Schwetzinger Straße

Neue Stolpersteine in Ketsch erinnern an drei ehemalige Bürger

Neue Stolpersteine erinnern an drei ehemalige Bürger, die Opfer des NS-Regimes wurden

Von 
Caroline Scholl
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Weitere Stolpersteine werden in einen Ketscher Gehweg eingelassen. Sie erinnern an Bewohner der Gemeinde, die vom NS-Regime verfolgt wurden. © Scholl
Der Gedenkstein für den Geistlichen ziert ab sofort den Bürgersteig vor der Schwetzinger Straße 1, wo Spies einst wohnte. © Scholl

Ketsch. Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitiert der Künstler Gunter Demnig den Talmud. Vor 30 Jahren startete der 1947 in Berlin geborene Demnig das Projekt „Stolpersteine“ zur Erinnerung der Opfer des Nationalsozialismus. Mit kleinen, in den Boden verlegten Gedenktafeln, den sogenannten Stolpersteinen, entstehen meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der Opfer Erinnerungsstellen, die mit deren Namen versehen zu Gedenkstätten und gleichzeitig zu Mahnmalen werden. Mittlerweile wurden rund 90 000 solcher Stolpersteine in 21 europäischen Ländern verlegt.

Anton Spies ist während der Herrschaft der Nationalsozia-listen Pfarrvikar in Ketsch. Auch er wird ermordet. © Archiv Erzdiözese Freiburg

In der Enderlegemeinde wurden 2016 bereits zwei dieser Metallplaketten zum Gedenken an Artur Metzger, der nach Dachau verschleppt und dort 1939 ermordet wurde und Thekla Metzger, die 1942 deportiert worden war, in den Gehweg in der Hockenheimer Straße 16 eingesetzt. Ein weiterer Stolperstein wurde damals in der Hebelstraße 48 zur Erinnerung an den Sozialdemokraten Karl Kemptner verlegt, der aufgrund seiner öffentlichen Kritik an Hitler und dem Regime von der Gestapo festgenommen und am 27. Oktober 1944 hingerichtet wurde.

Ganzes Ausmaß offenlegen

„Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, das ganze Ausmaß des Unrechts und der Gewalt offenzulegen, mit denen die Nazis in unserer Gemeinde gegen Menschen vorgingen, die nicht in ihr rassistisches Bild passten, eine andere politische, geistliche oder weltanschauliche Überzeugung vertraten oder die Widerstand gegen dieses verbrecherische Regime leisteten“, eröffnet Bürgermeister Timo Wangler am Freitag die Feierstunde zur Verlegung dreier weiterer, von Ketscher Bürgern gespendeten Stolpersteine.

Durch die Recherchen zu seiner Doktorarbeit habe Dr. Peter Kaiser aus Ketsch viele hilfreiche Informationen zur Gemeinde im Nationalsozialismus zusammengestellt und somit die Auswahl der Personen für die Stolpersteine unterstützt. Kaiser selbst und viele Interessierte, darunter Ehrenbürgerin Helena Moser, Gemeinderäte, die Pfarrer Erwin Bertsch und Christian Noeske, weitere Vertreter der Kirchen und der Gemeindeverwaltung und Schulleiter Joachim Rumold kamen zunächst am Pfarramt in der Schwetzinger Straße 1 zusammen. Auch haben sich Angehörige jener Menschen eingefunden, an deren Schicksal nun mit den Stolpersteinen erinnert wird.

Unter der musikalischen Begleitung der Lehrerin Nancy Humbert-Klein sprachen und sangen Schüler der zehnten Klasse des Profilfaches Musik anlässlich der Steinverlegung. Das Friedenslied „Shalom Chaverim“ wurde angestimmt, passende Gedichte rezitiert und die Schüler berichteten aus dem Leben der Geehrten.

Im Anwesen in der Schwetzinger Straße 1 lebte einst Anton Spies, für den ein Stolperstein in den Gehweg eingelassen wurde. Spies wurde 1909 geboren und war ab dem 1. August 1939 Pfarrvikar in Ketsch. Nach einer Anzeige des NSDAP-Ortsgruppenleiters wurde er verhaftet und starb am 19. April 1945 im Konzentrationslager Dachau. Nach seinem Tod wurde Spies von der Deutschen Bischofskonferenz offiziell in die Liste der deutschen Märtyrer des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

„Wichtige Zeichen“ setzen

Wenige Meter weiter erfolgte vor dem Anwesen der Schwetzinger Straße 16 die Verlegung zweier weiteren Stolpersteine. Hier lebten früher Henriette und Manfred Kaufmann. Manfred Kaufmann wurde 1878 in Ketsch geboren, infolge der Reichspogromnacht im November 1939 misshandelt und von seinem Anwesen vertrieben. Das Anwesen wurde daraufhin Parteihaus der NSDAP. Henriette und Manfred Kaufmann zogen nach Mannheim, wo sich ihre Spur verliert. Wahrscheinlich wurden sie im Herbst 1940 ebenfalls deportiert und später dann in den Lagern Osteuropas ermordet.

„Diese Gedenktafeln setzten wichtige Zeichen“, unterstrich Bürgermeister Timo Wangler. „Sie sind Bestandteil unserer Bemühungen, die Ketscher Geschichte während der Nazidiktatur aufzuarbeiten und das Andenken an die Verfolgten auch für künftige Generationen zu bewahren. Wir brauchen Orte und Denkmale, die uns, den heute Lebenden, die Vergangenheit nahebringen.“ Das Gedenken habe nach wie vor eine große Bedeutung, so der Verwaltungschef in seiner Rede abschließend.

Freie Autorin Freie Journalistin für die Region Rhein-Neckar

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