Neulußheim. Fleißig wie ein Bienchen - das trifft hier im Hockenheimer Rheinbogen voll und ganz zu. Und zwar nicht nur auf die zahlreichen Bienenvölker des Neulußheimer Imkers Jürgen Ullrich, in denen jedes Tier seine feste Aufgabe hat, sondern auch auf seinen Auszubildenden Johannes Rösch. Der 21-Jährige lernt seit September von der Pike auf das Handwerk der Bienenhaltung. Ein Beruf mit ungewissen Zukunftsaussichten, eine Arbeit, die stets mit Risiko einhergeht. Und dennoch kann sich Johannes Rösch keinen anderen Beruf vorstellen als Tierwirt der Fachrichtung Imkerei.
"Es macht mir einfach Spaß, draußen in der Natur zu sein", berichtet er davon, wie er bereits zu Schulzeiten erste Bekanntschaft mit der Imkerei machte. "Bei uns an der Schule gab es früher einen Bienenkurs, eine AG, an der ich teilgenommen habe. Da wurde mir klar, dass ich Imker werden will", berichtet der junge Mann, der eigentlich aus Waldkirch bei Freiburg kommt. Dass er dort nicht bleiben kann, wurde ihm bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz schnell klar: Hauptberufliche Imker gibt es nämlich kaum mehr, geschweige denn welche, die ausbilden. "Mein letzter Lehrling, der 2015 die Gesellenprüfung abgelegt hat, war einer von 14 Gesellen bundesweit", berichtet Jürgen Ullrich, der das Neulußheimer Familienunternehmen in dritter Generation führt. Sein Großvater hat vor 50 Jahren mit der Imkerei begonnen, zur Haupterwerbstätigkeit seiner Eltern wurde sie 1995. Johannes Rösch ist nun der zweite Auszubildende des 34-jährigen Tierwirtschaftsmeisters.
"Wir brauchen junge Menschen, die diesen Beruf lernen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben", weiß der Ausbilder, dass andernfalls auf Dauer viel Know-how verloren geht. Die Tätigkeiten von Johannes Rösch sind vielseitig. Drei Lehrjahre hat er bis zu seiner Prüfung zu durchlaufen, das erste komplett im Betrieb, im zweiten und dritten Ausbildungsjahr geht es im Blockunterricht auch in die Berufsschule ins niedersächsische Celle - die deutschlandweit einzig übriggebliebene Schule für diesen Beruf. Hier steht die Vermittlung von theoretischem Wissen im Ausbildungsplan - etwa über Bienenkrankheiten und Bienenzucht.
Vorfreude auf die Ernte
Im Hockenheimer Rheinbogen nähert sich Johannes Rösch gerade mit Jürgen Ullrich den Bienenvölkern. Der 21-Jährige trägt einen Schutzanzug. "Heute wollen wir die Brutwaben rausnehmen", erklärt Ullrich und Johannes Rösch greift ihm unter die Arme. Wie oft er seit September wohl von Bienen gestochen wurde? "Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, das gehört zu dem Beruf eben dazu", sagt der Azubi lachend. Die nun bevorstehende Ernte ist die erste für den Waldkircher. In den Wintermonaten, wenn die Bienen Pause haben, stehen andere Aktivitäten auf dem Programm.
"Da machen wir vorbereitende Aktivitäten", berichtet der junge Mann von Reparaturen der Bienenkästen und vom Herstellen von Mittelwänden für die Kästen. Auch auf Weihnachtsmärkten, wo der hauseigene Honig und Honigprodukte wie Wein, Bonbons und Gummibärchen verkauft werden, war Johannes Rösch anzutreffen - etwa in Schwetzingen und Bad Wimpfen. Der Verkauf auf Wochen- und Bauernmärkten ist bei Jürgen Ullrich fester Bestandteil der Ausbildung. So lernen die Auszubildenden den kompletten Kreislauf des Geschäfts kennen.
Der beginnt mit der Zucht und Haltung der Bienen, führt über die Ernte und Wachsverarbeitung bis hin zum Abfüllen des Honigs in Gläser und Ausliefern an Hofläden. Der Johanneshof in Hockenheim sowie der Obsthof Hoffmann in Neulußheim gehören zu den Abnehmern der Imkerei Ullrich.
