Schatzkiste des Heimatmuseums (Teil 13) - Auf der zylindrischen Stoffrolle werden die Fäden mit Stecknadeln fixiert

Die hohe Kunst des Fädenflechtens

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zesa
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Beim Klöppeln auf dem Kissen ist Übersicht gefragt, damit die Knoten nicht durcheinander geraten. © Zeuner

Ketsch. Die Spitze lebt! Ganz entgegen aller Klischees, Spitzendeckchen seien nur etwas für ältere Damen, gibt es mittlerweile moderne und künstlerische Exponate aus filigraner Garnkunst, die einen ganz anderen Blick auf die alte Handarbeit zulassen. Zerbrechlich wirkende Objekte, robust ausschauende Decken und geklöppelte Bilder sowie aus Gold- oder Silberdraht geklöppelter Schmuck ziehen die Augen magisch an.

Die Vielfalt des Klöppelns ist erstaunlich. Entstanden ist diese Handarbeitstechnik vermutlich in Italien im 16. Jahrhundert. Ein erstes, reines Musterbuch für die Klöppeltechnik ist von 1557 aus Venedig bekannt, es titelte „Le Pompe“. Jedoch aus dem Erzgebirge sind erste Verzeichnungen des Klöppelns verbrieft, dort gab es über 900 „Bortenwirkerinnen“. Die „Borte“ ist ein Spitzenband, das unter anderem Kleidungsstücken eine feste, dekorative Kante gibt.

Annaberg gilt dabei als Wiege des deutschen Klöppelhandwerks und ist als solche seit 1561 bekannt. War es lange Zeit echte Handarbeit, die oft weit über 100 Klöppel in der richtigen Reihenfolge des Musters zu verdrehen, kreuzen, drehen und schlagen, ist es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch möglich, Klöppelspitze maschinell herzustellen.

Unser Exponat ist ein traditionelles Klöppelkissen. Eine zylindrische, mit Stoff bezogene Rolle, auf die eine Papiervorlage, der Klöppelbrief, des Musters geheftet ist und auf dessen Verlauf die Fäden mit Stecknadeln fixiert werden. Die Klöppel sind meist aus Holz angefertigt, etwa zehn Zentimeter lang und mit dem Faden umwickelt. Zumeist werden sie paarweise am Kissen befestigt.

Das Verflechten der Fäden findet mit mindestens zwei Klöppeln statt. Je nach Muster und Klöppeltechnik kann die Anzahl der verwendeten Klöppel mehrere Hundert betragen. Während des Klöppelns fixieren die Stecknadeln die Spitze, nach Ende der Arbeit werden sie herausgezogen, damit man die Spitze vom Kissen abnehmen kann.

Metallfäden aus Gold

Ganz unterschiedliche Materialien werden zum Klöppeln verwendet: am häufigsten Leinengarn, aber auch Seiden- und Baumwollgarne werden benutzt. Möchte man filigranen Schmuck klöppeln, greift man zu Metallfäden aus Gold, Silber oder Kupfer, die auf spezielle Klöppel gespult werden. Regional unterschiedlich, etwa in Belgien und Frankreich, werden Flachkissen verwendet, in Deutschland werden die Rollenkissen bevorzugt, die auf Ständern liegen. Übrigens gibt es weit mehr als 40 Klöppeltechniken und Wettbewerbe im Klöppeln, an denen sich Tausende deutsche Klöppler beteiligen.

Neue Gestaltungsmöglichkeiten und Materialien eröffnen immer wieder kreatives Neuland in der uralten Spitzenherstellungstechnik, mit der ganze Kleidungsstücke angefertigt werden können. zesa

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