Region. Hygiene gehört zu ihrem Alltag und das seit 30 Jahren. Die Diagnose Mukoviszidose bekamen die Eltern, als die Tochter drei Jahre alt war. Eine Krankheit, bei der Hygiene oberste Priorität hat, Infektionen können gefährlich werden, tödlich enden. Medikamente gehören zum Alltag, die Lebenserwartung ist niedrig. Ein solches Leben führt Jennifer Weber (Name auf ihren Wunsch hin geändert). Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt sie von alltäglichen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, ihrem Weg zum Impftermin und der Impfung selbst.
Die Diagnose war ein Schock, die Lebenserwartung wird damals auf 30 Jahre geschätzt. Das hat die Frau, die aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung kommt, geschafft. „Ich wurde vergangenes Jahr 30, wollte eine große Party machen“, verrät sie am Telefon. Wegen der Pandemie muss sie ausfallen, gerne hätte sie diesen Tag groß gefeiert. Alles wird für die junge Frau sehr schnell anstrengend, die Atmung fällt schwer. Seit Sommer 2020 gibt es ein neues Medikament, erzählt sie. „Bei Betroffenen wirkt das sehr gut“, sagt Weber, dass sich ihre Lungenfunktion mittlerweile sogar verbessert habe. Anfang 2020 lag sie bei 30 Prozent, mittlerweile bei 46 Prozent. Doch es hat mal eine Phase gegeben, bei der lediglich 22 Prozent Leistung vorhanden war – eine Lungentransplantation stand schon zur Debatte.
Maske tragen ist sie gewohnt
Vieles habe sich mit dem Beginn der Pandemie für die 30-Jährige aber nicht geändert. „Ich glaube, dass meine Krankheit für mich eher von Vorteil war“, sagt sie selbstbewusst, dass die Hygieneregeln für sie nichts Neues waren. Hände desinfizieren und Mundschutz tragen, gehöre dazu. Penibel achtet sie darauf, um sich keine Infekte einzufangen. 2016 war Jennifer Weber in der Reha – rückblickend bezeichnet sie es als „Bootcamp für die Corona-Zeit“. Unvorstellbar ist für die an Mukoviszidose-Erkrankte allerdings, wieso Menschen Probleme mit einer OP-Maske haben. „Bei einer FFP2-Maske komme ich mittlerweile auch an meine Grenzen“, gibt sie zu und sagt, dass dies mit ihrer schwachen Lungenfunktion zu tun habe.
Wie es sich in einer solchen Zeit gehört, hat die 30-Jährige ihre privaten Kontakte auf ein Minimum eingegrenzt. Problematisch sei allerdings, dass ihr Lebenspartner in einem systemrelevanten Beruf arbeitet und zwei Grundschulkinder hat, die alle zwei Wochenenden bei dem Paar sind. „Da war immer eine Distanz da, weil ich versucht habe, den Abstand zu halten. Aber mein Freund ist ja trotzdem ganz eng mit seinen Kindern“, sagt Weber, dass dabei Angst immer auch ihr Begleiter war. Allgemein sei diese Angst gleichzeitig aber eher klein gewesen, da sie ansonsten keine Kontakte hatte. Aber der zu ihrem Freund lasse sich nicht verhindern. „Hätte die Regierung diese ganzen Regeln nicht vorgegeben, hätte ich mich trotzdem so verhalten. Die Maske habe ich schon getragen, bevor sie Pflicht wurde“, erzählt Jennifer Weber, wie sie mit dieser Situation umgeht.
Von Ärzten gebe es unterschiedliche Meinungen. Die einen sagen, dass das Immunsystem immer in Bereitschaft sei und bei einer Corona-Infektion in Angriff gehen würde. Die anderen sagen, dass man eine Infektion vielleicht sogar überleben könne, aber „mit einer Lungenfunktion von 30 Prozent hat man nicht mehr viel Spielraum“.
Änderung der Verordnung
Froh ist die 30-Jährige darüber, dass sie mit dieser Krankheit in eine hoch priorisierte Gruppe für das Recht auf eine Corona-Schutzimpfung fällt. Doch das sah zu Beginn der Impfkampagne noch etwas anders aus, berichtet Weber: „Wir waren gar nicht aufgeführt.“ Muko e. V. habe sich dann dafür eingesetzt, dass Erkrankte priorisiert werden. „In Facebookgruppen für Menschen mit dieser Erkrankung wurde viel diskutiert. Auch darüber, dass das Risiko bei Asthmatikern gar nicht so hoch sei, aber sie trotzdem priorisiert wurden“, erklärt sie, was dort zum Beispiel thematisiert wurde.
