Ketsch. Man könnte jetzt sagen: „Ja, das haben sie clever gemacht, nach dem Konzert am Ausgang warten und das begeisterte Publikum an sich vorbeiziehen lassen.“ Vielleicht waren Martin Orth, Andreas Frank, Fabio di Bernardo und Simon Kammerer so berechnend – doch zur Sicherheit sind der Sänger, der Gitarrist, der Bassist und der Drummer in Vorleistung getreten – mächtig, drastisch, spektakulär als „K’lydoscope“.
Nach 2017 und 2019 war es die langersehnte Rückkehr ins Central Kino, das für die Bandmitglieder nichts Geringeres ist als „unser Wohnzimmer“. Emotionen schwangen nach diversen Corona-Absagen schon allein deshalb mit. Außerdem war die Rückkehr als Doppelkonzert am Freitag und Samstag ausgelegt und somit eine Premiere für die Band. „K’lydoscope“ ist von hier, also wollten die vier, die in Schwetzingen, Hockenheim, Oftersheim und Ketsch wohnen, ohnehin eine lupenreine Visitenkarte abgeben. Das macht bereits aufgeregt genug. Hinzu kam, dass die vier Musiker eine Setliste auswählten, die als Herausforderung daherkam. Aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben.
„K’lydoscope“ in Ketsch: Bei Familie Rohr eingefallen
Zum Start ging’s erst einmal gemächlich zu. Für Cineasten hatten sich die „K’lydoscopen“ verkleidet, sich vor allem älter gemacht, waren bei Familie Rohr eingefallen, um Sequenzen zu spielen, die sie als gealterte Musiker zurückblicken lassen, wie genial doch damals die Performance war – unvergessen eben. Der Film zum Intro war schon witzig.
Und so wurde nach „Give me control“ aus eigener Feder und „Don’t stop believing“ von Journey eher ernst gemacht, weil schnell klar wurde, dass es an den Abenden im Central vor allem ums Spielvermögen geht. Da verstehen die Künstler, wenn auch „nur“ im professionellen Hobby, partout keinen Spaß. Mit dem eigenen „Truth of the moon“ ging es über „Stairway to heaven“ (Led Zeppelin) geradewegs „Under the bridge“ (Red Hot Chili Peppers), sodass der glasklare Sound kein Zufall mehr sein konnte. Bei Instagram hätte man den Filter dafür gesucht.
Doch hier war live und ungefiltert. Es folgte „Black Butterfly“ – „das ist noch ein bisschen in der Produktion“, meinte Frontmann Martin Orth dazu, „es ist noch nicht released“. Ist ja auch nicht so schlimm, wenn es mit „Highway Star“ (Deep Purple), „Nights in white satin“ (The Moody Blues) und „Show must go on“ (Queen) weitergeht. Orth bekannte, dass er und die Seinen sich noch mehr auf Teil zwei der Setliste freuten, ehe sich die Band nach der Pause mit Knicklichtern, die unterm Publikum gestreut waren, in Vorhöfe des Techno-Genres begab. Das Dance Medley („Children“, „Sand-storm“, „Insomnia“ von Robert Miles, Darude und Faithless) mündete in die Eigenkomposition „Nasty man“ und „Kashmir“ (Led Zeppelin).
Auch weil Orth Journey-Sänger Steve Perry klasse findet, erklang „Seperate ways“ und „Who wants to live forever“ (Queen), für das man schon – nicht zuletzt stimmlich – Highlander sein muss. Es regnete bei „Riders on the storm“ (The Who), ehe das Klassikerherz mit „Immigrant song“ (Led Zeppelin), „Africa“ (Toto) und „Comfortably numb“ (Pink Floyd) bedient wurde. Die geforderte Zugabe brachte „My inner fools“ von „K’lydoscope“ und „Music“ (John Miles) in die Gehörgänge.
„K’lydoscope“ in Ketsch: Besucher haben Veranstaltung im Programmheft entdeckt
Günter Heinzmann (56) und Elise Dommer (48) bereuten ihr Kommen aus St. Leon-Rot nicht. „Ich habe es im Programm des Kinos gelesen“, sagte sie und outete sich generell als Central-Fan. Einziger Wermutstropfen sei für die beiden gewesen, dass die Liedfolge vielleicht etwas unglücklich gewählt war, meinte Heinzmann. Denn auf schnellere Stücke sei es wieder langsamer geworden. Bei den nächsten Auftritten der Band, in Hockenheim am 13. Mai etwa, könne es gut sein, dass sie wieder zum Publikum gehörten.
Am Schluss ging es nochmals zum Anfang, in die filmische Runde älterer Herren. Die weisen „K’lydoscopen“ rissen sich schließlich noch die Maske herunter oder wischten sich die Schminke weg und sorgten so für Amüsement.
Das Defilee des Lobes im Ketscher Kino fiel dann übrigens genau so aus, dass es den Aufwand, die Mühen und Entbehrungen – zum Beispiel im Vorfeld für die besseren Hälften der Männer – auf jeden Fall gelohnt hatte.
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