Ketsch. Menschen muslimischen und christlichen Glaubens treffen abermals in der Gaststätte der Rheinhalle Ketsch zusammen, um über den eigenen Tellerrand zu blicken, sich interkulturell auszutauschen und ein gemeinsames Abendessen zu zelebrieren.
Als Iftār wird das traditionelle Mahl, das während des Fastenmonats Ramadan von Muslimen eingenommen wird, bezeichnet. Die Mahlzeit bricht allabendlich, nachdem von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Getränke und Speisen verzichtet wird, das muslimische Fasten. Der Verzicht gehört neben dem Glaubensbekenntnis, dem Gebet, der sozialen Pflichtaufgabe und der Fahrt nach Mekka zu den fünf Säulen und Grundpflichten des islamischen Glaubens. Veranstaltet wird das Fastenbrechen in der Enderlegemeinde vom Ketscher Integrationsbüro und dem Bibel-Koran Gesprächskreis.
Interkultureller Austausch beim Fastenbrechen in Ketsch
Christian Noeske, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde, erläutert den Hintergrund des Gesprächskreises folgendermaßen: „Evangelische und katholische Christen treffen sich regelmäßig mit muslimischen Gläubigen. Im Rahmen dieser Zusammenkunft, die offen ist für weitere Interessierte, werden Texte aus Bibel und Koran gelesen. Dabei geht es darum, sich bezüglich Schriften aus der eigenen und der anderen Tradition auszutauschen. Die Treffen finden in einem etwa zweimonatlichen Abstand im katholischen Pfarrheim in Ketsch statt.“
Ersan und Emine Dalkilic, beide gläubige und praktizierende Muslime, sehen das Ketscher Fastenbrechen als „eine die Religionen übergreifende Veranstaltung, die positiv dazu beiträgt, verwundert zu sein, dass doch nicht alles so fremd ist.“ Gerade in der heutigen Zeit sei es von Bedeutung, dass man zusammenkommt und die verschiedenen Kulturen sich austauschen und verstehen, so die Dalkilics.
Die Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte von Ketsch, Nicole Verclas, sieht ihr Ziel darin, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das friedliche Miteinander zu fördern. Im gemeinsamen Fastenbrechen werden der interreligiöse und interkulturelle Austausch sowie persönliche Begegnungen ermöglicht. Im gegenseitigen Austausch ist es möglich, Vorurteile und Missverständnisse abzubauen.“
Christian Noeske ordnet die Bedeutung des Fastenbrechens ein: „Als erstes möchte ich sagen, dass es durchaus auch evangelische Christinnen und Christen gibt, die die Fastenzeit ganz bewusst begehen und tatsächlich auf Speisen, Getränke aber auch anderes verzichten. Unter den evangelischen Menschen, die ihren Glauben mit Überzeugung leben, bleiben diese dennoch in der Minderheit. Viele verstehen ,evangelische Freiheit‘ so, dass Ihnen das Seelenheil auch ohne eigene gute Werke wie das Fasten geschenkt wird. Das hindert aber nicht, sich zu engagieren oder eben auch Zeiten des ganz bewussten Verzichts in den Alltag zu integrieren.“
Nicole Verclas schließt sich dem an: „Die Muslime lassen uns Nicht-Muslime an etwas teilhaben, das uns so im täglichen Leben nicht begegnet. Denn obwohl schon seit so vielen Jahren viele Muslime in unserer Nachbarschaft leben, bekommen wir von deren Ritualen und Bräuchen wenig mit. Vieles ist für uns fremd, ungewohnt oder auch exotisch. Ich empfinde den Gebetsruf beispielsweise einerseits als etwas recht Fremdes, andererseits aber auch faszinierend Schönes.“
Gemeinsames Fastenbrechen in Ketsch fördert interkulturelles Verständnis
„Wir sind hier ja eher das vertraute Glockengeläut der Kirchen gewohnt und da kann man sich auch fragen, wie das umgekehrt empfunden wird. Auch dass Menschen bei dieser Gelegenheit beten gehen, ist für manche ungewohnt. Die Veranstaltung ist aber auch dazu da, sich einfach mal darauf einzulassen. Schließlich gibt es die Möglichkeit zu viel Austausch. So können dann Ehrenamtliche aus der Hausaufgabenbetreuung die Familien der von ihnen betreuten Kinder kennen lernen“, führt die Integrationsbeauftragte weiter aus.
„Aber auch Geflüchtete, die vielleicht alleine hier sind, haben die Möglichkeit Kontakte zu knüpfen. Und die Muslime untereinander können erfahren, wie unterschiedlich das Fastenbrechen in verschiedenen Kulturen gehandhabt wird. Insgesamt kann man eine große Vielfalt erleben, bei der vielleicht auch das eine oder andere Vorurteil abgebaut werden kann“, so Verclas.
Ab 18 Uhr strömten die Gäste in die Rheinhalle, brachten die vorwiegend selbstgemachten Speisen zum Buffet und nahmen an den Tischen Platz. Gegen 18.30 Uhr, bei Sonnenuntergang, wurde der Gebetsruf von einem der Teilnehmer gesungen und die Besucher begannen mit dem gemeinschaftlichen Essen, das traditionsgemäß mit einer Dattel beginnt.
Die Gäste erwarteten unzählige orientalische Variationen im Rahmen einer unglaublichen Vielfalt an Speisen aus aller Welt. Wo sonst lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - türkische, syrische, kurdische, afghanische, pakistanische, algerische und somalische Küche gemeinsam an einem großen Tisch finden?
Das Integrationsbüro bietet 2025 weiterhin das monatliche Café International mit wechselnden Aktivitäten an. Das Elternmentorenprogramm und die Hausaufgabenbetreuung sollen weiterhin Familien und ihre Kinder dabei unterstützen, im deutschen Bildungssystem gut voranzukommen.
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