Infoveranstaltung

Ketsch: Das sind mögliche Geothermie-Standorte in der Region

Zur Informationsveranstaltung über das „GeoHardt“-Projekt kommen 20 Interessierte ins Ferdinand-Schmid-Haus. Die Fernwärme in der Region soll bis 2030 „grün“ werden.

Von 
Volker Widdrat
Lesedauer: 
MVV-Projektleiter Matthias Wolf (v. l.), EnBW-Projektleiter Stefan Ertle und Geologe Dr. Thomas Kölbel erläutern bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung im Ferdinand-Schmid-Haus in Ketsch den Sachstand zum „GeoHardt“-Projekt in dem 270 Quadratkilometer großen Aufsuchungsgebiet für Tiefengeothermie. © Widdrat

Ketsch. Die „GeoHardt“ GmbH als Tochterunternehmen von EnBW und MVV will heißes Tiefenwasser aus dem Oberrheingraben für eine CO2-freie Wärmeversorgung nutzen und plant Bau und Betrieb von Geothermieanlagen zur Einspeisung von „grüner Wärme“ in die Wärmeversorgung der Region. Das Unternehmen sucht derzeit großflächig nach geeigneten Standorten, demnächst startet auch die Umsetzung einer 3D-seismischen Messung. Die Gemeinde Ketsch war am Dienstagabend der Gastgeber für eine öffentliche Informationsveranstaltung. Bürgermeister Timo Wangler begrüßte im Ferdinand-Schmid-Haus knapp 20 Teilnehmer.

MVV-Projektleiter Matthias Wolf erklärte das sogenannte „Mannheimer Modell“, mit dem die Fernwärme bis 2030 Schritt für Schritt „grün“ werden soll. Man wolle die geologische Besonderheit des nördlichen Oberrheingrabens für die Erzeugung CO2-freier Wärme nutzen. In etwa 3500 Metern Tiefe verlaufen bei uns wasserführende Schichten mit einer Wassertemperatur von bis zu 160 Grad Celsius. Das Wasser soll in einem geschlossenen Kreislauf umgewälzt werden.

Drei „geologische Vorzugsgebiete“

Geologe Dr. Thomas Kölbel berichtete von „erfolgreichen Aufsuchungstätigkeiten“. Jetzt müsse noch die Datenlage „weiter detailliert werden“. In einem ersten Schritt hatte „GeoHardt“ in dem 270 Quadratkilometer großen Aufsuchungsgebiet besonders geeignete Flächen für weitere Untersuchungen identifiziert. Ältere Datensätze von ausgewerteten 2D-Seismiken seien mit neuen Messergebnissen zu einem 3D-Modell zusammengeführt und analysiert worden, erläuterte Kölbel.

Auf Basis der Untersuchungen waren drei „geologische Vorzugsgebiete“ für die Geothermie-Nutzung ermittelt worden. Der nördliche Bereich verläuft auf den Gemarkungen der sieben Kommunen Mannheim, Brühl, Ketsch, Schwetzingen, Plankstadt, Heidelberg und Oftersheim. Für das „GeoHardt“-Projektteam das „vielversprechendste Potenzialgebiet“. Ab November sollen in diesem Bereich nun mittels einer 3D-Seismik geologische Bohrziele für eine Standortauswahl gefunden werden. „Ziel ist der mittelfristige Aufbau von bis zu drei Geothermie-Anlagen“, betonte EnBW-Projektleiter Stefan Ertle und ging auf die Umsetzung der Seismik-Kampagne ein.

Bei den Messungen werden an über 6200 Punkten mittels Rüttelplatten an Vibrationsfahrzeugen seismische Signale angeregt. Die Schwingungen werden überwacht und korrigiert. Etwa 7000 ausgelegte Geophone nehmen die Reflexionen auf. Sollten Geophone auf Privatgrundstücken nötig sein, würden schriftliche Genehmigungen von den Eigentümern eingeholt, so Ertle.

