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Sein Land kann nicht zur Ruhe kommen

Der Filmemacher aus Afghanistan lebt nach seiner Flucht 2013 mittlewerile in Deutschland. Seit März dieses Jahres wohnt er in Ketsch.

Von 
Caroline Scholl
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Der ehemalige Landtagsabgeordnete Manfred Kern (l.) traf Filmemacher Mohammad Hassan Nazeri erstmals 2014 in Schwetzingen in seiner Funktion als Asylbeauftragter – beim Filmabend im Central sahen sich die beiden nun wieder. © Scholl

Ketsch. Die drei Filme, die der Filmemacher Mohammad Hassan Nazeri produziert hat, bewegten die Zuschauer im Central Kino sehr. Afghanistan und besonders die aktuelle Situation des Landes sei, wie es Moderatorin Doris Steinbeißer formulierte, äußerst brisant. Umso interessanter erwies sich die Gelegenheit, nachdem die drei Kurzfilme über die Kinoleinwand einen Eindruck der Situation von Kindern, Frauen und einem aus Afghanistan geflüchteten jungen Rapper vermittelt hatten, mit dem ebenfalls geflüchteten gebürtigen Afghanen Mohammad Hassan Nazeri über Erfahrungen und Entwicklungen in den Austausch zu gehen.

Die Filme über die Kinder in Waras und die Frauen wurden gedreht, bevor der Filmemacher sein Land quasi Hals über Kopf verlassen musste. Und sie wurden von ihm an der Universität Freiburg geschnitten und fertiggestellt. „Mir ist es wichtig, dass die Menschen sehen, wie die Lage damals in Afghanistan war – und leider wird sich die Situation der Menschen dort nach den jüngsten Ereignissen noch verschlechtern“, erklärte Nazeri, der seit März in Ketsch lebt.

Fast mit dem Leben bezahlt

Schon immer habe in ihm der Wunsch gelebt, mit Filmen auf schwierige und herausfordernde Situationen aufmerksam zu machen, auch wenn ihn dies, so wie er erklärte, in große Gefahr brachte. „In Afghanistan ist es sehr kompliziert, wenn man beispielsweise einen Film über eine Minderheit dreht, wie ich es bei meiner Dokumentation Lala Hindu tat. Fast hätte ich dies mit meinem Leben bezahlt“, erinnerte sich der 48-Jährige.

Für ihn sei Afghanistan ein Land, das nicht zur Ruhe kommen könne: „In Afghanistan leben sehr viele verschiedene Volksgruppen mit unterschiedlichen Interessen. Es herrscht zudem viel Korruption und finanzielle Hilfen kommen, wenn überhaupt, sehr schwer an. Außerdem liegt Afghanistan strategisch günstig, quasi im Herzen von Asien. Dies macht es zu einem Kontrollpunkt für Transport und Kommunikation. Leider ist Krieg in Afghanistan keine Situation mehr, sondern eher ein Job. Freie Wahlen und Demokratie sind dort nicht existent, genauso wenig wie ausreichend Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Gleichberechtigung von Frauen. Meiner Meinung nach war Afghanistan zu keinem Zeitpunkt ein sicheres Land“, führte Mohammad Hassan Nazeri weiter aus.

Er selbst sei, wie er beschrieb, in höchster Gefahr gewesen, als er einen von der Europäischen Union beauftragten Film über die Massaker in den Jahren zwischen 2008 und 2012 produzierte und musste sein Land umgehend verlassen. „Ich hatte damals meine Produktionsfirma HAFT, was für House of Afghan Film and Theater steht, und mehrere Beschäftigte. Leider sind noch drei meiner Mitarbeiter dort und ich versuche, ihnen zu helfen, dass Land verlassen zu können“, ergänzte Nazeri.

Zweite Version Taliban

Mit seiner Familie habe er regelmäßig Kontakt und sei daher stets über die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan im Bilde. „Zunächst hatten wir die erste Generation Taliban dort, die kamen mit dem Koran und Geld, welches sie für ihre Zwecke einsetzten. Die zweite Version, die nun aktiv ist, hat moderne Waffen“, gibt Mohammad Nazeri zu bedenken.

Festival in Ladenburg initiiert

Mit seinen Filmen hat der gebürtige Afghane, der längere Zeit auch im Iran lebte, bereits internationale Preise gewonnen. „Seit 2013 bin ich in Deutschland. Zum fünften Jahrestag wollte ich dem Land, dass mir nun Sicherheit, Zukunft und Leben ermöglicht, etwas zurückgeben und ich initiierte 2018 ein internationales Filmfestival in Ladenburg“, berichtet der Wahl-Ketscher weiter.

Einen besonderen Weggefährten traf Mohammad Hassan Nazeri im Central Kino in der Enderlegemeinde zudem an diesem Abend wieder. Manfred Kern, der von 2011 bis 2021 Landtagsabgeordneter war, nahm 2014 die Geflohenen, die mit einem Bus nach Schwetzingen kamen, in Empfang. „Ich erinnere mich noch genau, wie Hassan aus dem Bus stieg, denn damals war ich Asylbeauftragter. Es ist schön, dass wir uns nun hier wiedersehen und wir die Filmarbeit von ihm sehen können“, sagte Manfred Kern.

Freie Autorin Freie Journalistin für die Region Rhein-Neckar

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