Im Interview

Bürgermeister Timo Wangler über die Finanzlage in Ketsch

Bürgermeister Timo Wangler kämpft seit seinem Amtsantritt 2022 gegen die roten Zahlen im Ketscher Haushalt. Im Interview spricht er über Fortschritte, Herausforderungen und den Einfluss auf freiwillige Leistungen.

Von 
Henrik Feth
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Seite seinem Amtsantritt 2022 ist der Ketscher Bürgermeister Timo Wangler dabei, die Finanzen der Enderlegemeinde zu sanieren © Gemeinde Ketsch

Ketsch. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2022 ist der Ketscher Bürgermeister Timo Wangler - gemeinsam mit seiner Verwaltung und dem Gemeinderat - quasi auf einer Langzeitmission: Das vom Kentern bedrohte Schiff der Ketscher Finanzen wieder in ruhige Fahrwasser zu bringen. Der Haushalt der Enderlegemeinde schreibt noch immer tiefrote Zahlen, auch wenn sich durch verschiedene vom gelernten Kämmerer und seinem Rat eingeführte Konsolidierungsmaßnahmen bereits Besserung im Haushalt bemerkbar macht. Doch noch immer gibt es ein dickes Loch zu stopfen. Im großen Finanz-Interview erläutert das Gemeindeoberhaupt, wie tief im Minus die Zahlen tatsächlich sind, gibt einen Einblick in die gemeinsame Mission und blickt auf die finanzielle Zukunft.

Herr Wangler, können Sie einen kurzen Überblick zu der Finanzlage der Gemeinde geben? Wie groß ist das Loch im Haushalt momentan?

Timo Wangler: Um die finanzielle Lage richtig einschätzen zu können, muss man zunächst auf den Gesamtkontext blicken. Also auch die Jahre 2022 bis 2024 mit einbeziehen. Und da ist schon festzustellen, dass diese drei Jahre immer besser als geplant abgelaufen sind. Natürlich haben wir dabei auch mit Mittelsperren gearbeitet und insbesondere das Jahr 2023 sticht mit einem guten Abschluss heraus, muss aber noch verabschiedet werden. Aber wir haben alles drin, sodass man wahrscheinlich einen Überschuss von drei Millionen Euro haben wird. In 2023 haben wir beispielsweise mit einem geplanten Defizit von 2,3 Millionen Euro geplant. Auch das Jahr 2024 kann unter den gegebenen Umständen positiv betrachtet werden, obwohl es lange relativ schwierig lief, weil einfach die Gesamtsteuern, die zwischen Bund und Land verteilt werden, 2024 hinter den Ansätzen zurückgeblieben - genauso wie die Finanzzuweisungen. Und im Normalfall läuft dies eher andersrum, also dass diese Punkte noch mal für Überraschungen sorgen und meistens das Ergebnis positiv beeinflussen. Also kann man auch 2024 durchaus als erfolgreich betrachten, hier haben wir das Defizit halbiert - von vier Millionen auf ungefähr zwei Millionen Euro - so der aktuelle Stand, auch hier steht der Abschluss noch aus.

Und wie wirken sich diese Jahre jetzt auf 2025 aus?

Wangler: Das führt natürlich auch dazu, dass wir praktisch bis Ende 2024 noch keine Zahlungsmittel einsetzen mussten und damit einfach auch eine gewisse Rücklage haben, die wir jetzt 2025 verwenden können. In diesem Jahr liegt der Ansatz bei rund vier Millionen Euro Defizit - dieses beinhaltet noch die sogenannten implizierten Schulden oder „Sanierungsstau“ in Höhe von 1,3 Millionen Euro für Brandschutz. Das betrifft mehrere gemeindlichen Gebäude, also auch die Hallen. Dieser Punkt ist auch einmalig und wenn wir ihn abgedeckt haben, sind akute Brandschutzmaßnahmen erledigt.

Also tragen die Einsparmaßnahmen, die Sie gemeinsam mit dem Gemeinderat seit ihrem Amtsantritt eingeführt haben, Früchte?

Wangler: Mit dem Blick auf das Jahr 2024, in das Rahmenbedingungen wie die hohe Kreisumlage oder steigende Energiekosten einfließen, haben wir hier keinen so schlechten Abschluss. In vielen Kommunen beginnen die großen Haushaltprobleme erst jetzt und in diesem Vergleich sind wir auf unserem Stand geblieben, haben also keine weitere Verschlechterung. Das zeigt, dass die Einsparmaßnahmen Wirkung zeigen, weil sonst hätten wir vielleicht nicht vier Millionen Defizit, sondern sechs oder sieben Millionen. Also so gesehen verbessern wir uns, auch wenn man es nicht direkt in den absoluten Zahlen erkennt. Es ist jedoch immer schwer gegen einen bundesweiten gesamtwirtschaftlichen Trend anzukämpfen. Doch wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken und ich bin sicher, dass wir auch wieder wirtschaftlich bessere Jahre sehen werden und wir dann die Chancen haben, diese zu nutzen.

