Vortrag - Klaus Brandenburger, Bernhard Fuchs und Oliver Grein beleuchten Ludwig Greins Rolle bei Übergabe Hockenheims 1945 / An Ostersonntag trotz Nazi-Drohung weiße Fahnen gehisst

Schicksal der Stadt stand auf Messers Schneide

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ska/Bilder: Kahl
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Das Nebenzimmer der „Pfalz“ platzte aus allen Nähten, und nicht wenige der weit über 70 Personen konnten die CDU-Veranstaltung zum Thema „Übergabe Hockenheims 1945“ nur stehend verfolgen. Dennoch dürfte keiner der Anwesenden sein Kommen bereut haben. Die drei Referenten – Klaus Brandenburger, Bernhard Fuchs und Oliver Grein – gaben die Ereignisse in der Osterwoche 1945 und zur Person von Ludwig Grein sehr anschaulich wieder.

Der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 5. März 1933 folgte in Hockenheim die Misshandlung von politisch Andersdenkenden, vor allem von „Roten“ (Sozialdemokraten und Kommunisten). Die DJK wurde genauso verboten wie der Arbeitergesangverein und andere Vereine; und ihre Vereinsarchive wurden verbrannt. Ein Hockenheimer wurde zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, weil er einen Hitlergruß nicht erwidert hatte.

Es folgte auch in Hockenheim die Reichspogromnacht. Kurz vor Kriegsende seien sieben deutsche Soldaten auf der Höhe der Autobahn Walldorf erhängt worden, weil sie offenbar an den Endsieg nicht mehr glaubten und desertieren wollten, berichtete Klaus Brandenburger (Bild).

Bürger verhindern Verwüstung

Dass der „totale Krieg“ nicht mit einer Zerstörung der Rennstadt endete, das war dem Mut beherzter Frauen und Männer zu verdanken, unter ihnen Ludwig Grein.

Doch wer war Ludwig Grein? Der inzwischen verstorbene ehemalige Bürgermeister Dr. Kurt Buchter beschrieb Grein als jemanden, der eher mit dem Säbel als mit dem Florett gefochten habe. Er habe sich auf den Bürgermeister-Stellvertreter Grein immer verlassen können.

Als „ehrlich und konservativ und vielleicht nicht immer einfach“ beschrieb ihn Klaus Brandenburger. Und Enkel Oliver Grein (Bild rechts) nannte ihn einen Familienmenschen, dem der Glaube und die Natur sehr viel bedeutet hätten: „Vielleicht bedurfte es genau eines solchen Menschen mit klaren Werten und einem starken Willen, um die Übergabe Hockenheims durchzuführen?“

Die militärische Lage Nazi-Deutschlands hatte sich vor Ostern dramatisch verschlechtert. Amerikanische und französische Soldaten waren in die Pfalz vorgedrungen, am Karfreitag 1945 wurde die Rheinbrücke nach Speyer gesprengt. Hockenheim wurde beschossen.

Die NSDAP verteilte Flugblätter, in denen der Einsatz von Wunderwaffen angekündigt wurde, weshalb Frauen und Kinder die Stadt verlassen sollten – ein Befehl, der von vielen Hockenheimern als widersinnig eingeordnet wurde.

Am Karfreitag sprach Ludwig Grein beim örtlichen Kommandanten vor, der eine Übergabe ablehnte und Grein mit Erschießung drohte. Dennoch gab dieser der Schneiderin Käthe Ullrich die Anweisung, weiße Fahnen zu nähen.

Fahnen und Hitlerbilder verbrannt

Kurz nach Mitternacht zum Ostersonntag begannen Ludwig Grein und der Stadtelektriker Martin Klenk, Fahnen und Hitlerbilder zusammenzutragen und zu verbrennen. Gegen 3 Uhr morgens bestiegen Kaplan Franz Xaver Schmider zusammen mit dem damals 15-jährigen Bernhard Fuchs (Bild, beim Vortrag) den 65 Meter hohen Turm der St. Georgs-Kirche, um die weißen Fahnen am großen Turmfenster zu befestigen. Fuchs erinnert sich: „Die ganze Gegend war in künstlichem Nebel eingehüllt, und über allem lag eine gespenstische Ruhe.“

Auf Anweisung Greins wurden in der Nacht die Panzersperren entfernt und die Straßengräben zugeschüttet. Als der Morgen graute, flatterten auch am beschädigten Turm der evangelischen Kirche weiße Fahnen, und überall in der Stadt hängten die Einwohner weiße Bettlaken in die Fenster ihrer Häuser.

Zusammen mit Klenk und anderen Bürgern ging Grein den amerikanischen Truppen entgegen. Der Krieg war für die Rennstadt am Morgen des Ostersonntags beendet.

Doch die Geschichte ging weiter: Als einige Tage später französische Soldaten Waffen in einem Haus in der Oberen Hauptstraße fanden, nahmen sie Grein gefangen und brachten ihn ins Militärgefängnis nach Speyer, wo er verurteilt und erschossen werden sollte. Dass die Geschichte gut ausging, ist wohl dem beherzten Einsatz von Dekan Joseph Englert und der damaligen Besitzerin des „Adlers“ zu verdanken, die zusammen mit einem französischen Armee-Geistlichen Grein freibekamen.

„Was lange währt, wird endlich gut“ – so kommentierte Klaus Brandenburger die Annahme des CDU- Antrags im Dezember 2017 auf Einrichtung einer Ludwig Grein-Straße von der neuen Kraichbachbrücke zur Schubertstraße im Gemeinderat. Nachdem die politische Initiative bereits 2007 von den Grünen und ab 2009 auch vom Arbeitskreis Jüdische Geschichte ausging, hatte die CDU den Vorschlag übernommen und im Oktober 2010 als Antrag eingereicht.

Vielen Zuhörern ist wohl erst mit diesem Vortrag bewusst geworden, wie ernst die Lage damals war und wie leicht die Geschichte für die Sadt Hockenheim anders hätte ausgehen können. Ein langanhaltender Applaus bezeugte den Dank an die drei Referenten, denen CDU-Vorsitzender Markus Fuchs jeweils ein Präsent überreichte. ska/Bilder: Kahl

Zur Person: Ludwig Grein

Ludwig Grein wurde am 2. April 1893 als zweites von insgesamt sieben Kindern in Mondfeld bei Wertheim geboren.

Zum Ersten Weltkrieg meldete er sich als Freiwilliger. Bei der Schlacht bei Ypern 1915 wurde er verwundet und deshalb 1916 aus dem Heeresdienst entlassen. Er kam nach Hockenheim als Lehramtsanwärter.

Am 5. Mai 1920 heiratete er die Hockenheimerin Liesel Krämer, mit der er drei Kinder bekam. Fünf Jahre später wird er Lehrer an der Landwirtschaftlichen Berufsschule in Hockenheim, später deren Leiter und Schulrat.

1932 wurde Grein Mitglied des Zentrums und zum Stadtrat gewählt.

1945 wurde Grein als kommissarischer Bürgermeister eingesetzt.

Grein war einer der Mitbegründer der CDU Hockenheim. Später wurde er Partei- und Fraktionsvorsitzender, zudem Bürgermeisterstellvertreter.

Ludwig Grein verstarb am 21. März 1966 mit 73 Jahren. ska

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