Ketsch. Im Kaiser-Wilhelm-Koog an der Elbmündung, einem der windreichsten Gebiete Deutschlands, ging am 24. August 1987 der erste deutsche Windpark ans Stromnetz. Der Start erfolgte mit 30 Windenergieanlagen und 1000 Kilowatt Leistung. Der Windpark war in drei Reihen auf einer Fläche von rund 21 Hektar aufgestellt, was einer Fläche von etwa 14 Fußballfeldern entspricht.
Seit einiger Zeit gibt es den Vorschlag des Grünen-Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann, Windräder im Gewann Entenpfuhl auf Schwetzinger Gemarkung unweit von Ketsch aufzustellen (wir berichteten). Wir haben mit dem Staatssekretär im baden-württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft über Windparks und Windenergie im Allgemeinen und den Entenpfuhl im Besonderen gesprochen.
Windenergie für eine erfolgreiche Energiewende – was plant eigentlich das Land Baden-Württemberg?
Andre Baumann: Das Land hat sich im Klimaschutzgesetz zum Ziel gesetzt, bis 2040 Klimaneutralität mit Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Daher ist es zwingend notwendig, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Die Windkraft und Photovoltaik haben das größte Ausbaupotenzial und sind herausragend bei der Treibhausgasminderung. Wir haben im Spätherbst 2021 die „Task-Force erneuerbare Energien“ ins Leben gerufen. Bislang geht’s auch bei uns im Land mit Wind- und Sonnenenergie zu langsam voran. In der Task-Force wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Ausbau im Land massiv zu beschleunigen und in die Fläche zu bringen – bereits mit guten Ergebnissen: Das Genehmigungsverfahren für ein Windrad soll von bundesweit rund sieben bei uns im Land auf rund drei Jahre verkürzt werden.
Dafür wurde das Widerspruchsverfahren abgeschafft und ein „Sonder-Einsatzkommando Erneuerbare Energien“ bei den Regierungspräsidien eingerichtet. Wir haben auf Bundesebene durchgesetzt, dass Windräder zukünftig auch in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden dürfen.
Ganz wichtig ist auch, dass wir auf unseren landeseigenen Flächen Photovoltaik und Windkraft voranbringen. Forst BW hat bereits drei Flächen-Tranchen ausgeschrieben, wo im Staatswald Windkraftanlagen gebaut werden können. Ich bin sehr froh, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien endlich von der Bundesregierung unterstützt werden. In der vergangenen Legislaturperiode fand Bundeswirtschaftsminister Altmaier Erdgas noch „sexy“, Windkraft offensichtlich aber nicht. Die Ampelkoalition hat den Kurs komplett gedreht.
Doch in welchen Regionen des Landes kann der massive Zubau von Windkraftanlagen überhaupt stattfinden?
Baumann: Ich verweise da auf den überarbeiteten Windatlas, der die Flächen darstellt, wo wahrscheinlich ausreichend Wind weht und die Hürden nicht allzu hoch sind. Die Nutzung der Windenergie ist deshalb ein guter Ansatzpunkt zur Deckung des Stromverbrauchs aus regenerativen Quellen, gerade auch in Baden-Württemberg. Auch bei uns gibt es Standorte mit Windverhältnissen, die für die Windstromerzeugung geeignet sind, heißt es dort und die technische Weiterentwicklung der Windenergieanlagen bewirke, dass die Energieproduktion bei immer niedrigeren Windgeschwindigkeiten beginnen kann.
Die Gewinnung von Windstrom im Binnenland hat den Vorteil, dass der Strom direkt in räumlicher Nähe zu den großen Industriekunden und zu den süddeutschen Ballungsräumen erzeugt wird. Damit lassen sich Übertragungsverluste beim Stromtransport vermeiden und Netzengpässe minimieren.“
Warum Windräder auch im Wald und nicht nur auf freien Flächen?
Baumann: Natürlich gilt es, den Wald zu schonen, aber Windkraftanlagen sollten dort errichtet werden, wo möglichst viel Wind weht. Wind weht in der Regel am stärksten auf Bergen und diese sind in Baden-Württemberg meistens bewaldet. Wichtig ist auch, dass viele Flächen für den Windkraftausbau bereitgestellt werden. Darum werden mit dem Staatswald landeseigene Flächen zur Verfügung gestellt.
