„Wir haben uns heute Abend in der Kirche versammelt, weil wir erschüttert sind und voller Entsetzen und offener Fragen. Zwei Kinder wurden in unserer Nachbarschaft um ihr junges Leben gebracht. Ein Geschehen, mit dem wir als Menschen überfordert sind“, begrüßte Pfarrer Christian Müller von der katholischen Kirchengemeinde die zahlreichen Menschen, die sich am Freitag zum Trauergottesdienst in der noch österlich geschmückten Kirche St. Georg versammelt hatten.
Leid und Elend auf der einen Seite, die Kirche in österlicher Fröhlichkeit auf der anderen – ein Widerspruch, den Pfarrer Michael Dahlinger von der evangelischen Kirche in seiner Begrüßung aufgriff. Am Sonntagmorgen hätten die Christen weltweit Ostern gefeiert, für sie ein fröhliches Fest, eine Huldigung an das Leben voller Freude über den auferstandenen Jesus Christus – und dann, mitten in die österliche Freude platzt die Schreckensnachricht: „Aus Ostern wurde wieder Karfreitag“.
Fünf Kerzen entzündet
Diese Verzahnung von Freud und Leid, von Leben und Tod wurde durch die fünf Kerzen aufgegriffen, mit denen die beiden Geistlichen dem tragischen Geschehen des Ostersonntags Gestalt gaben: eine Kerze für den Vater, eine Kerze für die Mutter, die dritte für alle, die mit den Kindern trauern, und die beiden letzten für ebendiese – für Hagen und Theodor. Womit Dahlinger die Namen der beiden getöteten Kinder bewusst nannte – er wollte ihnen ihre Persönlichkeit verleihen, um so um sie trauern zu können.
Nach einem Moment der Stille folgte ein Klagelied, dessen Text Pfarrer Müller aufgriff. Denn in dem Klagelied ist von „ummauert sein“, von „Bitterkeit und Qual“ die Rede: „So fühlen sich viele von uns in Hockenheim: betäubt, wie ummauert und konfrontiert mit Bitterkeit und Qual.“ Seit der Nachricht vom Tod der Kinder würden sich viele Menschen wie in einem Schock fühlen, umgeben von einer Wand der Trauer. „Gerne würde man die Mauer durchbrechen“, sprach Müller von einer Wand ohne Tür, einer Mauer voller Fragen ohne Antworten. „Und wie gerne würde man Theodor und Hagen wieder ins Leben zurückholen.“
Die Mauern einreißen
Man wolle, dass nie geschehen sei, was geschah, die Kinder noch am Leben seien. Man wolle nicht wahrhaben, dass sie im geschützten Raum bei der Mutter den Tod gefunden haben. Doch, fragte sich Müller, welche Mauern mag die Mutter gefühlt haben, in welcher schlimmen Situation mag sie sich befunden haben. „Vor uns liegen menschliche Abgründe“, fuhr Pfarrer Müller fort und sprach bewusst von einem Tag der Fragen, keinem Tag der Antworten.
Gewiss sei, so Müller, dass die Bibel solche Klagelieder kenne, sei ein Zeugnis der menschlichen Erfahrungen von Enttäuschung und Abgründen. Dem hielt Dahlinger den Funken der Hoffnung entgegen, den Glauben an das Gute, das im Menschen steckt. „In unseren verwundeten Seelen glimmt noch ein Funke Hoffnung“, sah der Seelsorger die Schöpferkraft Gottes im Menschen wirken, eine Macht, die zu ihm stehe und ihn durch Liebe wie einen Faden an die Welt binde und ein Grund- und Urvertrauen sei, das nur darauf warte, wiederentdeckt zu werden. Ein Urvertrauen, mit dessen Hilfe es gelingen möge, sich irgendwann zu einem Tag der Antworten zu versammeln.
In den Fürbitten gedachten die Versammelten der toten Kinder Theodor und Hagen, schlossen sie alle in ihre Gedanken ein, die sie kannten, ihre Familie, ihre Lehrer und Freunde, ihre Schulkameraden und alle, die von ihrem Tod schockiert sind. Gedankt wurde den Einsatzkräften der Polizei und der Rettungsdienste, die täglich zum Wohle der Menschen im Einsatz sind und die lernen müssten, sich mit solch schwierigen Situationen auseinanderzusetzen, die an ihre Grenzen kommen und oft ohne Antworten bleiben.
Im Anschluss an den Gottesdienst hatten die Besucher die Gelegenheit, selbst ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen, indem sie Kerzen entzündeten und aufstellten. Eine Gelegenheit, von der unter anderem Oberbürgermeister Marcus Zeitler, Polizeipräsident Siegfried Kollmar, Vertreter des Hockenheimer Polizeireviers, der Rettungskräfte und des Seelsorgeteams der Feuerwehr sowie viele Bürger reichlich Gebrauch machten.
Kaum einer, der an dem Gedenkgottesdienst teilnahm, wird Antworten auf seine Fragen gefunden haben, das schreckliche Ereignis vom Ostersonntag lässt sich nicht leicht begreifen. Doch alle werden mit dem Gefühl nach Hause gegangen sein, dass eine Gemeinschaft die Chance bietet, gemeinsam Abschied zu nehmen und gemeinsam einen Ort der Trauer zu schaffen.
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