Noels Anfälle häufen sich

Es ist keine einfache Zeit für die Familie Streibel aus Oberhausen-Rheinhausen. Dem an Epilepsie erkrankten Sechsjährigen geht es nicht so gut, die Teamschulungen mit Assistenzhund „Chap“ stocken – und im September beginnt eine neue aufregende Zeit.

Von 
Vanessa Schwierz
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Hockenheimer. Es war kein einfaches Jahr für die Familie Streibel aus Oberhausen-Rheinhausen. Von privaten Schicksalsschlägen getroffen geht es auch Noel (6) seit Herbst 2021 schlechter. Deshalb stand das Privatleben im Fokus, die Zeit mit der Familie, das Klarkommen mit vielen Anfällen des an Epilepsie erkrankten Jungen. „Ich hatte einfach keine Zeit über etwas anderes nachzudenken“, sagt seine Mutter Rebecca Streibel im Gespräch, dass sie gerne viel früher die Öffentlichkeit über Geschehnisse und die Fortschritte mit Assistenzhund „Chap“ informiert hätte.

Rebecca Streibel (29) und ihr Mann Etienne (32) sprechen über die vergangenen Monate, die sie sich anders vorgestellt hatten – alles ruhig und bedacht. Doch es schmerzt sie, denn ihrem Sohn Noel, der an einer besonderen Form der Epilepsie leidet, geht es seit dem vergangenen Herbst schlechter. „Seine Anfälle haben sich seitdem gehäuft. Über Weihnachten kehrte Ruhe ein, aber auch die Teamschulung mit ,Chap’ leidete natürlich unter den gehäuften Anfällen, die Noel hat“, beschreibt seine Mutter die Situation und springt bei ihrer Erzählung an den Anfang des Jahres 2022.

Bindung weiter aufbauen

Im Februar ging es zur Teamschulung nach Norddeutschland. Die Bindung zwischen der 29-Jährigen und Assistenzhund „Chap“ sollte weiter aufgebaut werden, ein Alltagstraining Teil der Schulung sein. Doch es kam anders. Noel bekam Krampfanfälle. Es war das erste Mal, dass dies außerhalb von zu Hause geschah, verrät seine Mutter. „Er war vorher schon etwas instabil“, sagt seine Mutter, dass er dann direkt am ersten Morgen krampfte. Er hatte keinen Atemstillstand, es war ein kurzer Krampf – wie auch die Wochen und Monate zuvor. Aber sie kehrten in dieser Zeit einfach immer wieder zurück. Die Tage in Norddeutschland ließ die Familie daraufhin ruhig angehen, um den kranken Jungen nicht weiteren Anfällen auszusetzen.

Doch Rebecca Streibel muss üben mit „Chap“, vor allem das Umwelttraining. Denn der Australian Shepherd ist sensibel, durch die vielen Anfälle von Noel in der Vergangenheit nicht so stabil. „Auch wegen Corona fehlen ihm das Umwelttraining und das Training im Alltag sehr“, erklärt Rebecca Streibel, dass dies auch der Hundetrainer sagt. Durch die Schicksalsschläge und die vielen Anfälle von Noel fehlt es einfach an Zeit, um richtig zu üben. Um voranzukommen und nicht auf der Stelle zu treten, wagte sich die Familie auf den Hockenheimer Mai. „Das hat ,Chap’ schon an den Nerven gezerrt. Viele Menschen, laute Musik. Es war für ihn eine angespannte Situation, er war viel am Hecheln“, erinnert sich das Ehepaar Streibel an den Tag. In der Zukunft werde sich die Familie diesen Situationen aber selten aussetzen. Denn dies sind Momente, die auch für Noel sehr stressig sind und die Möglichkeit, einen Anfall zu bekommen, erhöhen. „Aber wir müssen es für die Prüfung können, auch, wenn dies in unserem Alltag eher eine kleinere Rolle spielen wird“, erklärt Rebecca Streibel. Das Benehmen des Hundes sei aber vorbildlich. „Wir können überall mit ihm rein. Er benimmt sich und hört auf mich – auch bei Spaziergängen“, freut sich die Mutter dreier Kinder (Leon 8, Noel 6 und Valentin 3), dass das alles gut funktioniert, der Gehorsam super ist.

