Ketsch. So idyllisch war es am Anglersee nicht immer – wer von der Terrasse des Seehotels aufs nahe Gewässer und den Kirchturm von St. Sebastian blickt, kann kaum ermessen, dass hier eine profane Kiesgrube den Ursprung gab. Beim festlichen Jubiläumsabend zum 50-jährigen Bestehen der Herberge ging es um den Start im Jahr 1972. An Ort und Stelle entstand ein Hotel, als sich der See noch als Baggerloch präsentierte – es war letztlich ein Entschluss mit Mut und Weitblick.
Hans Keppel erinnerte an seine Eltern Helmut und Klara Keppel und an den Tag, als der Vater heimkam und meinte: „Wir bauen ein Hotel. Wir verkaufen alles und bauen ein Hotel.“ Helmut Keppel sei schon über 50 gewesen, von der Hotellerie habe er – außer dass er als Geschäftsreisender in Hotels übernachtet hatte – nichts verstanden. „Es war, als hätte er eine Erleuchtung gehabt, heute würde man sagen: eine Vision“, erzählt Hans Keppel.
Aus dem Geistesblitz wurde alsbald Realität. Anfang Februar 1972 wurde das voll elektrische Hotel – seinerzeit einmalig in Deutschland – eröffnet. Die 29 Zimmer waren mit Bad, Dusche und Telefon ausgestattet, dazu gab es das Restaurant „Seeblick“ und einen Konferenzraum.
Das Hotel sei sehr gut gelaufen, etwas Vergleichbares habe es in der Region nicht gegeben. Das Credo seiner Eltern habe gelautet: Alle im Haus begegnen dem Gast mit Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. „Und dieser Philosophie sind wir bis heute verpflichtet“, sagte Keppel. Auch das Restaurant sei ein Pfund gewesen, das zum Wuchern taugte. „Mein Vater war überzeugt: Geschäftsreisende, die hier absteigen, wollen abends gepflegt essen. Was sich genauso bis heute bestätigte.“
1987, mit gerade mal 30 Jahren sei er in die Geschäftsführung eingetreten. Wenig später verstarb sein Vater, sagt Hans Keppel. Der Koch, Küchenmeister und staatlich geprüfte Gastronom hatte nicht zuletzt während seiner Wanderschaft einiges gesehen und sorgte für frischen Wind: „Wir sprachen nun Liebhaber einer feinen Genussküche mit ausgezeichneten Weinen an.“ Das habe sich herumgesprochen und so seien die ersten Prominenten aufgetaucht. Beispielsweise sei Fürst von Metternich von Schloss Johannisberg im Mantel mit Pelzkragen in seinem Rolls Royce vorgefahren, meinte Hans Keppel, dummerweise habe sich dieser aber den Ruhetag des Restaurants ausgesucht.
Glücklicher seien die Besuche der Stars aus der Formel 1 etwa, die ihre Hubschrauber auf dem Feld hinter dem Seehotel in Reih und Glied landen ließen, verlaufen. 1996 heiratete das Gastgeber-Paar, Susanne Keppel – „in Stilfragen immer sicher trägt alles Susannes Handschrift“ – hatte ihre Ausbildung im Seehotel gemacht.
Die größte Herausforderung
1997 wurde umgebaut: Neue Küche, neues Restaurant, neuer Wintergarten, neue Ausrichtung. „Jetzt hieß das Restaurant ,Die Ente’“, sagte Keppel. Das familiengeführte Business-Hotel benötigte bald wegen der starken Nachfrage mehr Zimmer, und für deren Auslastung neue Konferenzräume – auch für Bankette und Hochzeitsfeiern. 2009 sei von 45 auf 70 Zimmer aufgestockt worden, inklusive der Erweiterung des Tagungsbereichs, eines neuen Bankettambientes und einer neuen, größeren Küche – damit verbunden sei allerdings die bislang größte Krise auf sie zugekommen. Die Wirtschaftskrise zum einen und die Pleite der beauftragten Baufirma zum anderen – es hätte beinahe das Aus bedeutet. Heute sei die Familie stolz, diese Herausforderung gemeistert zu haben.
Im Frühjahr 2011 sei der Umbau fertig gewesen. Im gleichen Jahr habe das Restaurant den Michelin-Stern erhalten. Als Sternekoch Tommy Möbius „unser Hotel verließ, haben wir unser Restaurantkonzept geändert, das war die richtige Entscheidung. Gekocht wurde und wird weiterhin in guter Qualität, und sämtliche Gäste können zufrieden auf den See blicken“, sagte Keppel.
Der Inhaber wollte eigentlich etwas kürzer treten, doch dann sei Corona gekommen. Das Vorhaben ist gleichwohl nur aufgeschoben. Denn: „Es war schon immer mein Wunsch, dass meine Kinder das Haus weiterführen.“ Tatsächlich ist Sohn Sebastian (38) schon im Betrieb, Tochter Emily studiert noch – mit der klaren Absicht einzusteigen, während die jüngste Tochter Romy (18) gerade erst ihr Abitur macht.
„Ich bin stolz auf meine Familie“
„Meine Großeltern haben das Haus gebaut und den Grundstein gelegt, meine Eltern haben es zu dem gemacht, was es heute ist. Die Grundausrichtung, ein Business-Hotel zu sein, ist dabei immer gleich geblieben und ich bin stolz darauf, diese Tradition fortzusetzen und ein Teil des Seehotels sein zu dürfen“, sagt Emily Keppel dann. Die 24-Jährige wusste die Emotionen zu bedienen.
Ein Freund des Hauses ist Dr. Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er würdigte das Engagement von Susanne und Hans Keppel, die ein Beispiel gäben, wie weit man es mit Sachverstand und viel Herzblut bringen könne. Das Hotel am Anglersee strahle viel Wärme aus. Der scheidende Bürgermeister Jürgen Kappenstein meinte, dass er von Kollegen beneidet werde: „Mensch, ihr habt in Ketsch so ein tolles Hotel“, bekomme er zu hören. Das Haus mache die Enderlegemeinde weithin bekannt.
Melanie von Görtz, Geschäftsführerin der Branchenvereinigung Dehoga in Heidelberg, überreichte eine Urkunde des Landesverbands. Sie hob hervor, dass Hotellerie und Gastronomie wegen Corona schwere Jahre durchleben und noch lange nicht aus der Krise seien. Dabei beweise die Branche aber ihre Innovationskraft, was durchaus positiv sei.
Hans Spielmann, Geschäftsführer der Welde-Brauerei, gratulierte und spielte launig mit der Zeile „Der Hans, der kann’s“ – schließlich hatte Hans Keppel unter anderem auch seine Herzdame überzeugt. In die längst schöne Stimmung der rund 70 Gäste, denen köstliche vier Gänge serviert wurden, mischte er das Versprechen, sämtliches Bier des Jubiläumsabends zu sponsern.
Indes: Der Anglersee ist ein Kleinod der Naherholung geworden, das von den Einheimischen etwa bei der Gassirunde mit dem Hund, von Gästen im Hotel am Ende eines Arbeitstages jeweils auf ganz eigene Weise geschätzt wird. Und nahe dieser Idylle wollen nun die Kinder von Hans und Susanne Keppel den Mut und den Weitblick der Gründer haben – das war (und ist) allemal einen Festabend wert.
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