Der Gemeinderat ist die politische Vertretung der Bürger in Städten und Gemeinden. Die Bevölkerung möchte ihre Interessen vertreten wissen und damit Teil der Politik in ihrem Heimatort sein. Wo steht die Stadt Hockenheim zwei Jahre nach der letzten Kommunalwahl, welche Herausforderungen stehen an und wie haben die Fraktionen die Corona-Pandemie wahrgenommen – vor allem mit Blick auf die Stadtverwaltung?
In unserem Sommerinterview beantworten die fünf Fraktionen Fragen dieser Redaktion und blicken voraus, was sie sich für die Stadt wünschen. In unserem dritten Teil stellt sich die SPD-Fraktion – bestehend aus Marina Nottbohm (kleine Bilder von oben), Ingrid Trümbach-Zofka, Willi Keller und Richard Zwick.
Wenn Sie die Zeit seit der Kommunalwahl 2019 mit drei Worten beschreiben könnten, welche wären das?
SPD: Beileibe nicht vergnügungssteuerpflichtig!
Was war seitdem in Ihren Augen erfolgreich und was weniger?
SPD: In den vergangenen zwei Jahren wurden einige Vorhaben umgesetzt, die bereits vor vielen Jahren vom vorhergehenden Gemeinderat und Oberbürgermeister angeschoben wurden, so zum Beispiel das Hochwasser- und Ökologie-Projekt „HÖP“, das zur Freude der Hockenheimer Bevölkerung Ende Januar 2020 fertiggestellt wurde. Auch die Projekte Sanierung der Hartmann-Baumann-Grundschule und der neue Kindergarten am Hubäckerring sind jetzt nach vielen Jahren der Planung fast fertiggestellt. Die SPD freut sich sehr über den Baufortschritt beim Roten Kreuz. Die Obdachlosenwohnungen, die hier entstehen werden, führen dann zum Abriss des „Schandflecks Hofweg“. Damit erfüllt sich eine alte Forderung der SPD-Fraktion. Auch der erste Bauabschnitt zur Erneuerung der Oberen Hauptstraße geht gut voran. Hier wird Hockenheim schöner! Und natürlich freuen wir uns über die aktuellen Entwicklungen vor Gericht zum Thema „Bahnlärm“. Hier kann man nun auf die Umsetzung vonseiten der Bahn gespannt sein. Unbefriedigend dagegen ist der allgemeine Zustand vieler Hockenheimer Straßen. Hier würden wir uns eine langjährige Planung wünschen, die festlegt, wann welche Straßen tatsächlich saniert werden. Auch die Übergabe der städtischen Kindergärten an den Verein „Postillion“ sehen wir kritisch. Unserer Meinung nach wäre es nicht nötig gewesen, dass die Stadt hier eine echte „Kernkompetenz“ aus der Hand gibt. Mit Sorgen schaut die SPD-Fraktion auf die extreme Personalmehrung im Rathaus seit dem September 2019. Wir sprechen hier von über 2 Millionen Euro zusätzlichen Kosten, die jährlich anfallen.
Die Corona-Pandemie hat die Welt eiskalt erwischt. Wie beurteilen Sie den Umgang der Stadtverwaltung mit dieser Krise?
SPD: Diese Pandemie hat alle gefordert, eine solche Situation hatten wir weltweit noch nie. Auch wenn man sicher das eine oder andere in der Anfangsphase der Pandemie kritisieren könnte: Letztendlich steht Hockenheim gar nicht schlecht da. Die Verwaltung hat – in Zusammenarbeit mit dem Kreis – mehrfach Impfungen und auch Testmöglichkeiten für die Hockenheimer Bevölkerung angeboten. Und mit der Stadthalle hatten wir einen verlässlichen Partner, der all diese Aktionen in der Stadtmitte ermöglichte.
Hätte etwas besser gemacht werden können? Auch mit Blick auf Schulen, Kindergärten und Vereine?
SPD: Hockenheim musste die Vorgaben von Bund und Land zum Umgang mit der Pandemie umsetzen und hatte kaum eigenen Handlungsspielraum. Leider hat sich beim Neubau der Hartmann-Baumann-Grundschule die Mehrheit des Gemeinderates gegen den Einbau einer stationären Lüftungseinlage entschieden, was die SPD bedauert. Auch bei der schnellen Anschaffung mobiler Lüftungsgeräte für alle Schulen und Kindergärten hätten wir uns mehr Eigeninitiative der Verwaltung gewünscht.
Klimawandel und Umweltschutz sind auch auf Kommunalebene heiß diskutierte Themen. Was kann dabei in Hockenheim besser gemacht werden?
