Im Portrait

Natascha Evseev ist die neue Integrationsmanagerin von Ketsch

Seit dem Jahreswechsel ist Natascha Evseev vom Internationalen Bund die neue Integrationsmanagerin von Ketsch. Wir haben sie getroffen.

Von 
Noah Eschwey
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Natascha Evseev ist neue Integrationsmanagerin von Ketsch. © Eschwey

Ketsch. Im Erdgeschoss des Rathauses Ketsch, ganz am Ende des Ganges, formen schwarze Buchstaben auf weißem Grund endlich wieder einen zweiten Namen auf dem Türschild des Büros mit der Nummer 118. Zumindest an vier Tagen in der Woche trifft der Besucher nun nicht mehr nur auf die Integrationsbeauftragte Nicole Verclas, sondern auch auf Natascha Evseev, die sich am Schreibtisch gegenüber eingerichtet hat. „Bisher bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, die Menschen erst einmal kennenzulernen“, sagt die neue Integrationsmanagerin der Enderlegemeinde, die zuvor in Schwetzingen tätig war.

„Seit dem Jahreswechsel besteht die Möglichkeit, das Integrationsmanagement in Absprache mit dem Landratsamt zu gestalten“, erklärt Verclas. Ein Angebot, das die Verwaltungen in Wiesloch, St. Leon-Rot und Ketsch gerne angenommen hätten. „Das Landratsamt hat dann den Internationalen Bund (IB) beauftragt, der uns Natascha geschickt hat.“ Ein echter Glücksgriff, auch wenn Evseev nur an vier Tagen in der Woche im Rathaus Ketsch anzutreffen ist, wie sie bestätigt: „Freitags bin ich in Wiesloch.“

Integrationsmanagerin von Ketsch hat Soziale Arbeit studiert

Die 26-Jährige sei im Rhein-Neckar-Kreis aufgewachsen und hat in Wiesbaden Soziale Arbeit studiert: „Ich habe mich schon immer für Flucht und Integration interessiert. Bei meinem Bundesfreiwilligendienst durfte ich dann zum ersten Mal mit Geflüchteten zusammenarbeiten.“ Eigentlich habe sie sich überlegt nach ihrer Tätigkeit im Integrationsmanagement von Schwetzingen ein anderes Themenfeld kennenzulernen. Als sie dann das Angebot erhielt, in Ketsch, wo Evseev nun auch wohnt, Geflüchtete zu betreuen, habe sie nicht widerstehen können. „Mein persönlicher Auftrag in diesem Bereich ist wohl einfach noch nicht zu Ende“, sagt sie lachend.

Auch wenn sie nun den gleichen Beruf wie zuvor ausführt, sei in Ketsch einiges anders: „Die Zielgruppe hat sich etwas verändert. Zuvor arbeitete ich viel mit alleinstehenden Männern, jetzt sind es hauptsächlich Familien, oft mit Kindern, aber auch Senioren.“ Das Verzwickte an ihrem Beruf bleibt aber gleich: „Ich bin für die Einzelfallberatung zuständig. Da ist es wichtig, sensibel zu sein. Das sind erwachsene, selbstständige Menschen. Das Verständnis für deutsche Dokumente zu schaffen, berufliche Beratungen und sprachliche Barrieren zu überwinden, kann herausfordernd sein.“

Natascha Evseev aus Ketsch lernt aus ihrer eigenen Historie

Manchmal hilft Evseev auch ihre eigene Historie: „Meine Eltern sind Spätaussiedler und vor 30 Jahren nach Deutschland gekommen, weswegen ich russisch kann. Bei den ukrainischen Flüchtlingen kann das helfen, auch wenn wir es immer zunächst auf deutsch versuchen.“ Und im allergrößten Notfall unterstütze die Technik, wie die Integrationsexpertin grinsend zugibt: „Der Google-Übersetzer arbeitet nun mit einer integrierten Künstlichen Intelligenz, seitdem funktioniert er viel besser.“

Zum Zeitpunkt des Interviews sei die 26-Jährige zwar noch hauptsächlich mit „networken“ beschäftigt, am meisten Spaß habe sie aber in anderen Bereichen: „Ich kann aus den Gespräch mit den Klienten sehr viel lernen, auch für mich privat. So viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen, liefert einfach einen unbeschreiblichen Mehrwert. Ich bin regelmäßig davon überrascht, wie resilient und mutig Menschen sein können. Da entwickelt sich automatisch ein großer Respekt vor dem Gesprächspartner.“

Bundespolitische Debatte zu Migration beschäftigt auch in Ketsch

Einen geregelten Tagesablauf hat man als Integrationsmanagerin nicht: „An dem einen Tag habe ich Termin nach Termin, am nächsten wieder keinen einzigen.“ Das sei der Vorteil der neuen Stelle, erinnert sich Bürokollegin Verclas: „Die Vorgängerin arbeitete nur an zwei Tagen, so verteilt sich alles ein bisschen besser.“

„Die Geschichten sind oft sehr traurig, aber ich muss mich selbst auch schützen“, antwortet sie auf die Frage nach ihren Abgrenzungsstrategien. In den Gesprächen mitzufühlen, nicht abzustumpfen, sei zwar immens wichtig, „ich kann den Menschen aber nur helfen, wenn es mir selbst gut geht“, weiß Evseev, die hinzufügt: „Manchmal muss ich mir mein eigenes Leben bewusst machen.“

Immer wieder rutscht das Gespräch in die aktuelle Bundespolitik. „Gezielte Fachkräfte? Nein, sehr oft werden aber Geflüchtete zu Fachkräften. Darüber spricht nur niemand“, sind sich die Ketscherinnen einig. Für die Geflüchteten bedeute der politische Diskurs in Deutschland vor allem „Enttäuschung und platzende Träume“, weiß Evseev, die auch glaubt, dass „vor allem die Deutschen mit Zuwanderungsgeschichte“ im Bundestagswahlkampf leiden.

Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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