Ketsch. Ketsch feiert in diesem Jahr sein 875-jähriges Bestehen, die kleine Gemeinde am Rhein wurde erstmals im Jahr 1150 urkundlich erwähnt. Zur Feier dieses historischen Meilensteins luden das Central Kino in Kooperation mit dem Heimat- und Kulturkreis zu einem besonderen Abend ein, der unter dem Titel „Ketscher History“ im örtlichen Kino stattfand.
Die Moderatorinnen Doris Steinbeißer und Caroline Scholl führten durch ein abwechslungsreiches Programm, das Interviews, Gespräche, Bilder und einen Film über den Umzug zur 850-Jahr-Feier im Jahr 2000 umfasste. Dieser Film stellte die Geschichte der Enderlegemeinde nach und bot den Zuschauern einen lebendigen Einblick in die Vergangenheit der Region.
Besonders eindrucksvoll war die Einbindung des Publikums, das aus Alteingesessenen und Zugezogenen bestand. Durch Fragen und Kommentare wurden die Besucher aktiv in die Erzählung der Geschichte einbezogen und konnten ihre eigenen Erinnerungen teilen. So erfuhren die Anwesenden zahlreiche interessante und teils kuriose Details aus der Heimatgeschichte, die hier nur auszugsweise wiedergegeben werden können. Der Abend wurde ausschließlich in Ketscher Mundart gehalten. Musikalisch unterstützten die „Ketscher Blechbuben“, einer Jugendband des Musikvereins 1929 unter der Leitung von Leonard Diehm, den Abend.
Bob Marley als Überleitung zum Hauptthema „Ketsch History“
Eberhard Oehler, Vorsitzender des Central Kino Trägervereins, eröffnete den Abend. Er dankte den Ehrenamtlichen, dass sie seit 13 Jahren ein nahezu vollständiges Programm im Kino anbieten können. Die Blechbuben spielten „Is this love?“ von Bob Marley als Überleitung zum Hauptthema „Ketscher History“.
Ein Zugezogener – oder besser: ein „Neigeblakter“ – ist Timo Wangler, seit 2022 Ketscher Bürgermeister. Caroline Scholl fragte ihn, was sein erster Eindruck von Ketsch war. „Ziemlich flach und keine Berge“, antwortete der ehemalige erfolgreiche Skispringer aus Breitnau im Schwarzwald lachend. Die gute Vereinsstruktur habe ihm sofort sehr gefallen, und so habe er im Verein Fußball gespielt. Er erzählte, dass man früher behauptete, es gebe nichts Anderes als Spargeläcker, aber inzwischen habe man alles, was man brauche.
Er selbst stehe ein für Demokratie und gegen Bürokratie und sollte man ihm eines Tages ein Denkmal errichten, dann bitte nicht mit einer Axt, wie sein Vorgänger im Amt, der alte Schultheiß Enderle, sondern lieber ein Bierfassschlegel, in Erinnerung an die vielen Fassbieranstiche, die er durch das lebendige Vereinsleben in Ketsch machte.
Als die Ketscher Rheinfähre noch fuhr
Man kam auf die Anfänge von Ketsch zu sprechen. Zum besseren Verständnis wurden Bilder auf die Kinowand projiziert. Fotograf Peter Scholz hatte viele Bilder, die auch von seinem Vater Helmut Scholz aufgenommen wurden, beigesteuert und Gabriele Hönig hatte die Story zusammengestellt. Dieter Rey vom Heimat- und Kulturkreis erklärte, dass die Ketscher Rheinfähre, die dem Bischof von Speyer gehörte, eine wesentliche Rolle als Handelsweg zwischen Frankfurt und Basel sowie Neustadt und Heidelberg spielte.
Wegen der Rheinbegradigung wurde die Fähre 1834 nach Brühl verlegt. Die Leute seien früher arm gewesen, lebten als Landwirte, Korbflechter, Fischer und von der Ziegelei. Es gab sogar Goldwäscher, aber sie hatten wenig Glück, erzählte Herbert Burkard, ein Darsteller des Enderle bei den Enderle-Festspielen. In neuer Zeit wurden Spargel- und Tabakanbau wichtig. Es entstanden Zigarrenfabriken, teilweise wurden die Zigarren auch in Heimarbeit von Frauen gerollt.
Wenn auch nicht per Fähre, so war Ketsch schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts in ein „modernes“ Verkehrsnetz eingebunden. Von 1910 bis 1938 fuhr eine Straßenbahn von Ketsch nach Schwetzingen und weiter nach Heidelberg. Etliche Besucher erinnerten sich daran. Eine Eisenbahnlinie verband ab 1902 Ketsch mit Mannheim, sie wurde bis 1966 betrieben. Heute fahren Busse nach Speyer, Mannheim und Schwetzingen.
Ein zentraler Bestandteil der Ketscher Identität ist der Enderle, ein Schultheiß aus dem 16. Jahrhundert, der sich gegen die Obrigkeit und deren rücksichtsloses Verhalten gegenüber den Bauern auflehnte. Als Schäfer-Hannes trug Ralf Kugler das Spottlied aus den Enderlespielen vor und forderte „Freiheit für die Bauern“. Seit 1957 ziert der Enderle das Ketscher Wappen. 1950 wurde seine Geschichte, die zuvor mündlich überliefert wurde, erstmals als Volksschauspiel anlässlich der 800-Jahr-Feier inszeniert.
Erinnerungen an die Ketscher Enderlefestspiele 2010
Diese Festspiele finden seitdem etwa alle zehn Jahre statt, zuletzt im Jahr 2010, da die Pandemie eine Aufführung im Jahr 2020 verhinderte. Alwin Göck, der sowohl als Schauspieler als auch Regisseur an den Festspielen beteiligt war, erinnerte sich an die bis zu 100 Mitwirkenden, die inklusive Fanfaren auf die Bühne gebracht wurden. Die Geschichte vom Pfalzgraf und dem einfachen Ketscher wird darin zusammengefasst. So richtig feierlich wurde es beim „Heimatlied“ aus der Enderlegeschichte, welches auch das Kinopublikum mitsang.
Zum Abschluss wurde der Film vom Festumzug im Jahr 2000 gezeigt, den der inzwischen verstorbene Hans Dieter Gehres gedreht und geschnitten hatte. Jürgen Kappenstein, der damals Amtsleiter war und den Umzug mitorganisiert hatte, kommentierte den Film zusammen mit den Moderatorinnen. Viele der Gäste an diesem Abend waren damals Teil des Umzuges, der neben einem mittelalterlichen Markt anlässlich der 850-Jahrfeier stattfand und Besucher von nah und fern nach Ketsch lockte.
Als schließlich Ulrich Hönig gemeinsam mit den Ketscher Blechbuben das Lied „Ketscher Schlippl“ anstimmte, sang der ganze Kinosaal das Lied von Willi Sommer, welches längst als Ketscher Hymne gilt, mit. Nach zwei Stunden endete der Abend mit einem Gläschen Sekt für die Kinobesucher. Aufgrund des großen Interesses wird die Veranstaltung am Sonntag, 5. Oktober, um 11 Uhr, wiederholt. Restkarten hierzu gibt es noch bei Buch und Manufakturwaren.
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