Problematisch gestalte sich allerdings aktuell das Geruchsprobentraining. Dadurch, dass Noel so viele Anfälle hatte, ist es schwierig, „Chap“ an die Gerüche zu gewöhnen, ihm diese anzutrainieren. Selbst den Trainer wundere es, dass der Hund „nicht durchgedreht ist“, denn für ihn sei das alles viel, sehr stressig. „Er kann mögliche Anfälle nicht mehr anzeigen. Deswegen hat man normalerweise auch keinen Warnhund, wenn man zu viele oder zu wenig Anfälle hat“, erklärt Rebecca Streibel, dass der Hund aufgrund einer Reizüberflutung einen Anfall nicht mehr anzeigen könne. Trotz all dieser Faktoren ist die Liebe zwischen Noel und „Chap“ ungebrochen, was die Eltern sehr freut. „Sie lieben sich abgöttisch. ,Chap’ sucht Noel immer und schleckt ihm über das Gesicht. Das mochte Noel anfangs gar nicht. Mittlerweile fordert er sogar Küsse vom Hund ein“, beschreibt die 29-Jährige, dass Noel immer darauf achtet, dass der Hund dabei ist. Schön sei vor allem zu sehen, wenn „Chap“ dabei ist, wenn Noel aus dem Kindergarten abgeholt wird. Da freut sich der Vierbeiner, wedelt mit dem Schwanz und kann es kaum erwarten, den sechsjährigen Jungen zu begrüßen.

Sprache ist zurückgegangen

Nicht nur die Anfälle haben sich seit dem vergangenen Jahr verstärkt, auch Noels Sprache ist seitdem zurückgegangen. „Er spricht nichts mehr“, sagt seine Mutter, dass er Zahlen konnte, Farben. Nun ist davon nichts geblieben. Aber immerhin versteht er einen, zeigen sich seine Eltern glücklich. Dass dies passieren kann, zeigt auch die Studie, in der Noel ist. „Jeder der Studienteilnehmer reagiert anders. Aber, dass die Entwicklung stehenbleibt oder zurückgeht, ist leider bei fast allen zu sehen“, erklärt das Ehepaar Streibel, dass das Krankheitsbild macht, was es will. „Noel ist geistig derzeit stabil und will auch wieder puzzeln“, freut sich seine Mutter, erinnert sich aber auch an einen Vorfall vor wenigen Monaten.

Ende Mai hatte Noel einen besonders schlimmen Anfall, er hörte auf zu atmen. Rebecca Streibel musste ihren Sohn beatmen. Von morgens 6.30 bis 16.30 Uhr wechselte sich krampfen und schlafen ab. An diesem Tag ließ sie ihren Sohn nicht allein, blieb die ganze Zeit bei ihm im Bett liegen. Dann ging es nicht mehr. Das erste Mal, seit „Chap“ bei der Familie ist (Juni 2021), musste die 29-Jährige den Rettungsdienst rufen – auch ein Rettungshubschrauber kam. Fünf bis sechs Erwachsene sind im Wohnzimmer der Familie rumgelaufen. Für den Australian Shepherd war dies immenser Stress berichtet Rebecca Streibel. Noel blieb mit seiner Mutter im Krankenhaus. Für den Hund eine Phase, in der er nicht wusste, wo sein Schützling ist. Umso größer die Freude, als „Chap“ und Noel sich wiedersahen.

Im September beginnt für die Familie ein ganz neues, aufregendes Kapitel. Noel kommt in die Schule. Er wird die Ludwig-Guttmann-Schule in Kronau besuchen – ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Mit einem Busunternehmen wird er dann hingebracht, auch eine Schulbegleitung wird er bekommen. „Noel braucht eine 1:1-Betreuung. Daher haben wir auch diverse Gutachten eingeholt, die uns bestätigen, dass er eine Schulbegleitung braucht“, erklärt Streibel. Unter anderem sei ein Grund, dass er sehr agil sei, aber Gefahren nicht einschätzen könne. Viele Dinge einfach nicht allein bewerkstelligen kann. Auch der Fahrservice wird für Noel anders geregelt. Da er nicht geweckt werden darf, weil dies Anfälle fördern und hervorrufen kann, wird er immer alleine in die Schule gefahren. Rebecca Streibel und ihr Mann Etienne sind gespannt, wie alles klappen, Noel alles aufnehmen wird. Denn für ihn sei es schwieriger, dies alles zu verarbeiten. Er verstehe es ja nicht so, wie ein gesundes Kind.

2023 soll es weitergehen

Wie es mit der Teamschulung weitergeht, ist derzeit noch nicht ganz klar. Rebecca Streibel will, muss dran bleiben. Die letzte Schulung im April hatte sie abgesagt, da es Noel so schlecht ging. „Ich will nirgends mit ihm hinfahren, seit dem Vorfall im Februar“, sagt seine Mutter, dass ihre Sorgen einfach zu groß sind. Aber für 2023 nimmt sie sich fest vor, wieder mit den Teamschulungen – unter Betreuung und mit Unterstützung der Trainer – weiterzumachen. „Auch für mich ist es frustrierend, dass es nicht klappt, so weiterzumachen, wie geplant“, sagt sie, dass sie für ihre Familie und vor allem ihren Sohn doch nur das Bestmögliche erreichen will.

Redaktion Redakteurin mit Schwerpunkt Online, aber auch Print

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