Am 5. März wurde die Verordnung geändert – Mukoviszidose-Kranke dürfen sich impfen lassen. Die 30-Jährige hat sich gleich dran gemacht, einen Impftermin zu bekommen. Es gestaltete sich schwierig, sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben – in Mannheim und Patrick-Henry-Village blieb sie erfolglos. Doch dann bekam sie einen Tipp von ihrer Schwester, probierte es noch in Heidelberg-Pfaffengrund – es klappte. Dann war es soweit: Jennifer Weber hat einen Termin für die Impfung. Alles lief super. „Es gab überhaupt nichts zu bemängeln. Dort sind alle gut organisiert, es ging flott und alle waren sehr freundlich“, erinnert sie sich an den Tag der Impfung zurück. Und das, obwohl sie Impfungen gar nicht mag. „Ich finde das schlimmer, als Blut abnehmen und ich bekomme oft Blut abgenommen“, sagt Weber und lacht.
Panik ist kleiner geworden
Seit sie die erste Impfdosis mit dem Vakzin von Astrazeneca verabreicht bekommen hat, ist sie „deutlich lockerer“ geworden. „Ich schütze mich weiterhin, aber die Panik ist nicht mehr so groß, wenn die Kinder da sind“, sagt sie und ist dankbar, dass sie geimpft werden konnte. Die Impfung an sich verlief gut, doch der Tag danach „war hart“. Kopfschmerzen, Kälte und Müdigkeit begleiteten sie. „Aber das war es wert“, betont Weber. Am zweiten Tag nach der Impfung war alles wieder gut. Ob sie sich von Anfang an sicher war, dass sie geimpft werden wolle? Jennifer Weber ist ehrlich, gibt zu, dass sie nicht zu den ersten Personen gehören wollte, „aber jemand muss es ja machen“. Und auch über das Thema Langzeitnebenwirkungen machte sie sich Gedanken, fragte sich, wann man so etwas überhaupt wissen könne. Man könne ja nicht 30 Jahre warten. Aber sie betont auch, dass klar war, dass sie sich gegen Covid-19 impfen lassen wird.
Der Impfstopp für das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca wurde aufgehoben – seit Freitag, 19. März, darf damit wieder geimpft werden. Mitte Mai hat Jennifer Weber den Termin für die zweite Impfdosis – sie ist positiv gestimmt, hat sie doch einen großen Wunsch, eine große Hoffnung: Ende Mai ist sie Trauzeugin auf einer Hochzeit. Nun hofft sie, dass bis dahin alles gut geht und Corona die Hochzeit zulässt – ein Lichtblick in schweren Zeiten.
Was ist Mukoviszidose?
Mukoviszidose ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung. In Deutschland leben bis zu 8000 Patienten mit dieser Erkrankung. Sie ist nicht heilbar.
Die Lebenserwartung eines heute geborenen Menschen mit Mukoviszidose liegt in Deutschland bei etwa 50 Jahren.
Erkrankte werden ein Leben lang von der Krankheit begleitet. Sie müssen zum Beispiel Medikamente einnehmen, auf ihre Ernährung achten, spezielle Atemtherapien und krankengymnastische Übungen durchführen und besondere Hygienerichtlinien beachten.
Die Ursache von Mukoviszidose ist eine Mutation im Gen CFTR. In der Folge wird in vielen Organen des Körpers ein zäher Schleim produziert, der lebenswichtige Organe verstopft. Vor allem die Atemwege, die Bauchspeicheldrüse und der Darm sind davon betroffen.
Bei den meisten Erkrankten sind vor allem die Atemwege betroffen. Da sich der zähe Schleim nicht leicht abhusten lässt, verstopft er die Atemwege. Dadurch entsteht Husten, die Atmung ist erschwert, es kommt zu wiederkehrenden Infekten und Lungenentzündungen. Die Lungenfunktion nimmt mit den Jahren ab.
Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der seltenen Krankheit geboren.
Informationen zu der Krankheit und Beratungsangebote gibt es unter www.muko.info vas/Quelle: Muko e.V.
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