenetischer Beifall und der Wunsch nach Zugaben waren keine Überraschung und wohl auch von der Band erwartet, die noch ein wahres Brett auspackte: „Purple Rain“ von Prince. Für die Musiker noch einmal Gelegenheit, sich ins beste Licht zu rücken, ihre Fähigkeiten als Solisten zu unterstreichen, wobei „Sebi“ Kunz an der Gitarre die volle Punktzahl einheimste.
,Das habt ihr nun davon‘, war man geneigt zu denken, als der purpurne Regen prompt in den Wunsch nach einer zweiten Zugabe mündete. „Fight for your right“ von den Beastie Boys bildete den grandiosen Abschluss für einen ebensolchen Abend.
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