SPD: Beim Rückbau beziehungsweise der Vermeidung der klimaschädlichen Schottergärten besteht offensichtlich Einigkeit im Gemeinderat. Dieses Thema wird sicher bald auf der Tagesordnung zu finden sein. Eine Erweiterung der Parkplätze der Hockenheimer Autobahnraststätte West auf Kosten des Hockenheimer Stadtwaldes lehnt auch die SPD-Fraktion kategorisch ab. Insgesamt ist eine wünschenswerte Reduzierung des Autoverkehrs sicher anzustreben, aber nur schwer umzusetzen. Von der SPD kam zu diesem Punkt ein Haushaltsantrag zur finanziellen Unterstützung von Familien bei der Anschaffung eines teuren Lastenfahrrades. So könnte auf einen Zweitwagen verzichtet werden. Insgesamt muss eine kontinuierliche Verbesserung der Hockenheimer Fuß- und Radwege das Ziel sein. Die Erneuerung der Fahrrad-Abstellanlage am Bahnhof, die kurz bevorsteht, steht schon lange auf der Wunschliste der SPD. Im Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind wir leider oft an die Vorgaben von Kreis und Land gebunden. Eine erhoffte Ost-West-Busverbindung zwischen Speyer und Walldorf/Wiesloch über Hockenheim muss nach Meinung der SPD möglichst bald realisiert werden, scheiterte aber bisher genau aus diesen Gründen. Zum Klimawandel und daraus resultierenden möglichen Überflutungen können wir uns nur freuen, dass mit dem Hochwasser-Projekt am Kraichbach schon vor Jahren weitsichtig geplant wurde und dadurch ein statistisch hundertjährliches Hochwasser gebändigt werden kann.
Der Hockenheimring steht aufgrund der hohen Lärmbelastung der Bevölkerung immer wieder im Fokus. Wie sehen Sie das Thema und wie kann man den Hockenheimring für Großveranstaltungen attraktiver machen? Oder wird das gar nicht gewollt?
SPD: Wer in Hockenheim wohnt oder nach Hockenheim zieht, weiß, dass die Stadt nicht nur von Bahn und Autobahnen umschlossen ist, sondern auch, dass der Hockenheimring zur Stadt gehört. Die Nutzung des Ringes wird in Zukunft immer vielfältiger werden. Neben Motorsport wird es auch immer wieder Konzerte geben und auch andere Veranstaltungen wie Lauf- und Skate-Events oder Messeveranstaltungen. Großveranstaltungen bedeuten aber schon immer ein hohes Verkehrsaufkommen, mehr Lärm, aber auch mehr „Leben“. Experten prophezeien in den kommenden Jahren aufgrund technischer Entwicklungen im Bereich von Verbrennungsmotoren und der Zuwendung zur E-Mobilität eine deutliche Lärmreduzierung, was über kurz oder lang die Kritik am Lärm verstummen lassen wird. Der SPD-Fraktion ist klar, dass die Vielzahl und auch Vielfalt der Veranstaltungen betriebswirtschaftlich zum Überleben des Ringes und damit auch der Stadt, notwendig ist.
Reicht der geplante Neubau am Hubäckerring, um dem Bedarf an bezahlbarem Wohnraum gerecht zu werden, oder müsste die Stadt da mehr tun?
SPD: Nein, der geplante Neubau am Hubäckerring reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken. Aber hier soll immerhin ein Anfang gemacht werden. Aktuell sind wir aber erst in der allerersten Planungsphase zu diesem Standort. Die SPD drängt auf eine rasche Umsetzung dieses Projekts und schlägt des Weiteren vor, auch im Bereich des Sanierungsgebietes in der Oberen Hauptstraße Süd gezielt das Augenmerk auf finanzierbaren Wohnraum zu richten. Über eine ökologisch sinnvolle und finanzierbare Wohnbebauung am Stadtrand wird in den kommenden Jahren nachgedacht werden müssen.
Im September ist Bundestagswahl. Welches Thema tangiert Ihrer Meinung nach die Stadt Hockenheim am Stärksten?
SPD: Da wird sich Hockenheim insgesamt nicht von anderen Kommunen unterscheiden. Die Themen bezahlbarer Wohnraum, Umweltschutz und Klimawandel, Bildungschancen für alle und eine faire Bezahlung von Arbeit stehen bei vielen und besonders auch bei der SPD im Mittelpunkt.
Was wünschen Sie sich für Hockenheim in der Zukunft?
SPD: Mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt für Hockenheim. Denn das ist gerade in diesen schwierigen Zeiten von Pandemie und Naturkatastrophen wichtig. Mehr Respekt vor der Natur und den Mitmenschen gegenüber, mehr „wir“ und weniger „ich“ – das würde sich die Hockenheimer SPD wünschen.
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