Neulußheim. „Ein Teenager wird 50!“ – zur ganz persönlichen „Halbzeitshow“ hat Bewie Bauer in den knallvoll besetzten „Alten Bahnhof“ geladen und das Publikum mal verzückt, mal zumindest gut unterhalten.
Der aus Erding stammende Autor, Produzent und Kabarettist Martin Bauer nutzt sein vergangenes Jahr „mit einer Vier vorne“ für einen meist leichtfüßigen, punktuell auch tiefschürfenden Lebensrückblick: Aufgewachsen in einer Musikerfamilie mit fünf Brüdern als „wirtschaftlicher Doppel-Wumms für jeden Edeka“ hat er sein Herz für Hardrock und Herzchen-E-Gitarre durchaus auch wegen des anderen Geschlechts entdeckt, nämlich „wegen meiner Mama“: Hasenkostüm und Streichelzoo hinter sich lassend ist er zu seiner Lieblingsrockband „Roxette“ gewechselt. Ein erster Kracher, als Bauer Guns N‘ Roses mit „Paradise City“ in Schmalzversion bringt. Danach hat sich bei dem smarten Endvierziger, dem man seine Lebensjahre wirklich nicht ansieht, ein manifestes „G.A.S.“ entwickelt: Ein „Gear Acquisition Syndrome“, unter dem der Fachmann – zumindest scherzhaft – das übermäßige Kaufen, Sammeln und Horten von Musikinstrumenten versteht.
Kein Wunder, dass er beim oberfränkischen Thomann, dem weltweit größten Musikalienhandel, Stammkunde ist – zack! Eine vielbejubelte Papst-Benedikt-Parodie, der ja auch Teil einer Rockband gewesen sei: „Der Sixtinischen Kapelle“.
Zwischen seine kurzen und meist auch kurzweiligen Lebensereignisse zwischen Sportunterricht in Strumpfhosen („aus 50er Schmirgelpapier“) und Klassentreffen als „Danger-Seeker“, streut der wirklich grandiose Gitarrist nicht nur kurze – und leider viel zu leise und deshalb nicht wie gewünscht durchschlagende – Passagen kultiger Rocksongs von Iron Maiden, AC/DC oder den Red Hot Chili Peppers, sondern auch einige eigene Lieder, mit denen er höchst aktuell den Zeitgeist verarbeitet: „Wer am lautesten plärrt, wird g‘hert“ ist zwar schon von 2018 entstanden – als er damit ins Halbfinale des ORF-Radio-FM4-Protestsongcontests kam – wirkt aber angesichts des aktuellen Geschachers im Bundestag aktueller denn je. „Ich brauch kein Tattoo“ singt er mit Blick auf den Körperwahn, „Ich kann alles nur ein bisschen“ als bescheidenes Fazit einer selbstgerechten Gegenwart und „Der perfekte Kompromiss“ als musikalische Innenansicht einer Gesellschaft in Auflösung.
Bewie Bauer in Neulußheim: Urkomisch – mit Längen
Diese Lieder und seine wirklich herausragend guten Parodien, bei denen er mit ein wenig Veränderung in der Sprache, zwei drei Requisiten und gezielter Anpassung der Körperhaltung in skurrile Rollen wie den Kulturvereins-Chef „Schelli-Schorsch“, den Aluhut-Schwurbler „Specki“ (mit einem genialen Lied „Neilich hob i g‘hert“) oder den Bürgermeister Hans Rampfinger schlüpft, der – „endlich ein Mann der klaren Worte, der versteht, wie man auch komplizierte Sachverhalte unverständlich ausdrückt“ – in typischer Politiker-Rhetorik brabbelt.
Umwerfend und seit 2021 ein Markenzeichen Bauers: Seine Parodien um Gesundheitsminister Karl Lauterbach, mit denen er nicht nur auf TikTok viral gegangen, sondern auch regelmäßig in der BR-Fernsehsendung „Grünwald Freitagscomedy“ zu Gast ist. Diesmal hat der „knuddelige Karl“ mithilfe des RKI („Robert-Kuppel-Institut“) eine neue Freundin gefunden, bei der er sein „Spike-Protein andocken kann“: Elisabeth konnte er mit „exponentiellem Wachstum im Lendenbereich“ und seiner jahrelangen Leichtathletik-Erfahrung imponieren – „als Speer“. In der durch Lach-Gebrüll mehrfach unterbrochenen Glanznummer hat Bauer unter Beweis gestellt: „Ich bin kein stilles Wasser, sondern ein lauter Bach“.
Man hätte sich allerdings das Programm mehr auf diese herausragend guten Einlagen verdichtet gewünscht. Bewie Bauers komödiantische Autobiografie zwischen Playboy und Apotheken-Umschau hatte nämlich auch zahlreiche Längen, mit denen sich der an anderen Stellen so ausdrucksstarke und urkomische Musik-Comedien allzu lange aufhielt. Das verwundert angesichts der Tatsache, dass Bauer nicht nur mit dem Duo-Programm „Bauer und Stelzner“ zusammen mit dem Chemnitzer Journalisten und Autoren Christoph Stelzner mehrere Kabarett-Preise abräumte, sondern auch als „Bewie“ schon seit 2017 unterwegs ist. Was ihm fehlen dürfte, ist ein „Pseudo-Zuschauer“, der im Vorfeld das Programm auf das Wesentliche destilliert. Denn das findet sich und dann kann er das ganz anders: Neben seinem Lauterbach, der fraglos das Highlight des Abends war, hat Bauer auch ganz bemerkenswerte Erkenntnisse über den ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß geschöpft („Der hat schon Fake-News gemacht, als es noch nicht in war“), die „Querdenker“-Szene enttarnt („Die glauben an Ufos, aber nicht an Deo“) und das „1 x 1 des Lebens als kontinuierliche Konstante ins Ungewisse“ umschrieben – herrlich.
Am Ende eines durchaus unterhaltsamen Abends mit zahlreichen echten Kracher-Pointen bleibt – durchaus mit Bedauern ob der Talente, die in Martin Bauer stecken – die von „Schelli-Schorsch“ verkörperte Künstler-Vorstellung: Bewie Bauer ist einer, „den man in der breiten Öffentlichkeit praktisch überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat“.
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