Ketsch. „Es ist für mich wie eine Reise in meine Kindheit und es macht einfach mega Spaß“, freut sich Anna Solert auf der Backfischfestbühne. Und dass die begnadete Sängerin genau dieses Gefühl auch lebt, zeigen nicht nur die „Adidas Orginal“-Hosen, die sie trägt, sondern auch die Begeisterung, mit der sie die bekanntesten Hits aus dem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends performt.
Es ist der Dienstagabend des Ketscher Backfischfests und das große Zelt im Bruch wird dank der Band Neon zum ultimativen Ort eines musikalischen Revivals der 1990er-Jahre. Gemeinsam mit ihrem Mann Kevin Solert und den Bandmitgliedern Dominik Plieger am Bass, Jonas Wickenhauser am Schlagzeug und Niki Kächele an der Gitarre nimmt die Leadsängerin das Publikum im für unter der Woche gut gefüllten Festzelt mit auf eine unvergessliche Zeitreise.
Denn schon zum Start, der mit etwas Verspätung stattfindet, wird der Spirit der 90er fast greifbar: Baggy-Jeans, Kopftücher oder Nirvana-Shirts lassen keinen Zweifel daran: Neon sind tatsächlich „Kids of the 90s“. Nachdem zunächst die vier Bandmitglieder die Bühne betreten, ertönt aus den Boxen der legendäre Hit von Michael Jackson – „Black or White“ und schon stürmt Anna Solert auf die Bühne und interpretiert den Song von „Jacko“ in unvergleichbarer Manier.
„Gangsta’s Paradise“ und „Ghetto Supastar“: Hip-Hop der 90er auf dem Ketscher Backfischfest
Doch auch ihr Ehemann Kevin beweist im Anschluss, welch vielseitiges Talent in ihm steckt, denn zum Start des „Neon“-Abends auf dem Backfischfest geht es in Richtung East- und West-Coast des US-amerikanischen Hip-Hops. Coolios Megahit „Gangsta’s Paradies“ aus dem Kultfilm „Dangerous Minds“ gibt er genauso eine eigene Note wie kurz danach dem Welthit „Ghetto Supastar“, bei dem er den rappenden Part von Pras Michel übernimmt, während Ehefrau Anna den unvergleichlichen Refrain von Mya mit exzellenter Tongenauigkeit wiedergibt.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum bei den fünf Musikern, die mit weiteren Hip-Hop-Klassikern wie „Hard Knock Life“ von Jay-Z oder dem legendären Song „California Love“ von Tupac, Dr. Dre und weiteren Helden der 1990er, die Stimmung im Festzelt schon früh auf ein hohes Level heben. Auch beim Blick ins Publikum wird klar, dass hier die Kinder der 90er nicht nur auf der Bühne stehen: Bunte Shirts, geflochtene Haare und zeittypische Sonnenbrillen sind durch die Reihen mehrfach zu erkennen.
In diesen ist auch der regional bekannte Musiker Athi Sananikone zu entdecken, der noch im Vorjahr mit seiner Band „Athi.rocks“ für Stimmung im Zelt sorgte. „Neon ist einfach geil“, so der Schwetzinger, dem die Freude an diesem Abend anzusehen ist. Ähnlich sieht es auf der Bühne aus: Denn nach dem Hip-Hop ist vor dem Rock: Blur und Blink 182 folgen und „All the small things“ wird vom Publikum frenetisch mitgesungen.
Wie schon im Vorjahr hat Neon wieder den beliebten „Game Boy Fotospot“ mitgebracht, der schon fleißig genutzt wird. Währenddessen geht es auf der Bühne interaktiv weiter: Anna Solert holt einige Gäste nach oben und schon beginnt der Kulthit „Macarena“, zu dem das ganze Zelt den berühmten Tanz in- und auswendig kann - Bewegung ist angesagt im Bruch.
Party im Ketscher Zelt weckt Erinnerungen an das Glücksgefühle Festival
Die Reise durch die 90er mit Anna und Kevin Solert sowie ihren Bandkollegen geht genreübergreifend weiter: Ein Fanta-4-Medley von Kevin weckt Erinnerungen an das Glücksgefühle Festival, bei dem die Jungs aus Stuttgart den Hockenheimring im vergangenen Jahr in Ekstase versetzten. Währenddessen ist Anna kurz von der Bühne verschwunden, kommt jedoch im knallpinken Outfit wieder, was bedeutet: Es ist Zeit für Aqua mit ihrem All-Time-Favorite „Barbie Girl“.
Begeisterung ist zu spüren und die Brühlerin wird bei ihrem ersten Auftritt mit Neon auf dem Backfischfest zum heimlichen Star des Abends. Dicht gefolgt von ihrem Ehemann Kevin, der - wie es sich für ein Set aus den 90ern gehört - ein Boyband-Medley anstimmt. Beginnend mit N‘Sync kommen die größten Hits der Backstreet Boys: „I want it that Way“, „Larger than Life“ und „Everybody“ bringen das Publikum zurück in die Zeiten der Tamagotchis und Buffalo-Schuhe.
Doch auch abseits ihres musikalischen Könnens beweisen die Solerts und Neon wahres Entertainment-Talent: Kurz vor der Pause gibt es ein kleines Spiel mit zwei Gästen, das an die Kultshow „Familienduell“ angelehnt ist: „100 Leute haben wird gefragt ...“ ist hier die Devise. Ob der Körperteil, den man am häufigsten unbewusst berührt (die Nase) oder den häufigsten Grund für einen Ausraster am PC (Internetausfall) - die beiden Kontrahentinnen Bianca und Kersting beweisen Einfallsreichtum und am Ende gewinnt erstere ein 90er-Fanpaket.
Die Zeitreise geht dann noch furios weiter: Das Duo Roxette mit „Joyride“ und Britney Spears mit „Hit me Baby“ fehlen dabei genauso wenig wie Scooter, Blümchen oder die Britpop-Giganten Oasis mit ihrem Welthit „Wonderwall“. Die Bandbreite von Neon ist dabei beeindruckend: Genreübergreifend zeigt vor allem Anna Solert mit ihren leuchtend blauen Augen ihr Talent.
Die Spice Girls mit „Wannabe“ werden von Neon in gleicher hoher Qualität performt wie „Scatman“ oder „Zombie“ - es ist ein Abend, der jedem Kind der 90er das Herz höherschlagen lässt. Und die Band beweist auch Mut: Sie wagt sich an den aufgrund rechtsradikaler Umdichtungen in die Kritik geratenen Song von Gigi D‘Agostino „L‘amour toujours“ und setzt damit gleichzeitig ein Zeichen: Im Ketscher Zelt sind gute Lieder willkommen und schlechte Neuinterpretationen haben keinen Platz. Der Mut wird belohnt und es kommt zu keinen Zwischenfällen.
Mit einem erneuten Backstreet-Boys-Medley und dem furiosen Finale mit dem Kulthit„I‘m blue“ geht ein Abend zu Ende, der nicht nur für eine unglaubliche musikalische Zeitreise steht, sondern auch beweist: Neon sind mehr als nur die „Kids of the 90s“, sie sind Giganten, deren Künste kein Kind dieses Jahrzehnts verpassen sollte.
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