Johannes Welflin war bei seinem Tod 43 Jahre alt. An Händen und Füßen gefesselt wurde er 1393 in die rauschenden Fluten der Moldau geworfen. Vorangegangen waren Tage der quälenden Folter. Der Priester war damals bekannt als Johannes Nepomuk und der erzbischöfliche Generalvikar von Prag. Sein Todesurteil unterschrieb er mit der Bestätigung der Wahl eines „Bruder Olen“ zum Abt von Kladrau, einem reichen Benediktinerkloster. Zur Machterweiterung der Krone wollte König Wenzel eigentlich einen anderen einsetzen, was Johannes als Stellvertreter des Bischofs verhinderte.
Was das mit Hockenheim zu tun hat? Nun, viele Bürger und Besucher der Stadt begegnen Johannes Nepomuk tagtäglich. Zumindest seinem steinernen Abbild. Heute ist Johannes Nepomuk nämlich nicht nur Heiliger, sondern auch Schutzpatron der Brücken und steht – wie auch in seiner Heimat Prag – auf einem Sockel an der zentralen Brücke der Stadt. Nur ist es eben nicht die Karlsbrücke, sondern die Kraichbachbrücke, über die der Patron seinen Segen ausbreitet. Die Leidenszeit des Heiligen Nepomuk fällt in eine spannende Zeit der Kirchengeschichte.
Zwei Päpste ringen um die Macht
Der Konflikt, dem Nepomuk schlussendlich zum Opfer fiel, wurde im Zuge des so genannten „Großen Abendländischen Schisma“ ausgetragen. Damals gab es von 1378 bis 1417 zwei konkurrierende Päpste. Nach dem Untergang der Staufer – dem Adelsgeschlecht, dem auch Friedrich I. Barbarossa entstammte – war Frankreich zur größten Macht in Europa geworden. Diese Macht strahlte bis in die geistliche Welt - zu deren Unmut. Als der Erzbischof von Bordeaux 1305 zu Papst Clemens V. gewählt wurde, ließ dieser sich in Lyon krönen und verlegte seinen Sitz 1309 vollends von Rom nach Avignon. Bis Gregor IX. 1376 die Rückkehr nach Rom vollzog, war die Stadt in Südfrankreich der offizielle Sitz des Papstes, der unter starkem Einfluss der französischen Krone stand. Gregors Nachfolger Urban VI. versuchte, diesen Einfluss im Kardinalskollegium einzudämmen. Daraufhin wurde er von diesem für unfähig erklärt und die Kardinäle wählten mit Clemens VII. einen Gegenpapst. Bis 1417 war daraufhin die lateinische Kirche gespalten.
Der deutsche König Wenzel IV. leistete sich in dieser Zeit einen Kleinkrieg mit dem Erzbischof von Prag. Beiden rangen sowohl um Macht als auch finanzielle Einkommenschaften aus der Diözese. Am 20. März 1393 wurde Nepomuk als Stellvertreter des Bischofs gefangen genommen. Bis er am 16. Mai ertränkt wurde, musste der Priester grausame Folterqualen erleiden.
Der Legende nach, formten sich um den Körper Nepomuk fünf Flammen, die den Leichnam umkreisten. Andere erzählen, die Moldau sei ausgetrocknet, dass die Leiche des Mannes habe geborgen werden können. Nepomuk ist aber nicht nur Beschützer von Brücken sondern auch Patron des Beichtgeheimnisses. In der „Kaiserchronik“ von Thomas Ebendorfer (1449) findet sich eine entsprechende Geschichte. Johannes Nepomuk soll der Beichtvater von König Wenzels Ehefrau Johanna gewesen sein. Zur Rechtfertigung seiner eigenen Verfehlungen versuchte Wenzel die Beichtgeständnisse seiner Frau aus dem Geistlichen herauszupressen. Dieser aber soll sich mutig auf das Beichtgeheimnis berufen und eisern geschwiegen haben.
Keine Beweise
Belegt ist diese Version der Geschichte allerdings nicht und die Einmischung Nepomuks in Wenzels politische Vorhaben wohl auch wahrscheinlicher. Anhänger des „mutigen Bewahrers des Beichtgeheimnisses“ finden sich aber dennoch. Wohl auch wegen der Anekdote von Johannes Nepomuks Zunge. Beim Öffnen seiner Grabstätte 1719 soll diese nämlich völlig unverwest vorgefunden worden sein.
