Ketsch. In Tagen, in denen viel über Dürre als Folge des Klimawandels gesprochen wird, seien mal Lebensmittel erwähnt, die zu jenen acht gehören, die den höchsten Wasserverbrauch pro produziertem Kilogramm zeitigen: Kakao benötigt 27 000 Liter, Rindfleisch 15 490 Liter, Schweinefleisch 4730 Liter und Geflügel 4000 Liter. Wenn man die Lebensmittel dann allerdings wegwirft, dann ist das gelinde gesagt nicht nur ungehobelt, weil man all jene mit Füßen tritt, die gesät, gepflanzt, gewässert, geboren, großgezogen, geerntet, gelegt, gepflückt, geschlachtet, verpackt, verschickt oder ins Regal gestellt haben, sondern es ist auch ein Schlag ins Gesicht all derer, die zu den rund 811 Millionen Menschen vornehmlich in Asien und Afrika gehören, die nicht genügend zu essen haben – dabei wäre insgesamt gesehen genügend auf unserem Planeten da.
Tatsächlich werfen die Deutschen mehr als 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel im Jahr weg – ungefähr ein Drittel des Gekauften befördert ein Haushalt durchschnittlich in die Tonne – dabei weiß man, dass gut die Hälfte noch prima zum Verzehr geeignet wäre. Das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum auf den Produkten ist beispielsweise kein Hinweis dafür, wann man es wegwerfen muss, sondern vielmehr die rechtliche Absicherung des Produzenten. Die Vielzahl der Produkte ist länger haltbar, was man mitunter leicht per Blick, Geruch oder Geschmack feststellen kann. Da gehört nur ein wenig Vertrauen auf seine eigenen Sinne dazu.
Das weiß man bei foodsharing.de und gegen den Lebensmittel-Wegwerfwahn geht die Ketscherin Angela Lück systematisch vor und hat eine gute Nachricht: „Am Samstag, 3. September, ist es soweit, unser Foodsharing-Fairteiler wird eröffnet.“ Der Schrank mit den Lebensmitteln, der – vom Hauptportal aus gesehen – links von der katholischen Kirche sichtgeschützt aufgestellt ist, wird bei derzeitiger Planung ab 14 Uhr befüllt.
Unter www.foodsharing.de sind die Verteiler „in deinen Bezirken“ zu finden. Und unter „Schwetzingen und Hockenheim“ ist der „Fairteiler Ketsch“ aufgeführt, sodass man sich dort eintragen kann, beispielsweise wenn man den Schrank mit Lebensmitteln befüllt hat. Reservieren kann man auf diese Weise allerdings nichts – „was weg ist, ist weg“, sagt Angela Lück.
Die 36-Jährige ist eine von aktuell 125 Foodsaver im Bezirk Schwetzingen/Hockenheim, die in 38 Betrieben Lebensmittel retten. Seit 2017 ist sie dabei und hat seitdem 233 Mal Lebensmittel abgeholt und dabei über drei Tonnen Lebensmittel gerettet. Sie hat sich also um den sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln, was wohl einer der besten Wege ist, um Energie und Geld zu sparen, verdient gemacht.
Backwaren vom Vortag
Innerhalb der Organisation Food-sharing, die ein eingetragener Verein mit Sitz in Köln ist, hat Angela Lück die Stufe eines Botschafters erreicht, das heißt, dass sie auch Verträge mit Betrieben schließen kann. Die Lebensmittel für die Fairteiler-Schränke stammen meist von Betrieben des Einzelhandels und von Supermärkten.
„Ob Brot und Backwaren vom Vortag, Äpfel mit Druckstellen oder Radieschen, bei denen die Blätter bereits etwas welk sind. Alles würde theoretisch im Müll landen. Genauso wie Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist, die aber noch völlig bedenkenlos verzehrt werden können. Solche Lebensmittel retten wir“, erklärt Angela Lück. Dabei wird eng mit den Tafeln zusammengearbeitet, in Schwetzingen mit „Appel + Ei“. Angela Lück betont, dass man freilich nie in Konkurrenz dazu treten möchte, vielmehr ergänzt man sich und spricht sich ab.
Während die Bäckerei Flörchinger mit Brot und Backwaren vom Vortag offen zum Kooperationspartner gehört, wollten die Betriebe, von denen man Lebensmittel abholt, meist nicht genannt werden, berichtet Lück und kommt auf eine sehr große Abholung von Anfang des Jahres zu sprechen. Um sage und schreibe 25 Tonnen Couscous sei es dabei gegangen – „da kommen wir dann nicht mehr mit dem Fahrrad“.
Beim Unterfangen, diese riesige Menge Couscous an den Mann und an die Frau zu bringen, sei sie selbstverständlich auch ins Gespräch mit Pfarrer Christian Noeske gekommen, weil die evangelische Kirchengemeinde regelmäßig zum Obdachlosenfrühstück bittet. Und bei der katholischen Kirche fand Gemeindereferentin Sigrun Gaa-de Mür das Foodsharing so spannend, sodass im Gespräch schließlich die Idee des Fairteiler-Schranks bei der katholischen Kirche entsprang.
In Lück-Eigenbau
Angela Lück, die sich als gelernte Speditionskauffrau derzeit in Elternzeit befindet und sich um ihre beiden Söhne im Alter von zwei und vier Jahren kümmert, gibt zu, dass sie im Moment viele Stunden dem Food-sharing zur Verfügung stellt – „ich mache jeden Tag etwas“. Das gilt für ihren Ehemann Frank (46) insofern, als er als gelernter Schreiner beim Bau des Fairteiler-Schranks angepackt hat. Die Basis des Schranks sei aus Kunststoff, doch darum habe er ein passendes Holzgestell gefertigt, nicht zuletzt um die nötige Standsicherheit gewährleisten zu können, erzählt Angela Lück, die sich über den Ketscher Schrank freilich freut.
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