Sind Sie bezüglich solcher Aspekte wie Sparmaßnahmen auch im stetigen Austausch mit den Bürgermeistern der Sprengelgemeinden?

Wangler: Bei Konsolidierungsmaßnahmen bis jetzt nicht unbedingt, aber natürlich tauschen wir uns regelmäßig über viele Themen aus, insbesondere auch was die interkommunale Zusammenarbeit betrifft, was letztenendes auch zu Einsparungen führt. Beim Thema Sparmaßnahmen ist es so, dass ich das Ganze schon seit meinem Amtsantritt „auf dem Tisch“ habe, bei vielen der Kollegen und Kolleginnen steht dies erst jetzt so richtig an. Hier schlägt einfach die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland immer mehr durch.

Ein Thema im Haushalt sind natürlich auch immer die freiwilligen Leistungen - ob Schwimmbad oder Bibliothek. Wie lange kann die Gemeinde diese noch aufrecht erhalten?

Wangler: Ich hoffe, für immer. Aber das hängt stark davon ab, ob wir auch politisch Gehör finden. Bevor wir freiwillige Leistungen streichen, muss schon sehr viel zusammenkommen. Sowohl ich als auch der Gemeinderat werden alles dafür tun, damit die freiwilligen Leistungen bleiben. Ein gutes Beispiel ist hier die Bibliothek, die zu den freiwilligen Leistungen zählt und uns entsprechend auch Geld kostet. Hier konnten wir die Stellen reduzieren und die Leistung somit weiter anbieten. Wir wollten das beibehalten und haben eine Lösung gefunden. Dies dann auch im engen Dialog mit dem Büchereiteam, welches hierbei mit uns an einem Strang gezogen und Vorschläge eingebracht hat. Es gibt noch viele weitere Beispiele. Ob die reduzierten Öffnungszeiten im Schwimmbad vergangenen Sommer oder auch das Blockheizkraftwerk, das wir jetzt dort installieren, all das sind Maßnahmen, um das Defizit zu reduzieren und gleichzeitig die freiwilligen Leistungen aufrecht zu erhalten. Und viele dieser Projekte sind zukunftsbezogen und werden uns auf lange Sicht helfen. Wir haben ein strukturelles Problem und Investitionen wie das Blockheizkraftwerk werden uns bei dessen Lösung behilflich sein - gleiches gilt für die Umstellung der gemeindeeigenen Beleuchtungen auf LED.

Und auch die Ketscher scheinen diesen Kurs mitzugehen.

Wangler: Genau, ein passendes Beispiel ist ebenfalls unser Schwimmbad. Nach den reduzierten Öffnungszeiten im Sommer, die vor allem aufgrund personeller Engpässe notwendig waren, hat sich nun ein Förderverein gegründet. Wie ich schon beim Neujahrsempfang erwähnt habe, ist das für uns natürlich eine super Sache und dass sich die Mitglieder freiwillig einbringen möchten, ist bemerkens- und lobenswert. Jetzt müssen wir nur nach passenden Einsatzmöglichkeiten schauen. Aber trotzdem müssen wir uns alle im Klaren sein, dass wir, um die freiwilligen Leistungen beizubehalten, nicht drum rumkommen, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen. Wenn wir das nicht tun, ist die Frage nicht „ob“, sondern „wann“ wir die Leistungen nicht mehr anbieten können. Doch Verwaltung und Gemeinderat sind weiterhin im Verbund mit den Bürgern bemüht, dass dies nicht passiert.

Ebenfalls heiß diskutiert wird regelmäßig die Kreisumlage, die sich fortwährend erhöht und für die Kommunen ein großes Problem darstellt. Wo sehen Sie hier Ansatzmöglichkeiten, mit dieser Last umzugehen?

Wangler: Man darf bei der Betrachtung des Kreises nicht vergessen, dass ein großer Teil Pflichtaufaufgaben sind, beispielsweise im sozialen Bereich wie dem Flüchtlingsthema oder der Kinder und Jugend. Das nimmt beim Kreis einen großen Anteil ein. Und hier verschiebt sich dann auch nur die jeweilige Ebene: Der Kreis hat, genau wie die Kommunen, das Problem der Konnexität, immer mehr Aufgaben ohne finanzielle Kompensation, es braucht hier einfach mehr finanzielle Mittel von Bund und Land. Und wir sind natürlich über die Bürgermeister, die im Kreistag vertreten sind, im Dialog mit dem Kreis. Zudem sind wir Bürgermeister im Kreisverband organisiert. So wurde der Kreisvorstand unseres Verbandes vom Landrat vor der Verabschiedung des Haushaltsplanes gehört. So konnten sowohl die Kommunen als auch der Kreis ihre problematische finanzielle Lage darlegen.

Bestes Beispiel für die enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen und dem Kreis ist auch der Brandbrief mit dem Titel „Kein weiter so“, den die Bürgermeister der Region gemeinsam mit dem Landrat im Jahr 2022 an die Bundes- und Landesregierung geschickt haben. Hat sich dieser ausgezahlt? Fühlten Sie sich gehört?

