Ketsch. Das Kirchenkino zeigt am Montag, 15. Mai, um 19 Uhr den Film „Holy Spider“: Ein Serienmörder macht die Runde in der heiligen iranischen Stadt Maschhad und tötet Prostituierte, im Namen Gottes und völlig zu Recht, wie er, ein vermeintlich einfacher Familienmensch, findet. Gast im Central Kino wird Bahare Beverungen (kleines Bild) aus Mannheim sein, die den Kampf der Iranerinnen für Freiheit hierzulande sichtbar machen möchte. Wir haben der 43-Jährigen ein paar Fragen gestellt.
Frau Beverungen, inwiefern spiegelt der Film die Situation im Iran wider?
Behare Beverungen: Die Bildsprache des Films zeichnet die Situation im Iran sehr gut nach. Ein Nebel, der über allem liegt, Frauen, die als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Die Rolle der Frau in der Islamischen Republik Iran wird sehr deutlich. Frauen werden von den Hardlinern als Quelle der Unordnung und Ursprung des Bösen betrachtet. Ihre Aussage ist vor Gericht nur halb so viel Wert wie die eines Mannes, Frauen benötigen die Erlaubnis ihres Mannes oder Vaters, um verreisen zu dürfen.
Sie leben schon viele Jahre in Deutschland - die Situation im Iran könnte Ihnen doch eigentlich egal sein?
Beverungen: Ich habe mich lange nicht so genau mit der Situation im Iran beschäftigt. Ich bin zwar in Deutschland aufgewachsen, aber ein gewisses Heimatgefühl verbindet mich auch mit dem Iran. Hinzu kommt, dass ich 1979 geboren wurde, ich kenne den Iran nicht als freies Land. Die Situation dort habe ich immer als ungerecht und unfrei empfunden, aber auch als gegeben. In gewisser Weise war es wohl auch eine Art Selbstschutz, denn wer möchte schon in einem Land geboren werden, in dem die Menschenrechte fundamental missachtet werden und auch vor Kindern nicht halt gemacht wird, wenn es um Grausamkeiten geht. Die jüngsten Proteste haben mich wachgerüttelt, ich sehe es als meine Pflicht an, ein Schallverstärker der mutigen Iranerinnen zu sein.
Zur Person
Bahare Beverungen (43) wurde im Iran geboren und ist im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland ausgewandert.
Sie hat Innenarchitektur studiert und engagiert sich seit ihrer Ju-gend ehrenamtlich. Der Tod von Jina Mahsa Amini und die Proteste darauf waren für sie wie auch für viele andere gebürtige Iranerinnen in Deutschland ein einschneidendes Erlebnis und der Eintritt in den Aktivismus.
Sie organisierte die erste Solidaritäts-Demonstration in Mannheim und ist seitdem in der Rhein-Neckar-Region aktiv. Demonstrationen, Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Lesungen – Ziel ist es, aufzuklären und den Kampf der Iranerinnen für Freiheit sichtbar zu machen.
Sie ist Mitglied der Initiative „Frauen Leben Freiheit Rhein-Neckar“. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. zg
Sie haben Verwandte im Iran – ist es für sie nachteilig, dass Sie in Deutschland protestieren?
Beverungen: Ich habe momentan keinen intensiven Kontakt zu meiner Familie und versuche in meiner Arbeit keinen direkten Bezug zu ihnen herzustellen. Ich bin zwar nur eine sehr „kleine“ Aktivistin, aber wer weiß, wen die Spione der IR ins Visier nehmen und wieso. Es ist ein völlig unberechenbares und willkürliches System.
Was sind Ihre aktuellen Pläne innerhalb der Protestbewegung?
Beverungen: So viel Aufmerksamkeit wie möglich für das Thema zu schaffen und aufzuklären. Die Proteste sind vielleicht leiser geworden, aber er geht weiter. Die Form hat sich nur verändert. Das Ziel ist die Bundesregierung zu einer Änderung ihrer Iran-Politik zu bringen. Deutschland ist immer noch der größte Handelspartner des Iran. Dadurch wird der Staat legitimiert und es spült Geld in die Kassen der Machthaber. Die islamische Republik Iran ist kein verlässlicher Partner, daher sollte auch das Atomabkommen nicht weiterverfolgt werden.
Was erwartet die Kinobesucher am Montag, was ist Ihnen wichtig für das Gespräch im Anschluss?
Beverungen: Der Film zeichnet das Porträt eines Serienmörders, der aus religiösen Gründen 16 Prostituiert tötet. Er empfindet es als seine Pflicht, die Straßen zu reinigen, das Erschreckende ist – und das zeigt das frauenverachtende Bild, welches fanatische Religiöse haben: Nach der Verhaftung wird der Killer als Held gefeiert. Ich freue mich auf den Austausch mit dem Publikum, der Film wird bestimmt einige Fragen aufwerfen, auf die ich im Anschluss sehr gern eingehen werde.
Gibt es weitere Veranstaltungen, die Ihnen am Herzen liegen?
Beverungen: Wer noch etwas in das Thema eintauchen möchte, dem empfehle ich die Ausstellung in der Citykirche Konkordien in Mannheim. Am 21. Mai findet ein Art-Gottesdienst mit anschließender Ausstellungseröffnung statt. Es werden Zeichnungen und Bilder von Frauen und Mädchen, die im Iran leben ausgestellt. Die Bilder erzählen von der Sehnsucht nach Freiheit, nach einem normalen Leben, aber sie erzählen auch von Widerstand und von Erfahrungen der Gewalt.
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