Hockenheim. Die Knieschleifer kratzen über den Asphalt, in den Kurven streifen sogar die Ellbogen den Boden. Zentimeterarbeit bei Geschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometer in der Stunde prägte den Charakter des IDM-Finals am Wochenende. Rund 150 Fahrer aus 18 Nationen gingen in den verschiedenen Klassen an den Start – vom ADAC Junior Cup über den Twin Cup bis hin zur IDM Supersport. Die Mischung aus jungen Talenten, ambitionierten Hobbyfahrern und erfahrenen Profis machte den Hockenheimring einmal mehr zum traditionellen Höhepunkt der Saison.
Die weiteste Anreise hatten wohl die Teams aus Argentinien und Südafrika. Doch auch mit dieser internationalen Vielfalt bleibt die IDM das, was sie seit Jahren auszeichnet: eine der zugänglichsten Motorradrennserien überhaupt. „Die IDM ist eine der letzten großen Meisterschaften, bei der Zuschauer direkt ins Fahrerlager können“, erklärt Rowena Hinzmann, Pressesprecherin der Serie. „Fans dürfen in die Boxen schauen, mit den Fahrern sprechen und Kinder dürfen sich sogar mal auf die Motorräder setzen. Diese Nähe macht uns einzigartig und schafft eine Atmosphäre, die man sonst kaum noch findet.“ Im ADAC Junior Cup standen drei Mädchen am Start, die jüngste gerade einmal 14 Jahre alt. Auch im Twin Cup, einer Klasse für ambitionierte Hobbyfahrer, gingen drei Frauen ins Rennen.
Dirk Geiger: Lokalmatador im Rampenlicht
Wenn es um lokale Helden geht, fällt in Hockenheim ein Name sofort: Dirk Geiger (21), gebürtiger Mannheimer. Motorsport begleitet ihn seit frühester Kindheit. Sein Vater fuhr selbst Rennen und nahm ihn schon im Alter von drei Jahren mit an die Strecke. Mit vier Jahren stieg er erstmals auf ein Polini Pocketbike – ein Moment, der den Grundstein für seine Karriere legte. „Damals ging es einfach nur um den Spaß, aber man hat schnell gemerkt, dass ich sehr schnell war“, erinnert er sich.
Bald folgten Starts im ADAC Pocketbike- und Minibike-Cup, später im ADAC Junior Cup. 2015 fuhr Geiger dort erstmals auf dem Hockenheimring – die Strecke wurde für ihn so etwas wie eine zweite Heimat. Nach Erfolgen im Northern Europe Cup wagte er 2018 den Sprung in die spanische Meisterschaft. „Das war eigentlich schon der Startschuss zum Profi“, sagt er heute.
Doch auch Profis haben Durststrecken. Die Saison 2025 begann vielversprechend, dann aber folgten Stürze und technische Probleme. Weil er den vierten Motor einsetzen musste, kassierte er Strafpunkte und musste mehrfach aus der letzten Startreihe losfahren. „Das war schon schwierig, da habe ich mir selbst viel Druck gemacht“, erklärt Geiger offen.
Der Wendepunkt kam in Schleiz. Dort änderte er gemeinsam mit seinem Team die Abstimmung am Motorrad – ein Detail, das plötzlich den Unterschied machte. „Da hat es Klick gemacht, ab dann fühlte ich mich wieder sicherer.“ Mit diesem neu gewonnenen Vertrauen kämpfte er sich zurück in die Spitze.
Sekundenkrimi in der Supersport-Klasse
Geiger kennt den Hockenheimring gut. „Ich mag die Strecke, hier war ich eigentlich immer schnell unterwegs.“ Beim IDM-Finale lief es dennoch nicht perfekt: „Das erste Training lief ziemlich Banane“, sagte er lachend. Aber die Formkurve zeigt klar nach oben. Mit dem Wechsel zu Yamaha ab der nächsten Saison erhofft er sich den Aufstieg in die Weltmeisterschaft. „In den nächsten zwei Jahren will ich in bei der WM mitfahren.“
Am Samstag stand er mit Andreas Kofler und Daniel Blin im Mittelpunkt eines packenden Dreikampfs. Immer wieder suchte Geiger die Lücke, doch Blin verteidigte clever. Erst in der Schlussrunde nutzte Geiger einen Fehler, zog an Blin vorbei und sicherte sich Platz zwei. Der Mannheimer fuhr damit die schnellste Zeit des Rennens überhaupt und nur 0,085 Sekunden trennten ihn im Ziel noch von Kofler. Am Sonntag schaffte Geiger es dann tatsächlich auf Platz eins, vor Blin auf Platz zwei und Kofler auf dem dritten Platz, der sich damit dennoch den Titel holen konnte.
Die Rennfahrer würdigen die vielen Helfer
Abseits der Strecke zeigte sich die familiäre Seite der IDM. Am Samstagabend richteten Dirk Geiger, Lukas Tulovic und Florian Alt ein besonderes Dankeschön an die ehrenamtlichen Helfer des Badischen Motorsport-Clubs. Ohne sie wäre ein Rennwochenende nicht denkbar – sie sichern die Strecke, helfen nach Stürzen und stehen bereit, wenn es kritisch wird.
„Ihr seid die wichtigsten Leute, gerade für uns Fahrer auf der Strecke. Es gibt zwar oft Momente, an denen wir dann schlecht gelaunt sind, wenn wir euch sehen, das gehört aber dazu. Wenn ihr uns aus dem Kiesbett herauszerrt, zum Beispiel.“
Und mit einem Augenzwinkern fügte Alt hinzu: „Ich hoffe, wir sehen uns morgen nach dem Rennen, aber nicht währenddessen.“ Der mehrfache Meisterschaftssieger auf dem Hockenheimring sprach damit das aus, was viele Fahrer empfinden: Dankbarkeit und Respekt für die, die im Hintergrund alles am Laufen halten.
Serienmanager Normann Broy im Gespräch
Normann Broys Weg in den Motorsport war eher außergewöhnlich. „Eigentlich habe ich mal Biologie studiert – und wieder abgebrochen“, erzählt er und lacht. Danach folgte die Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann, später die Rennleiterlizenz und schließlich der Wechsel zur Motorpresse Stuttgart. „Bereut habe ich das nie. Langweilig wird es hier jedenfalls nicht.“
Das Finale in Hockenheim ist seit vielen Jahren Tradition. „Es ist gut besucht, wir haben eigentlich eine hohe Wettersicherheit und für die Industrie ist es ein wichtiger Termin“, erklärt Broy. Probleme in der Organisation gebe es kaum noch, alles sei eingespielt. „Höchstens Platzprobleme, weil so viele dabei sein wollen.“
Besonders am Herzen liegt ihm die Nachwuchsförderung. „In Deutschland ist Motorradrennsport kein Selbstläufer. In England ist das anders, da hat die MotoGP einen ganz anderen Stellenwert.“ Gemeinsam mit Partnern wie dem ADAC setzt die IDM daher stark auf Strukturen für junge Talente, etwa im Junior Cup.
Broy sieht die Serie sportlich hervorragend aufgestellt: „Die IDM gehört weltweit zu den Top drei nationalen Meisterschaften.“ Das Problem sei eher die Wahrnehmung. „Die Fahrer sind noch zu unbekannt, sie müssen stärker als Persönlichkeiten erkennbar werden. Denn am Ende lebt jede Rennserie von Identifikation.“
Seine Vision ist klar: mehr Fahrer, mehr Internationalität, mehr Zuschauer. „Die IDM muss sich vor niemandem verstecken. Langfristig wollen wir europaweit noch stärker wahrgenommen werden.“
Für Nachwuchsfahrer ist die IDM ein entscheidender Karriereschritt. „Viele, die heute in der Weltmeisterschaft fahren, haben hier angefangen“, betont Hinzmann. Die Serie gilt sportlich als eine der drei stärksten nationalen Meisterschaften weltweit. Gleichzeitig bietet sie Herstellern und Teams eine Plattform, um Motorräder und junge Fahrer unter realen Rennbedingungen zu entwickeln.
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