Durchaus märchenhaft aber keineswegs wie althergebracht präsentierte die Musikbühne Mannheim in einer Uraufführung eine Musicalversion von "Rotkäppchen" in der Stadthalle. Eberhard Streul, der sich getrost als "Spezialist" für Bearbeitungen von Opern und Märchen - gezielt für Kinder - bezeichnen darf, brachte nun den Klassiker in eine moderne Form.
Flippige Kleidung, Kopfhörer mit Musik und das allgegenwärtige Smartphone waren hier die Requisiten eines pubertierenden Teenagers und seiner Spielgefährten. Und dabei trifft man gleich wieder auf eine von Streuls Spezialitäten: das Einbinden von Kindern in eine Handlung. Schüler der Hubäckerschule durften hier während der Proben gleichzeitig einen Blick hinter die Kulissen werfen. Der pädagogische Wert liegt beim Blick auf den Beruf eines Schauspielers oder Sängers, der viel zu oft auf die leichte Schulter genommen wird. Trotzdem hatten die Kinder sicher viel Spaß als Spielgefährten und - mit Masken versehen - als die Tiere des Waldes.
Auch der aufmüpfigste Teenager muss sich mal den Anordnungen der Mutter beugen und die kranke Oma im Wald besuchen. Die Mahnung der Mutter zur Vorsicht im Wald wird natürlich nicht ernst genommen, aber Rotkäppchen ist ein Mädchen von heute und die brisanten Begegnungen mit dem Wolf meistert es ziemlich clever.
Wird Raubtier zum Vegetarier?
Als "Rotkäppchen" war Melina Schoefer ein Mädchen zwischen kindlich unbedacht und einer Portion Selbstbewusstsein. Hinterlist kennzeichnet den "Wolf" durchaus. Doch mit seinem Song "Ich bin der Rolf und spiele nur den Wolf" nahm er den Kleinsten dann doch die eventuell vorhandene Furcht vor ihm. Er verlor sein Ziel Oma und Rotkäppchen zu fressen zwar nie aus den Augen, doch traf er dabei auch auf Hindernisse. Obwohl die "Oma" zunächst etwas unbedarft schien - sie versuchte mit ihrem "Bratkartoffelsong" den Wolf zum Vegetarier zu machen und diente dennoch als "Wolfsmahlzeit".
Wie es im Märchen sein muss, endet natürlich alles gut, denn Oma und Rotkäppchen überlisten ihn mit vereinten Kräften. Petra Mott die sowohl die mahnende Mutter als auch die etwas flippige Oma (Kostüme: Diana Zöller) spielte, brachte beide Charaktere großartig unter einen Hut. Mit viel Witz und Temperament, wechselnd zwischen "Rolf und Wolf", spielte und sang sich Ingo Wackenhut in die Herzen der Kinder und avancierte zu ihrem Liebling. Es gab häufig Zwischenapplaus und wurde sehr viel gelacht von Groß und Klein.
Frank Steuerwald, der die Musik komponiert hatte und die Vorstellung auf dem Keyboard begleitete, forderte die Sänger heraus, indem er sie eine Zeitreise durch musikalische Stile machen ließ. Vom Rap über Soul, Tango und Walzer - besonders gelungen, das Lied vom "Heidelbeerwein", das einen Aufenthalt beim Heurigen assoziierte - bis zu einem Schnipsel klassischem Klavier ergab sich eine hinreißende Melange an Musik. Wie er später verriet, wollte er damit erreichen, dass die Kinder kennenlernten oder zumindest es schon mal gehört hätten, dass es mehr gibt als Rap und Hip-Hop.
Tolle Lichteffekte in einem märchenhaften Ambiente hatten Roland Wehner und Hajo Blank für Regisseur Eberhard Streul und seine spritzige Personenführung auf die Bühne gebaut. Es war die zweite viel umjubelte Uraufführung der Musikbühne Mannheim in der Stadthalle. Und das war natürlich eine Premierenfeier wert.
Feier nach der Premiere
Stadthallenchef Walter Rettl und sein Team hatten es sich nicht nehmen lassen, die Akteure und alle Beteiligten der Produktion zu einem Umtrunk einzuladen. Nur am Rande erwähnte Rettl was bei einer derartigen Produktion zu bedenken sei und man die Kosten nie aus den Augen verlieren dürfe. Lobende Worte fand Produktionsleiterin Daniela Grundmann für die Zusammenarbeit mit der Stadthalle. So war nicht nur das Publikum an diesem Nachmittag begeistert, sondern auch allen Beteiligten war die Freude am Erfolg anzusehen.
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