Ketsch/Brühl. Die katholische Kirche befindet sich in der Krise, wie auch die anderen Konfessionen. Nun tritt sie in einen Austausch mit den Gläubigen. Nachdem die katholische Kirchengemeinde Brühl-Ketsch unter dem Motto „Dialog, Zukunft, Kirche“ schon einige Wochen zuvor in der Hufeisengemeinde zur großen Gemeindeversammlung geladen hatte, wurde nun auch in Ketsch die Frage „Wie will ich mein Christsein in Ketsch leben?“ gestellt.
Trotz des sich noch ein letztes Mal aufbäumenden Winters samt Schneeregen hatte sich doch eine beachtliche Anzahl an Mitgliedern im Pfarrheim eingefunden – wo sich jedoch nicht wie erwartet der Bundestagsabgeordnete und religionspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Lars Castellucci persönlich befand, da er leider verhindert war. Doch kein Problem für das Orga-Team des Pfarrgemeinderates, hatte man den Impulsvortrag in Brühl doch aufgezeichnet und konnte ihn so nun auf der Leinwand wiedergeben. „Rausgehen, zuhören und sich nicht entmutigen lassen, nur weil etwas komplex ist“, waren die wichtigsten Tipps des Abgeordneten, neben dem dringenden Rat, dass man sich anderen Religionsgemeinschaften dringend gegenüber öffnen müsse.
Im Anschluss wurde nach Gruppen und Räumen getrennt diskutiert und Ideen zu den Themen „Kinder und Familie“, „Jugend und junge Erwachsene“, „Not anderer sehen“, „Glauben feiern“, „Glaube lebendig halten“ und „Musik und Kultur“ erarbeitet. Dabei konnten sich die Teilnehmer zwischen den Räumen bewegen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion sprachen Dieter Rey, der Vorsitzende des Heimat- und Kulturkreises Ketsch, und Bürgermeister Jürgen Kappenstein zusammen mit Diakon und Moderator Heiko Wunderling. Darin, dass sich die römisch-katholische Kirche dringend, von Rom ausgehend, erneuern müsse, waren sich alle einig. „Eine Fußballmannschaft, die einen Trainer hat, der sie mit den Trainingsmethoden von vor 100 Jahren trainiert, das geht einfach nicht“, so Dieter Rey.
Und Bürgermeister Jürgen Kappenstein meinte: „Gehen Sie raus zu den Menschen“, und ergänzte mit einem Augenzwinkern: „Aber erst, wenn Corona vorbei ist“. Man könne auch mehr Veranstaltungen im Freien machen.
„Auf Augenhöhe ansprechen“
Diakon Heiko Wunderling war überzeugt: „Die Kirche muss einfach ‚betriebswirtschaftlicher‘ denken und den Menschen den Nutzen herausstellen von einem Leben mit Gott und zeigen, was es heißt, mit Gott zu leben. Wir müssen die Menschen direkt ansprechen, auf Augenhöhe.“ Abschließend fragte er in die Runde: „Wenn Sie nicht in Ketsch, sondern in Rom und Papst wären, welche drei Dinge würden sie ändern?“ Worauf das politische Gemeindeoberhaupt ohne zu zögern antwortete: „Zuerst würde ich das Zölibat abschaffen, danach Frauen für alle Ämter zulassen und dann für Frieden auf Erden sorgen.“ Dieter Rey hingegen sprach sich für eine Abschaffung der prunkvollen Gewänder aus und pflichtete in den anderen Punkten Kappenstein bei. Gemeindereferentin Sigrun Gaa-de Mürr bedankte sich mit Kirchwein für die Teilnahme, die auch meinte: „Eine Idee aus den Gesprächsrunden haben wir schon mitgenommen: mehr Veranstaltungen für Kinder anzubieten.“
Pfarrgemeinderat Dr. Oliver Brinkmann, der sich schon im Vorfeld von der Möglichkeit einer Gemeinderversammlung mit Zukunftsworkshops begeistert gezeigt hatte, meinte: „In einem flammenden Beitrag sagte eine Dame ‚Seid Kirche‘ – und genau das ist der Punkt. Die Kirchengemeinde hier empfinde ich als sehr lebendig. So haben wir zum Beispiel rund 60 Anmeldungen zur Firmung.“ Und Pfarrgemeinderat Peter Frank wies auf den Umweltaspekt hin: „Die Bewahrung der Schöpfung ist ganz wichtig. Das ist es, was wir tun müssen und das ist es auch, was die jungen Leute von Fridays for Future wollen“, worauf Dr. Brinkmann ergänzte: „Es ist das gleiche Anliegen, das müssen wir nur noch zusammenbringen.“
Pfarrer Erwin Bertsch betonte: „In Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit tut sich einiges. Bei mir auf dem Tisch liegt gerade eine Machbarkeitsstudie der Erzdiözese über die Installation von Photovoltaikanlagen auf allen Gebäuden der katholischen Kirche. Auch haben wir schon begonnen, hinauszugehen: So sind wir zusammen mit den Evangelischen jeden Dienstagnachmittag auf dem Friedhof von 15 bis 17 Uhr ansprechbar. Ein Angebot, das gut genutzt wird.“
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