Im Staatswald hat das Land das Sagen, so auch im Entenpfuhl. Auf der Homepage der Landesanstalt für Umwelt gibt eine interaktive Karte die Entwicklung des Bestands an Windenergieanlagen in Baden-Württemberg seit 2001 wieder, die zu den angegebenen Zeitpunkten jeweils in Betrieb waren beziehungsweise aktuell sind. Nicht enthalten sind außer Betrieb genommene ältere und in der Regel leistungsschwächere Anlagen. Daraus erklärt sich eine mögliche Differenz zwischen dem Zubau und der Gesamtzahl der Anlagen in Betrieb.
Nur zwei Prozent der Landesfläche müssten für die Windenergie ausgewiesen werden, ist das nicht zu wenig?
Baumann: Wenn tatsächlich auf zwei Prozent der Landesfläche Windräder und Solarparks errichtet werden, dann sagen vom Umweltministerium beauftragte Studien, dass wir so das Klimaschutzziel für 2040 erreichen und dass so die Stromversorgung möglichst sicher und preiswert sein wird. Darum haben wir das Zwei-Prozent-Ziel in unserem baden-württembergischen Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Bundesregierung ist in ihrem Koalitionsvertrag uns gefolgt.
Warum ist der Entenpfuhl eine geeignete Fläche?
Baumann: Den Berechnungen des Windatlas zufolge befindet sich dort eine windhöffige Fläche. Außerdem sind dort keine hohen Hürden bekannt, die Windräder ausschließen wie Naturschutzgebiete oder direkt angrenzende Siedlungsgebiete. Aber ob dort Windräder gebaut werden können, muss im konkreten Genehmigungsverfahren geklärt werden.
Wo sind weitere Flächen im Verbreitungsgebiet der Schwetzinger Zeitung denkbar?
Baumann: Im Windatlas Baden-Württemberg sind weitere für Windenergieanlagen geeignete Flächen dargestellt, wie im Reilinger Wald oder direkt östlich des Hockenheimrings. Auf der Internetseite der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) können im Energieatlas Baden-Württemberg die im Rhein-Neckar-Kreis liegenden Potenzialflächen eingesehen werden.
Wer ist für die Umsetzung zuständig, die Kommunen auf ihrer Gemarkung oder das Land?
Baumann: Für die Genehmigung von Windkraftanlagen sind die Unteren Immissionsschutzbehörden zuständig, bei uns das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises. Die Kommunen, deren Gemarkung berührt ist, werden im Verfahren selbstverständlich beteiligt.
Wie hoch sind die Pachteinnahmen?
Baumann: Die Pachteinnahmen hängen vom jeweiligen Standort der Anlage ab und können bei guten Standorten über 200 000 Euro pro Windrad und Jahr betragen. Dazu kommen Gewerbesteuern und Anteile aus der Vergütung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Für Kommunen lohnt es sich also auch ökonomisch, dass sich auf gemeindeeigenen Flächen Windräder drehen.
Welche Fläche würden vier Windräder für den Entenpfuhl einnehmen? Wie würden die installiert?
Baumann: Das ist eine Frage, auf die es verschiedene Antworten gibt. Die Standfläche für ein Windrad ist klein. Nur ein halber bis ein Hektar Fläche wird versiegelt. Werden mehrere Windräder gebaut, dann muss zur nächsten Anlage Abstand gehalten werden. Hier würde natürlich Wald erhalten.
Beim Bau des Windrades werden Waldflächen zeitweise benötigt, die aber wieder aufgeforstet werden können. Im Entenpfuhl könnte dort der Wald aufgebaut werden, der dem Klimawandel trotzen kann. Dauerhaft würden also nur zwei bis vier Hektar Wald verbraucht. Die müssen an anderer Stelle in der Umgebung wieder neu entstehen. So sagt es das Waldgesetz.
Wie schnell würde es gehen, diese Maßnahme für den Entenpfuhl umzusetzen?
Baumann: Die Dauer von der Pro-jektidee bis zur Inbetriebnahme für ein Windkraftvorhaben ist von vielen Faktoren abhängig. Aber ich habe ja gesagt, dass von der Idee bis zur Inbetriebnahme des Windrades nicht mehr als drei Jahre vergehen sollen.
Damit es losgeht, müssten Forst BW für den Entenpfuhl beziehungsweise Landwirte für ihre eigenen Ackerflächen erst mal sagen: Ja, wir wollen hier Windräder. Dann braucht es jemanden, der das Projekt in die Hand nimmt.
Info: Weitere Informationen gibt es unter www.um.baden-wuerttemberg.de/de/startseite/ sowie unter www.energieatlas-bw.de/wind/anlagen-und-potenziale
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