Krieg in der Ukraine

Olena Gonta flieht aus der Ukraine nach Ketsch - von ihrem Mann fehlt jede Spur

Gonta befindet sich unter den über 150 Flüchtlingen aus der Ukraine, die 2022 in Ketsch angekommen sind. Sie fand hier mit ihren drei Kindern Zuflucht. Doch seit April hat sie nichts von ihrem Mann gehört.

Von 
Caroline Scholl
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Olena mit ihrer Tochter Maria beim Treffen mit unserer Zeitung. © SCHOLL
Das letzte gemeinsame Bild von Olena, der kleinen Maria und ihrem Mann Ruslan, der sich laut letzten Informationen in russischer Gefangenschaft befindet. © Privat

Ketsch. Unter den über 150 Flüchtlingen aus der Ukraine, die 2022 in der Enderlegemeinde Zuflucht gefunden haben, ist Olena Gonta. Die 32-jährige Ukrainerin ist mit ihren drei Kindern im Alter von elf, sechs und zwei Jahren im Mai 2022 in Ketsch angekommen. Davor hatte sie eine beschwerliche Flucht auf sich genommen und dies mit einer furchtbaren Ungewissheit, denn ihr Mann Ruslan geriet im April 2022 in russische Gefangenschaft, seither fehlt von ihm und seiner kompletten Brigade jede Spur.

Maria, zwei Jahre, kuschelt sich beim Treffen mit unserer Zeitung an ihre Mama Olena. Ihr größerer Bruder ist in Ketsch im Kindergarten und ihre ältere Schwester besucht die Schule. Erinnern an die Ukraine kann sich die Kleine sicher nicht mehr und ihr Vater konnte nur eine kurze Zeit mit ihr und der Familie verbringen, bevor er zum Kriegsdienst einberufen wurde.

„Wir stammen aus einem sehr kleinen Dorf in der Nähe von Cherzon. Mein Mann Ruslan war seit 2014 immer wieder als Marinesoldat im Kriegsdienst und nur in den Jahren 2017 bis 2019 länger daheim. Seit 2019 war er in Mariupol einberufen. Zum letzten Mal habe ich am 4. April etwas von ihm gehört“, erklärt Olena traurig.

Manfred Würbel und Ursula Zirkel (v. l.) geben der Familie in Ketsch eine Zuflucht. Für sie bedeutet dies etwas mehr Normalität. Hier wird gemeinsam Geburtstag gefeiert. © Privat

Als ihr Heimatdorf im März 2022 besetzt wurde, entschließt sie sich zur Flucht. „Zunächst musste ich mit meinen drei Kindern 20 Kilometer zu Fuß laufen, dann mit einem Schlauchboot über einen Fluss übersetzen. Über 100 Personen mit Kindern waren mit mir unterwegs und schließlich kamen wir am 21. April in Krwyi Rih in der südlichen Ukraine an. Dort blieben wir zwei Wochen. Immer wieder gab es Angriffe und Zersörungen. Wir versuchten dann, mit dem Zug weiter die 800 Kilometer nach Leviv zu kommen, dies war eine Fahrt über einen ganzen Tag. Von da aus ging es nach Polen und dann mithilfe von Verwandten weiter nach Deutschland. Über Heidelberg kamen wir nach Ketsch“, erinnert sie sich.

In Ketsch angekommen: Uschi und Manfred wie Großeltern

Bei Uschi Zirkel und Manfred Würbel hat sie mit ihren Kindern privat Zuflucht gefunden. „Ich habe in der Ukraine früh zu meinen Eltern den Kontakt verloren, aber bei und mit Uschi und Manfred habe ich wieder eine Art Mama und einen Papa gefunden. Dafür bin ich aus ganzem Herzen dankbar. Für meine Kinder sind die beiden wie Großeltern und für mich die besten Menschen, die es gibt“, bekräftigt die Ukrainerin. Das Schicksal ihres Mannes beschäftigt Olena jeden Tag, verbunden mit vielen Sorgen und Ängsten.

Auf der Flucht versucht Olena mit ihren Kindern in einen Zug zu kommen. Hunderte Menschen versuchen dies ebenso. © Privat

„Ich habe erfahren, dass die Brigade meines Mannes am 12. April von Russland eingenommen wurde. Alle 2000 Männer aus dieser Brigade sind verschwunden und keiner weiß etwas Genaues. Natürlich versuche ich über das Internet etwas herauszufinden oder über die Kommandanten der Militäreinheiten. Auch gibt es einen Gruppe von Angehörigen der Brigade, mit der ich in Kontakt bin, aber keiner weiß etwas Genaues. Einmal fand jemand ein Bild von Gefangenen im Internet, darauf habe ich Ruslan erkannt, aber was jetzt mit ihm ist, ist unklar und ich bin voller Sorge. Bei jedem Gefangenenaustausch hat man ein wenig Hoffnung, doch bisher war niemand dieser Brigade mit dabei. Mein Mann weiß ja nicht einmal, dass die Kinder und ich nun in Deutschland sind. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir uns wiederfinden. Die älteren Kinder fragen nach ihrem Papa, doch sind sie nun mit ihrer neuen Lebenssituation hier beschäftigt, dies lenkt ab“, berichtet Olena.

In ihrer Heimat sei ihr Haus nun komplett zerstört. Von Verwandten hat sie Bilder geschickt bekommen, die das ganze Ausmaß der Zerstörung zeigen. Ihre Schwägerin, die Schwester ihres Mannes Ruslan, ist ebenfalls in Ketsch mit zwei Kindern angekommen. Beide Frauen suchen weiter, immer in der Hoffnung, eine Spur von Ruslan zu finden: „Dass unsere Familie wieder zusammen ist, einen größeren Wunsch habe ich nicht. Dass wir hier in Ketsch so liebevoll und freundlich aufgenommen wurden, ist ein großes Geschenk und dafür sind wir voller Dankbarkeit.“

Freie Autorin Freie Journalistin für die Region Rhein-Neckar

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