Wangler: Ja, der Brief hat etwas bewirkt, insbesondere im Land. Hier wurde ja die Entlastungsallianz zum Bürokratieabbau gegründet und da sind schon gute Sachen herausgekommen. Nichtsdestotrotz müssen Land und Bund einsehen, dass sie sich an die Konnexität halten müssen, also wer bezahlt, der bestellt. Beispiele sind die Kinderbetreuung oder die Flüchtlingshilfe. Hier kommt nicht so viel bei uns an, wie es sollte. Die Schere zwischen dem, was wir ausgeben müssen und dem, was wir dafür bekommen, ist einfach zu groß. Das muss zwingend besser werden, denn diese Rechnung geht momentan nicht auf. Jedoch sind wir dank Städte-, Gemeinde- und Landkreistag gut organisiert und sprechen alle die gleiche Sprache. Somit werden unsere Nöte von diesen an Land und Bund weitergegeben und aufgezeigt.

Auch beim Ketscher Neujahrsempfang thematisierte Bürgermeister Timo Wangler bereits die Finanzlage der Gemeinde. © Andreas Gieser @cheesy.photo

Die finanzielle Lage verhindert nicht, dass gewisse Investitionen - ob in der Infrastruktur oder bei Sanierungen - einfach nötig sind. Wie ist hier die Strategie der Gemeinde?

Wangler: Natürlich würden wir gerne mehr in den Klimaschutz oder in Gebäude sowie in die vielen anderen Aufgaben, die noch vor uns stehen, investieren, aber ohne die nötigen Mittel ist dies einfach schwierig. Wir haben in Ketsch kein Schuldenproblem, bei den Verbindlichkeiten stehen wir gar nicht so schlecht da. Wir haben ein strukturelles Problem, also im Ergebnishaushalt. Das führt dazu, dass wir keine Kredite aufnehmen können, denn dafür ist es notwendig, aufzuzeigen, dass man eben jene auch tilgen kann. Und das geht eben nicht über neue Kredite oder Sonderprogramme. Wir versuchen hinsichtlich der notwendigen Investitionen alles nach Priorität abzuarbeiten und greifen dabei - wie beispielsweise bei dem laufenden Großprojekt der Kanalsanierung - darauf zurück, alles in kleinere Abschnitte einzuteilen. So werden die Kosten auf mehrere Jahre in den Haushalt integriert. Höchste Priorität hat aktuell der Brandschutz, ob im Rathaus oder in den Hallen, wir versuchen, das Notwendigste zu machen. Wir versuchen momentan in das Ortskernsanierungsprogramm zu kommen, um weitere Mittel zu erhalten. Auch das Feuerwehrgerätehaus steht in den kommenden Jahren auf der Agenda.

Besteht beim Gerätehaus, wie man es aus anderen Kommunen kennt, die sogenannte Schwarz-Weiß Thematik? Also ein Umbau hin zu getrennten Bereichen.

Wangler: Ja, genau, das steht in Ketsch auch an. Gerade in diesem Schwarz-Weiß-Bereich sowie die Aufteilung der Umkleiden möchten wir in diesem Jahr etwas machen. Wir müssen schauen, wie weit wir hier kommen. Subventionen gibt es beim Brandschutz für die Gebäude nicht.

Auch der Zustand der Straßen in Ketsch wurde schon oft kritisiert. Hier fehlen schlichtweg auch die Mittel für Komplettsanierungen. Die Gemeinde hat im vergangenen Jahr eine neue Technik zur Beseitigung der Schlaglöcher eingeführt. Wie läuft es hier?

Wangler: Dieses Thema ist glaube ich in jeder Gemeinde allzeit präsent. Das neue Verfahren „Chip-fill“ haben wir jetzt auch über den Winter getestet und es läuft wirklich gut an. Für 2025 haben wir für die Straßen jetzt auch etwas mehr Mittel mit in den Haushalt genommen. Und eventuell können wir dann auch mal kleinere Straßenabschnitte machen. Ich habe das Gefühl, dass diesen Winter weniger Schlaglöcher aufgetreten sind , aber uns ist klar, dass weiterhin etwas gemacht werden muss.

Positiv entwickelt sich jedoch das Gewerbegebiet: Bald ist die Halle auf dem ehemaligen BorgWarner-Gelände fertiggestellt und es kann ein Mieter einziehen. Wie wichtig ist diese Entwicklung?

Wangler: Bei allen Baustellen im Haushalt können wir uns doch sehr über das Gewerbegebiet freuen. Hier läuft es wirklich gut, mit NewCoffee und jetzt dem Borg-Warner-Gelände, vor zweieinhalb Jahren hätte ich an eine so gute Entwicklung nicht geglaubt. Für die Gemeinde wird sich das sicher positiv auswirken - ob dank der Arbeitsplätze oder der zu erwartenden Einnahmen durch die Gewerbesteuer.

Abschließend: Wann wird sich der Gemeinderat öffentlich mit dem Haushalt beschäftigen?

Wangler: Das wird in der kommenden Sitzung am 24. Februar so weit sein.

Redaktion Verantwortlicher Redakteur für die Gemeinde Ketsch

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