Stadthalle

So war Pe Werners Nacht voller Seligkeit in Hockenheim

Sängerin Pe Werner beweist bei einem Streifzug durch über 100 Jahre deutsche Musikgeschichte unvergleichliche Bühnenwucht – und das mit nur zwei eigenen Titeln.

Von 
Matthias H. Werner
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Pe Werner nimmt ihre Zuhörer mit auf eine Reise durch einen Teil der deutschen Musikgeschichte. © Lenhardt

Hockenheim. Sie hat Anfang der 1990er Jahre mit ihrem bekanntesten Titel ein „Kribbeln im Bauch“ der Nation ausgelöst, „Trostpflastersteine“ und das nostalgische „Lebkuchenherz“ verteilt. „Von A nach Pe“ ist die rotlockige Sängerin, Songwriterin, Komponistin und Kabarettistin Pe Werner ein Meilenstein der deutschen Musikgeschichte und auch heute, mit mittlerweile 62 Jahren, eine Bühnenwucht sondergleichen. Zu erleben auch in der Hockenheimer Stadthalle, wo die in Heidelberg geborene, in Rimbach im Odenwald aufgewachsene und heute in Köln lebende Songpoetin in ehemals heimischen Gefilden die Bühne in Bretter verwandelte, die wortwörtlich das Leben bedeuten.

Mit ihrer musikhistorischen Revue „Eine Nacht voller Seligkeit“ hat Pe Werner nicht nur den Bogen ihrer eigenen Geschichte und die des ganzen Landes gespannt, sondern die charismatische Wilde mit der unbändigen Mähne bescherte den Rennstädtern genau eine ebensolche – selige Nostalgie, befreiendes Lachen und jede Menge Hits.

Pe Werner in Hockenheim: Mit Schlagern durch die Historie

Unter dem Schirm des einstigen Marika-Rökk-Titels plaudert sich die begnadete Sängerin fast ausschließlich in Schlagertexten durch die Historie – vom 1930er Raymond-Bernauer-Amberg Foxtrott entnommenen Bruder, der „beim Tonfilm die Geräusche“ macht, nachdem sich ihr Vater mit dem Motorrad aus der DDR herübergemacht hat, über die die Kindheit mit dem „bunten Luftballon“ (Alda Noni aus dem Jahr 1943), das Reisefieber „Komm ein bisschen mit nach Italien“ (Caterina Valente von 1956) bis zur Liebe, die als „seltsames Spiel“ (von Conny Francis-Hit von 1960) so etwas wie ein „Kriminal-Tango“ (Hazy Osterwald Sextett ,1961) für Fortgeschrittene ist und nur zeigt, dass die Männer – auch wenn sie „Glück bei den Frau’n, Bel Amie“ (Lizzi Waldmüller, 1939) haben – „alle Verbrecher“ (Lisa Weise 1913) sind.

Dabei kommen in einem tiefsinnigen, durch die kecke Werner-Art aber leicht verdaulichen Schwenk zur dunkelsten Zeit des Landes auch die Schattenseiten auf den Tisch: Überschrieben von einer gewitzten Hitler-Goebbels-Klatsche auf den „Tic Tac Toe“-Hit „Scheiße“ hat mit dem Heesters-Gassenhauer „Liebling, was wird nun aus uns beiden“ (1941) und dem Rökk-Müller-Song „Mach dir nichts draus“ von 1943 auch der Krieg seinen Platz – um sich in einem rassigen „Wirtschaftswunderlied“ (Neuss/Müller, 1958) aufzulösen.

Die eigene Biografie fließt fast nahtlos ein: Ob mit dem „Prinzen“-Hit „Mein Fahrrad“ in Erinnerung an den VW-Bus mit den Blümchen drauf, als Pe Werner „per Anhalter von Rottweil nach Southampton“ unterwegs war oder einer Chris-Robins-Persiflage auf „Hab ich Dir heute schon gesagt, dass ich Dich liebe“ an das erste Zusammentreffen mit dem legendären Dieter Thomas Heck in der ZDF Hitparade. Besonders genial gelingt das mit dem Streifzug durch die Neue Deutsche Welle irgendwo zwischen Grönemeyer, Müller-Westernhagen, Rio Reiser und Nina Hagen.

Pe Werner in Hockenheim: Gut zwei Stunden Programm

Als Pe Werner mit ihrem eigenen Hammerhit „Weibsbilder“, mit dem sie 1989 debütierte, nach rund zwei Stunden ihren musikalischen Streifzug beendet, tobt das Haus in langem Applaus und Standing Ovations. Wer auf einen „Best-of-Pe-Werner“-Abend gewartet hatte, musste sich eines Besseren belehren lassen: Außer den „Weibsbildern“ gab es nur als Zugabe noch das „Kribbeln im Bauch“ von Werner selbst.

Vermisst haben dürfte das trotz der Beliebtheit der Werner’schen Eigenkreationen niemand – viel zu präsent war die Künstlerin, viel zu überwältigend ihre nach wie vor glanzvolle Stimme, ihre Performance, wenn sie wie ein junger Hüpfer über die Bühne tollte oder sich lasziv auf dem Flügel räkelte: „Herr Grabinger, Sie sind so gnadenlos erotisch.“

Der ist als Pe Werners langjähriger Wegbegleiter überhaupt so etwas wie die Symbiose zu der exzentrischen Sängerin – mit begnadetem Spiel fängt er die immer noch junge Wilde ein, gibt den Gesprächspartner und auch mal den Punchingball: Käte Manns Titel aus den 1930ern „‘S hat keinen Zweck, Du bist kein Kavalier“ richtet Werner direkt an ihren demütigen Pianisten: „Bitte benehmen Sie sich, als hätte Ihr Leben einen Sinn.“ Grandios gerät die Neuinterpretation des in den 1950ern von Evelyn Künneke von Bully Buhlan geklauten „Ham se nich‘ ‘nen Mann für mich“, bei dem Flügelmann Peter Grabinger als Gotthilf zusammen mit seinen Fisherman’s Friends den Backgroundchor macht.

In Hockenheim hat Pe Werner einmal mehr bewiesen, dass sie weder die Goldene Stimmgabel noch Goldenen Schallplatten oder zwei „Echos“ zu Unrecht bekommen hat: Otto Reutter wusste schon 1926 „Nehm Se ‘n Alten“ und das Publikum zeigt der Werner, die sich mit viel Emotion und Hingabe bedankt: „Bei mir bistu shein“ (Andrews Sisters 1938).

So bleibt Pe Werner Musikgröße, „süße Krokantwachtel und eine zuckersüße Pralinenschachtel“.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

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