Natur- und artenschutzrechtliche Bestimmungen würden ebenso eingehalten. Für ein sogenanntes „Dialogforum“ waren 50 Bürger zufällig aus den sieben Kommunen des Potenzialgebietes ausgewählt worden, die gemeinsam mit den Experten und dem Projektteam diskutieren sollen. Die vertretenen Zufallsbürger befragen die Experten in einem Live-Stream am 29. September und am 27. Oktober.

Ertle bekräftigte, die Öffentlichkeit sei so früh wie möglich mit eingebunden worden. Dazu habe man im vergangenen Jahr auch einen politischen Begleitkreis ins Leben gerufen. Die Bewertungen und Empfehlungen der Bürger sollen in Form eines Abschlussberichtes an die Politik übergeben werden.

Kritik und Bedenken

Die rege Diskussion im Anschluss drehte sich um naturschutz- und nachbarschaftsrechtliche Belange, die Auswirkung von Schallwellen und Bohrungen im Grundwasserschutzgebiet. Vertreter der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie Brühl/Ketsch äußerten Kritik, wie schon im offenen Brief an die Bürgermeister und Gemeinderäte im Aufsuchungsgebiet Hardt vom Juli (wir berichteten). Das Projekt habe zu viele Unklarheiten und Ungereimtheiten. Es gehe möglicherweise nicht nur um Wärme, sondern auch um Lithiumgewinnung und Stromerzeugung. „Wir wollen Wärme, Strom ist ausgeschlossen“, bekräftigte Kölbel.

Das Geothermie-Kraftwerk in Bruchsal sei nicht mehr als ein „Versuchsprojekt“, so ein BI-Vertreter. „In Landau haben nachts die Gläser gewackelt im Schrank“, meinte ein anderer Teilnehmer. Der Ortsverein von Bündnis 90/Die Grünen war mit einigen Gemeinderäten ebenfalls vertreten. Die Brühler BI hatte die Ketscher Grünen ja Anfang des Jahres scharf kritisiert wegen deren Stellungnahme für eine Nutzung der Tiefengeothermie (wir berichteten ebenfalls). Grünen-Gemeinderat und Imker Günther Martin warnte vor Schäden für die Tierwelt durch die Rüttelfahrzeuge: „Dann gehen meine Bienenvölker kaputt.“

Das Unternehmen habe ein Konzept für Tiere, „aber nicht für Eigentümer von Gebäuden“, warf ein Bürger „GeoHardt“ vor. Es würde keine fundierte Risikoanalyse vorgelegt. „Was ist, wenn die Erde wackelt, der Rheingraben hat seine Tücken“, warnte ein Teilnehmer. Er wollte wissen, ob das Unternehmen „jedem Hausbesitzer ein Gutachten bezahlt und für etwaige Gebäudeschäden aufkommt“. Das Verpressen von Wasser könne zu starken Erschütterungen führen. In einem erdbebengefährdeten Gebiet wie hier besonders gefährlich.

„Nicht nur alles negativ sehen“

„Wir wissen nicht, wie wir diesen Winter durchkommen. Die Tiefengeothermie bringt da noch gar nichts“, meinte eine Bürgerin. Ertle beschwichtigte: „Nicht nur immer alles negativ sehen.“ Wenn die Enderlegemeinde als Standort auserkoren werden sollte, „kratzen wir nur an der Bebauung von Ketsch“, versicherte Wolf.

„Jedes Projekt will willkommen sein, wir sind felsenfest davon überzeugt, dass es was Gutes wird“, warb Ertle für die Tiefengeothermie. Man wolle diese Form der Energiegewinnung auch gar nicht verteufeln, meinte ein BI-Vertreter abschließend: „Tiefengeothermie ist eigentlich eine saubere Sache, wenn sie sicher ist. Wenn es aber kracht, ist Ebbe im Schacht.“ Das tiefe Bohrloch in Brühl könne auch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Bei einem Schadensfall müsse deshalb gewährleistet sein, dass eine Gemeinde nicht darunter leidet.

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung