Äußerst lebendig, engagiert und mit jener Freude am Spiel, welche die Aufführungen des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums seit je auszeichnet, ging am Donnerstagabend die Premiere des Musicals „Anatevka“ der Musik-Theater-AG über die Bühne der fast voll besetzten Stadthalle. Dafür gab es vom begeisterten Publikum viel Applaus und zum Schluss stehend Ovationen.
Sichtlich beeindruckt wusste Schulleiterin Anja Kaiser am Ende nicht, wem das größte Lob gebührt, der Beleuchtung, der Technik, die „einen nie im Stich lässt“, wie sie sagte, der ausgefeilten Choreografie, dem prächtigen Bühnenbild, der Maske, der Regie, den musikalischen Gesangsnummern oder der großartigen schauspielerischen Leistung.
Ihr Fazit: „Ohne Teamarbeit wäre eine solche Aufführung nicht möglich, das geht nur im konstruktiven, harmonischen Zusammenwirken.“ Worte des Dankes und des Lobs gab es auch für das bewährte Team hinter der Bühne.
Am Ende monatelanger Proben stand das Erfolgsmusical „Anatevka“, das die Tradition der Musik-Theater-Aufführungen am Gauß-Gymnasium fortsetzt und großartige musische Erziehung leistet.
Um Tradition geht es auch in dem Musical, das 1964 unter dem Titel „Fiddler on the Roof“ (Der Fiedler auf dem Dach) am Broadway uraufgeführt wurde, um den Konflikt zwischen Brauchtum und Moderne, aber auch um die heute so aktuellen Thema Vertreibung, Flucht und Ausgrenzung von Menschen.
„Wenn ich einmal reich wär“
Das Werk des amerikanischen Komponisten Jerry Block (1928 bis 2010) nach dem Buch von Joseph Stein (1912 bis 2010) spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts im fiktiven Schtetl Anatevka, wo Christen und Juden, verhaftet in ihrer jeweiligen Tradition, leben.
„Wenn ich einmal reich wär“ – für den Milchmann Tevje bleibt das ein Traum. Er und seine Frau Golde haben fünf Töchter, die sie nach jüdischer Tradition verheiraten möchten, vor allem mit wohlhabenden Männern. Die Mädchen dürfen sich ihren Bräutigam nicht selbst aussuchen, die Heiratsvermittlerin Jente soll dies für sie erledigen. Allerdings stellen sie sich quer und Konflikte sind vorprogrammiert.
Wunderbar, wie das Schauspielteam in der Regie von Anja Kaiser, Dietrich Brinkmann und Karl-Ludwig Matz die tragikomische Gratwanderung zwischen jüdischem Humor und Dramatik meistert. Der Musik- und Theater AG gelang eine perfekte Balance zwischen Bühnenbild (Thomas Bastel, Beate Wild), Lichttechnik (Raimund Becker), der Choreografie (Victoria Wohlleber) und den musikalischen Beiträgen (Gesamtleitung Bernhard Sommer).
Schon die erste Szene weist auf den Verlust von haltgebender Tradition hin. Auf dem Dach sitzt eine Fiedlerin als Metapher für die fragile Sicherheit des Lebens. Sie spielt zu Beginn auf, während die Bevölkerung Anatevkas zum Song „Tradition“ noch sorglos fröhlich tanzt, und noch einmal zum Schluss beim schweigenden Auszug der Juden aus Anatevka.
Alle Rollen, beginnend mit den professionellen Gesangparts bis hin zu den Nebendarstellern, sind großartig besetzt, die Figuren vermitteln sehr authentisch die witzige, warmherzige, aber auch tragische Seite dieser berührenden Geschichte. Sie alle zu erwähnen, würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen. Stellvertretend sollen hier die Hauptdarsteller genannt werden, allen voran Benno Lerch als Vater Tevje. Nicht nur, dass er schön singen kann, ihm gelingt es mit ausgezeichnetem Timing, das nach außen polternde, strenge Familienoberhaupt mit weichem Herz zu spielen. Über seine Zwiegespräche mit Gott wurde im Publikum oft herzhaft gelacht.
Differenzierte Darstellung
Resolut, mit spitzer Zunge und stimmlich prima tritt Bobby Tomazos als seine Frau Golde auf, die schließlich ihre liebevolle Seite offenlegt. Auch die Töchter sind höchst differenziert dargestellt: Paula Krieger als Zeitel schlägt die von der gewieften Heiratsvermittlerin Yente (Anne Heck) angebahnte gute Partie des Fleischers Lazar (Alper Adanir) aus und eröffnet dem Vater, dass sie sich heimlich mit dem armen Schneider Mottel (Sebastian Sowa) verlobt hat. Die geradlinige Hodel (Antonie Käufl) bandelt mit dem Revolutionär Perchik an (Vincent Grätsch), der mit seinen Ideen Tevjes Prinzipien arg strapaziert.
Der Vater springt aber über den eigenen Schatten und gibt schließlich doch seinen Segen. Als dann aber die dritte Tochter, die belesene Chava (Alina Dickschat), sich in den jungen Russen Fedja (charmant gespielt von David Golombek) verliebt, ist Tevje in seinen Fundamenten erschüttert. Auf Zeitels Hochzeit dann bekommen die jüdischen Bewohner die vom Zaren verordneten Repressalien zu spüren.
Zum fulminanten Erfolg der Premiere trugen auch die fantasievollen Kostüme sowie die Gesangs- und Tanznummern bei, vor allem das Orchester, das unter der Leitung von Bernhard Sommer so fetzig jiddische, russische und Klezmer-Klänge hervorzauberte, dass niemand im Saal unbeeindruckt blieb.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/hockenheim_artikel,-hockenheim-schueler-bieten-weitere-glanzvorstellung-_arid,1266998.html