Neben diesen durchaus geheimnisvollen Legenden, die sich um das Leben des Brückenheiligen ranken, gibt es auch in der realen Gegenwart und direkt in Hockenheim ein mysteriöses Rätsel, das quasi zu Nepomuks Füßen liegt. Es ist die Inschrift auf dem Sockel der Statue, die ein Geheimnis verbirgt. Auf dem ersten Blick ist auf dem Sockel eine lateinische Inschrift zu erkennen: „Hoc in ponte tua ex voto stat imago locata sit coelestis huic paxque salusque loco“ heißt übersetzt etwa „Auf dieser Brücke steht, wie ich es versprochen habe, dein Bild. Es soll zum Himmel ragend errichtet sein, und Friede und Glück sollen diesem Ort zuteilwerden.“ Es folgt darauf ein Text in deutscher Sprache, der heute zwar etwas altbacken klingt, aber noch immer gut verständlich ist: „Wir setzen dein Figur ahn unsere Speyer Brück. Bitt für uns o Patron St. Iohann von Nepomuck. Zur gröserer Ehr Gottes den Gott von seinigen will geehret haben, verfertigt, und aufgerichtet, XVIten May“. Nepomuk wurde also an einem 16. Mai aufgestellt.
Goldener Fingerzeig
Wer sich die golden schimmernden Buchstaben genau ansieht, bemerkt, dass einige von ihnen prominenter dargestellt werden als andere. Die Sprache, in der die Inschrift beginnt, gibt einen Hinweis auf die mögliche Lösung des Rätsels. Alle dieser hervorgehobenen Buchstaben können auch als römisches Zählzeichen interpretiert werden. Jeweils vier der insgesamt zwölf Absätze ergeben zusammen die Zahl 1755 – das Jahr der Errichtung. Der 16. Mai 1755 war übrigens ein Freitag. Solche Zahlenspielereien, in denen eine zeitliche Angabe zu einem Ereignis in einem Text über dieses Ereignis eingeflochten wird, nennt man Chronogramm. Chronogramme waren besonders im Barock beliebt und finden sich an vielen Gebäuden oder auch Kunstdenkmälern. Chronogramme sind schon seit dem Mittelalter bekannt, kamen aber erst später wirklich in Mode. Sie entstanden meist zeitnah zum Ereignis. Die Inschrift an der Hockenheimer Nepomukstatue liegt damit also voll im Trend ihrer Zeit.
Die Brücke, zu deren Schutz die Heiligenfigur ursprünglich einmal aufgestellt wurde, existiert heute nicht mehr. Diese so genannte Schulzenbrücke wurde 1752, also drei Jahre bevor Nepomuk seinen Dienst als Brückenwächter am Kraichbach angetreten hatte, von Franz Wilhelm Rabaliatti entworfen – einem der Hofbaumeister des Kurfürsten Carl Theodor. An dessen hauptsächlicher Wirkungsstätte in Schwetzingen steht eine Figur Nepomuks am Schlossgraben (rechts vom Haupteingang), die der Figur in Hockenheim zum Verwechseln ähnlich sieht.
Spuren der Vergangenheit
Zum Bau der Brücke waren damals Backsteine aus der ehemaligen Burg Wersau in Reilingen herangekarrt worden. Unter dieser Brücke vereinigten sich damals der Kraichbach und dessen Seitenkanal, der Mühlbach. Mit steigendem Verkehrsaufkommen musste allerdings bereits 1873 eine neue Querung über den Bach her. Diese Jahreszahl findet sich noch heute – unverschlüsselt – auf dem Sockel der Figur – wenngleich die Brücke mittlerweile ersetzt wurde.
Unter diesem Gesichtspunkt scheint Nepomuk einer Querung an dieser Stelle tatsächlich hold zu sein: Nachdem die Hockenheimer Mühle in den 1960er Jahren verschwand und nun auch bei den Arbeiten zum Hochwasscherschutz- und Ökologieprojekt die dortige Bachschlinge als Zeugin der Geschichte verschwinden wird, steht bald nur noch der steinerne Nepomuk als Erinnerung wacht am Kraichbach.
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