Überschuss ist für den Menschen
Die Anzahl seiner Bienenvölker beziffert der Chef mit "im niedrigen dreistelligen Bereich". Rund 50 000 Tiere gehören einem Volk an. Und die schaffen, schaffen und schaffen. Immer wieder schwärmen sie aus, auf der Suche nach einer Blüte und kommen mit Nektar zurück, den sie im Bienenstock abladen und dort zu Honig weiterverarbeiten, unter anderem, indem sie ihm Wasser entziehen. "Der Honig bleibt sehr lange im Volk drin, er gehört den Bienen. Dem Menschen gehört nur der Überschuss", ist es Jürgen Ullrich wichtig, dass sich seine Tiere wohlfühlen. "Wenn die Mitarbeiter glücklich sind, dann ist auch der Chef glücklich - und die Bienen sind zweifellos unsere Mitarbeiter."
Zu den Bienen gehen er und sein Azubi daher nur, wenn es wirklich nötig ist. Die Völker sollen so wenig wie möglich in ihrem hoch sozial ausgeprägten Staat gestört werden. Bei Temperaturen ab 18 Grad Celsius gehört die regelmäßig Schwarmkontrolle zu den Aufgaben der beiden. Hierbei wird die Drohnenbrut entnommen und Königinnenzellen werden gebrochen, um ein Ausschwärmen eines Volkes zu verhindern. "Denn durch Schwärmen kann man sonst ganze Völker verlieren", so Ullrich. Und das macht sich in der Honigernte bemerkbar.
Wirtschaftlich besteht bei Imkern ohnehin dasselbe Risiko wie bei Landwirten. "Man muss immer mit dem Risiko einer schlechten Ernte rechnen", erklärt Jürgen Ullrich. Umso wichtiger ist ihm die Völkerbeurteilung, um die Bedürfnisse der Honigbienen kennenzulernen und stillen zu können. Auch hier, etwa beim Bewerten, ob der Platz für ein Volk ausreichend ist oder erweitert werden muss, wird Johannes Rösch eingebunden. Und bei den Fahrten an andere Standorte, die nachts stattfinden, wenn die Bienen ruhen. Dann geht es per Anhänger in den Odenwald, Schwarzwald und Pfälzer Wald - je nachdem, wo es gerade blüht, wo Arbeit auf die fleißigen Bienchen warten. So entstehen dann die verschiedenen Honigsorten, etwa Wald-, Akazien- und Wiesenhonig. Zehn Sorten produziert und verkauft die Imkerei Ullrich.
Die Arbeitstage für Johannes Rösch und seinen Chef sind in der Hauptsaison lange - und aufgrund des Wetters immer nur drei Tage im Voraus planbar. Flexibilität ist für den Azubi jedoch kein Problem. Er hat Spaß an dem, was er täglich in der Praxis lernt - so etwa bald dann den Umgang mit der Honigschleuder. Die kommt zum Einsatz, um den Honig auf den Waben zu bekommen (bis zu zwei Kilogramm pro Wabe). Zuvor muss Johannes allerdings noch den Wachsdeckel entfernen, mit dem die Bienen die Wabe verschließen. Das Wachs wird später zu Kerzen verarbeitet.
Irgendwann würde er sich gern ebenfalls als Imker selbstständig machen, verrät Johannes Rösch, der es liebt, mit Bienen zu arbeiten. Die Anzahl der wilden Bienen hat in den vergangenen Jahren stark abgenommen - sei es durch die eingeschleppte Varroamilbe oder den Einsatz von Pestiziden. "Wenn das Ökosystem der Bienen gestört wird, etwa durch Nervengifte, können ganze Völker sterben", bedauert Jürgen Ullrich.
Übernahme nicht sicher
Gerne würde er seinen Azubi nach der Ausbildung übernehmen. Eine Garantie kann er dem 21-Jährigen allerdings heute nicht geben. Er würde sein Betriebsgebäude in Altlußheim gerne erweitern, um die Imkerei vergrößern zu können. Die Behörden stellen sich bisher quer. "Wenn ich nicht erweitern kann, kann ich keinen Imker einstellen, weil ich ihm keinen angemessenen Lohn zahlen kann", weiß der Neulußheimer, dass die Zukunft seines Betriebs am seidenen Faden hängt.
Die Schattenseiten des ausgefallenen Berufs lernt Johannes Rösch in der Ausbildung also ebenfalls kennen. Sie sind nicht schön, aber sie gehören auch irgendwie dazu - zu einer Arbeit, zu deren Begleiter das Risiko geworden ist und für die sich der Waldkircher entschieden hat.
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