Zehntscheune

Stadtbücherei Hockenheim: Das Gegenteil eines „Orts der Stille“

Zum Tag der Bibliothek am 24. Oktober gibt Büchereileiterin Anna-Maria Lenz Einblick in die lebendige Arbeit der städtischen Bücherei und räumt mit Vorurteilen auf.

Von 
Henrik Feth
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Bibliotheksleiterin Anna-Maria Lenz (r.) Auszubildende Anna-Maria Lorenz gehen gerne auf die Bedürfnisse ihrer Kunden in der städtischen Bücherei ein. © Feth

Hockenheim. Eine Szene, wie sie in etlichen Hollywoodfilmen vorkommt und dadurch zu einer gewissen Art von Stereotypbildung beiträgt: Eine Person sitzt in einer Bibliothek, es herrscht Stille. Man könnte eine Stecknadel fallen hören und etwas ähnliches passiert: Die Person lässt ein Buch fallen oder ihr Handy klingelt, die Ruhe wird durchbrochen und sofort kommt eine „Psssst“-Ermahnung der mit Brille und Dutt ausgestatteten Aufsichtsdame.

Zum Tag der Bibliothek an diesem Montag gibt Anna-Maria Lenz, Leiterin der Hockenheimer Stadtbibliothek, Einblicke in den Fortschritt und die Vielschichtigkeit im „Buch- und Wissenstempel“ und räumt mit den unter anderen durch oben genannte Szene entstandenen Vorurteilen auf. Denn schon lange seien Bibliotheken über den Status eines reinen Orts zum Ausleihen und Lesen von Büchern hinaus.

Lenz, die seit vergangenem Jahr die Geschicke der Bibliothek leitet, beschreibt ihre Faszination, die sie für ihre Arbeit empfindet, wie folgt: „Die Arbeit in einer Bibliothek ist entgegen der oft gängigen Meinung alles andere als eintönig. Es ist ein Berufsfeld mit unglaublicher Bandbreite. Eine Mischung aus Nutzung diverser Medien, kreativen Prozessen, Öffentlichkeitsarbeit und Kundenservice.“

Spätestens, als die Stadtbibliothek 2010 ihre neuen Räumlichkeiten in der frisch errichteten Zehntscheune bezog und das alte Gebäude in der Schubertstraße verließ, begann eine bis heute anhaltende und umfangreiche Entwicklung, die Lenz nun seit 2021 fortführt.

Spagat zwischen Print und Digital

Dazu zählt auch die dem Zeitgeist entsprechende Digitalisierung. Während der physische Bestand an Büchern in der Zehntscheune von Bestsellern bis zu spezifischen Sachwerken noch immer keine Wünsche offen lässt, können Kunden dank der Bibliothekskarte auch E-Books über ein Onlineportal ausleihen.

Dabei sind dem Nutzer fast keine Grenzen gesetzt: Das Angebot umfasst genauso neuste Bestseller wie Klassiker der Literatur. Zusätzlich zur optischen Wahrnehmung durch das Lesen kann auch das auditive Gedächtnis durch angebotene Hörbücher trainiert werden. Durch den Pressreader mit Onlinezeitungen in mehreren Sprachen und einer umfassenden Brockhaus-Sammlung, wird zudem Wissen gefördert. Eine Vielfältigkeit, die Lenz und ihr Team zielführend weiter verfolgen.

Der gängige Konflikt zwischen Print und digitalen Medien macht sich in Hockenheim nicht bemerkbar, wie Lenz beschreibt: „Es ist kein Rückgang bei den Ausleihen im physischen Bestand bemerkbar. Das E-Book-Angebot wird von unseren Kunden zusätzlich genutzt und erfreut sich großer Beliebtheit.“

Vor allem bei Kinderbüchern sei die Resonanz im physischen Bereich weiter sehr groß. Bilder und Zeichnung benötigten eine „Anfassbarkeit“, die ein E-Book nicht geben kann, erklärt Lenz. Daher ist die Leiterin der Bibliothek gemeinsam mit ihrem Team immer dabei, das Angebot für Kinder und Jugendliche quantitativ und qualitativ zu erweitern.

So gibt es inzwischen eine Sitzlandschaft für diese Gruppe, in der Kinder nicht nur lesen und sich unterhalten, sondern auch gemeinsam Gesellschaftsspiele spielen können. Ein weiterer Beweis, dass das Vorurteil eines „Orts der Stille“ nicht mehr zeitgemäß ist oder jemals war.

Wohlfühlatmosphäre schaffen

Genau hierfür setzt sich das Team der Stadtbibliothek ein: Die Zehnscheune ist zu einem Wohlfühlort gereift, den die Verantwortlichen mit diversen Aktionen hegen und pflegen. So finden regelmäßig Veranstaltungen wie ein Retro-Gaming-Event oder Kinoaufführungen statt. Auch das sei ein Aspekt der modernen Bibliothek, erklärt Lenz.

„Wir verwalten diesen Ort, doch gemacht wird er von unseren Kunden“, formuliert es die 37-Jährige. Die Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden sei das Fundament, auf dem man aufbaue. Kunden zum Verbleiben einladen, Gespräche mit ihnen zu führen und eine familiäre Atmosphäre zu schaffen, all das sei ein auschlaggebender Aspekt der Philisophie der Stadtbibliothek, berichtet die Leiterin weiter.

Ganz oben und unabdinglich, um den Kunden ein Gefühl der Geborgenheit zu garantieren, steht die Atmosphäre innerhalb des Teams. Auszubildende Anna-Maria Lorenz bestätigt die gute Zusammenarbeit der Bibliotheksangestellten: „Ich werde überall mit eingebunden und meine Kollegen bringen mir viel bei. Es ist toll, hier zu arbeiten und ich fühle mich hier sehr wohl.“ Lorenz hat gerade ihr zweites Ausbildungsjahr begonnen und trägt mit vollem Engagement zum Wohlfühlfaktor bei.

Gleichzeitig herrscht ein intensiver Austausch mit anderen städtischen Institutionen. In Form von beispielsweise Klassenführungen oder Bibliotheksrallyes arbeitet das Team viel mit den Hockenheimer Schulen zusammen. Andere Einrichtungen des Rathauses nutzen ebenfalls die Räumlichkeiten der Zehnscheune. So gab es vor Kurzem einen Vortrag der Lokalen Agenda in den Örtlichkeiten der Bibliothek.

So bleiben Bibliotheken auch im Jahr 2022 weiter ein voll integrierter Bestandteil der Gesellschaft und widerlegen mit Fortschritt und zeitgemäßer Präsentation die Vorurteile einer veralteten Institution, die durch das Internet verdrängt wird. In Hockenheim wird dank der Arbeit von Anna-Maria Lenz und ihres Teams weiterhin ein breitgefächertes Angebot sowohl in Print als auch in digitalen Medien sowie Veranstaltungen verfügbar sein.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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