Neulußheim. Wasser, die Quelle allen Lebens auf der Erde, war auch für die 1711 gegründete junge Ansiedlung östlich von Altlußheim immens wichtig. Auch der kleinste Weiler musste täglich mit dem lebensnotwendigen Nass versorgt sein. Der Heimatforscher Heinz Schmitt hat seine Bücher gewälzt und erfahren, wie die kleine Gemeinde Lusshofen die Frage der Wasserversorgung für sich löste. Anfangs wurden gemauerte Brunnenschächte errichtet, um das erforderliche Trink- und Nutzwasser zu beschaffen. Ihre Tiefe reichte von der Erdoberfläche bis zur wasserführenden Schicht, dem Grundwasser. Ziehbrunnen, die mit Wiegebalken ausgerüstet waren und das Wasser mittels eines Schöpfeimers aus dem Brunnen förderte, waren die Regel. Es wurden auch Seilwinden benutzt, um die Schöpfgefäße aus dem Brunnen zu ziehen, wobei die Brunnen in der Regel mit einem hölzernen Schutzdach versehen waren. So ein Ziehbrunnen stand noch vor einigen Jahren auf dem Gelände des Insultheimer Hofes.
Im Zeitalter der Industrialisierung kamen gusseiserne Pumpbrunnen auf den Markt, die durch den Saugvorgang und die Ständerausrichtung mit Pumphebel dem Brunnen ein anderes Aussehen gaben. Für das Tränken des Viehs standen vielfach auch Brunnentröge dabei. In den 50er Jahren gab es solche Brunnen noch für die Grabbewässerung auf dem Friedhof. Kinder fragten damals nicht lange, sie stillten ihren Durst an diesen Brunnen.
Umpflasterung der Dorfbrunnen
Heinz Schmitt hat seinen Unterlagen entnommen, dass sich bereits 1826 vor dem alten Rathaus in der Hockenheimer Straße 9 ein von der Gemeinde Neulußheim errichteter Brunnen stand. Außer diesem Dorfbrunnen gab es noch drei weitere Plätze im Ort, an denen ebenfalls ein öffentlich benutzter Gemeinde-brunnen stand: im Bereich der Bäckerei Bauer in der Altlußheimer Straße, dem "Kinobereich" der damaligen Reilinger Straße, heute St.-Leoner-Straße, und in der Nähe des Gasthauses "Zum Ochsen" in der Waghäuseler Straße. Der Gemeinderat der kleinen Gemeinde unter Bürgermeister Julius Schwesinger genehmigte im Jahr 1848 (958 Einwohner) dem Bürger Heinrich Mutschler den Zuschlag für die Umpflasterung dieser vier Dorfbrunnen.
Mit der Zunahme der Bevölkerung und der damit verbundenen Erweiterung des Ortes entstand auch ein erhöhter Wasserbedarf. Folglich mussten weitere Brunnen, sowohl durch die Gemeinde als auch im privaten Bereich, eingerichtet werden. Familien, die keinen Brunnen besaßen, konnten jetzt auch beim Nachbarn Wasser holen.
Für alle Sachfragen, die Brunnen betrafen, waren der Gemeinderat, der Bürgermeister und das Groß-herzogliche Bezirksamt in Schwet-zingen zuständig. Der Heimathistoriker Heinz Schmitt fand dazu zwei aktenkundige Auszüge aus jener Zeit: Am 22. Juli 1864 schreibt das Großherzogliche Bezirksamt an die Rathausverwaltung Neulußheim, dass der Bürger Max Schmitt die Einrichtung eines weiteren Gemeindebrunnens in der Hockenheimer Straße für erforderlich hält, "da etwa 20 Familien wegen Überlastung des bisherigen Gemeindebrunnens und des zu hohen Zeitaufwandes in der Mittagszeit ihr Wasser aus einem Privatbrunnen holen". Der Gemeinderat stimmte dem Vorschlag zu, "ist jedoch aus finanziellen Gründen derzeit nicht in der Lage, einen weiteren Brunnen einzurichten". Der Antrag wurde zurückgestellt.
Eine spätere Anmahnung wegen mangelhafter Abdeckung einiger Brunnen konnte Bürgermeister Friedrich Saam dem Großherzoglichen Bezirksamt nach Ausbesserung der Abdeckungen im Mai 1899 als erledigt melden. Es wurde auf Einhaltung der "bezirkspolizeilichen Vorgaben vom 10. Mai 1899" sehr geachtet.
Auslösung schlimmer Krankheiten
Es dauerte jedoch noch eine ganze Weile - bis zum Jahre 1927/28 - bis die manuelle Trink- und Brauchwasserversorgung durch das heutige Wasserleitungssystem im Ort abgelöst wurde. Diese Änderung war dringend notwendig, zumal der Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch bereits im Jahr 1883 beweisen konnte, dass die bisherige Wasserversorgung schlimme Krankheiten verursachen konnte: Er hatte herausgefunden, dass der von ihm entdeckte Cholera-Erreger über das Trinkwasser transportiert wurde.
Frisch- wie Brauchwasser produzieren Abwässer, die früher auf fast abenteuerliche Art und Weise entsorgt wurden. Der ebenfalls ortshistorisch versierte Dieter Villhauer hat zu diesem Thema folgendes in Erfahrung gebracht: Die Abwässer aus Küche, Waschküche, der Körperpflege und das Abwasser aus Toiletten und damals noch der Stallungen, gelangten in private Sickergruben, die meist im vorderen Teil der Gärten angelegt waren. Die menschlichen und tierischen Fäkalien wurden in Jauchegruben gesammelt, die in der Regel im Frühjahr als Dünger auf die Äcker verbracht wurden.
Der Boden der Jauchegruben war betoniert, ebenso die Decke, auf der oft Stallmist lagerte. Über einer Aussparung der Decke befand sich das Plumpsklo. Da die Wände der Gruben größtenteils nicht betoniert und nur mit Backsteinen gemauert und verputzt waren, konnten die Jauchegruben niemals völlig dicht sein. Daraus erwuchsen gravierende Probleme bezüglich kontaminiertem Trinkwasser. Im ausgehenden 19. Jahrhundert befanden sich die Jauchegruben in der Nähe der Stallungen und der Standort der Brunnen mit Trinkwasser etwa 10 bis 15 Meter davon entfernt beim Haus. Von der Jauche gelangten vor allem Nitrate ins Grundwasser, die Endprodukte des menschlichen und tierischen Stoffwechsels sind - und erhebliche Krankheiten beim Menschen verursachen.
Heute ist es selbstverständlich, dass beim Aufdrehen des Wasserhahns frisches, sauberes Trinkwasser strömt. Das für Neulußheim und die benachbarten Gemeinden Altlußheim, Reilingen und Hockenheim notwendige Wasser wird aus sieben Brunnen mit einer Tiefe von 30 Metern gefördert. Sechs der Brunnen stehen auf Reilinger und einer auf Altlußheimer Gemarkung im Wald. Der Wasserzweckverband Südkreis Mannheim überprüft ständig die Qualität.
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