Jahresgedächtnis

Erinnerungen an den Musiker und Dirigenten Klaus Eisenmann

Der Neulußheimer Kulturaktivist Wolfgang Treiber blickt in persönlichen Worten auf das Leben seines vor einem Jahr verstorbenen Freundes zurück.

Von 
Matthias Mühleisen
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Das Stamitz-Orchester, hier bei einer Probe im Börsensaal, war eines der vielen Projekte von Klaus Eisenmann, zu denen ihn sein Neulußheimer Freund Wolfgang Treiber häufig begleitete. © Markus Prosswitz

Neulußheim. Ein Leben für die Musik ist vor einem Jahr zu Ende gegangen. Professor Klaus Eisenmann, bekannt unter anderem als langjähriger Leiter des Stamitz-Orchesters Mannheim und des Bruchsaler Jugendorchesters, verstarb am 21. Oktober 2024 im Alter von 84 Jahren. Der Neulußheimer, den sein Beruf und seine Leidenschaft an viele Orte geführt haben, bereicherte vor allem in seinem letzten Lebensabschnitt auch seine Heimatregion mit Konzerten. Aus Anlass seines ersten Todestags erinnert sich Wolfgang Treiber, für die Kultur in Neulußheim vielfach engagiert, an seinen Freund:

Immer, wenn ich an seinem Haus vorübergehe, das nur zwei Straßen von unserem entfernt steht, erinnere ich mich daran, wie stets Klaviermusik durch die Fenster tönte, weil Klaus am Flügel saß, und alle Stücke übte, die beim nächsten Konzert aufgeführt werden sollten, um sie praktisch auswendig dirigieren zu können.

Nach Lehre zum Klavierbauer Stipendium für Klavier erhalten

Und dann denke ich daran zurück, als ich Klaus vor 65 Jahren zum ersten Mal begegnet bin. Ich war 20 Jahre alt, auf einer Party mit vielen jungen Leuten im elterlichen Haus in Schriesheim sah ich ihn zum ersten Mal. Mein Bruder Gerhard und er studierten beide Dirigieren und Klavier an der Musikhochschule Mannheim. Nach der Lehre zum Klavierbauer hatte Klaus ein Stipendium für Klavier bekommen und wechselte später zum Dirigieren.

Klaus Eisenmann ist am 21. Oktober 2024 im Alter von 84 Jahren verstorben. © Archiv Eisenmann

Schon in der Studienzeit leitete er den Reilinger Kirchenchor, dem er 20 Jahre lang verbunden blieb. Nach dem Examen erhielt Klaus Eisenmann eine Anstellung am Nationaltheater als Korrepetitor. Wechselte dann als Dirigent ans städtische Theater Darmstadt und der weitere Weg führte ihn als Kapellmeister ans Staatstheater Lübeck. Weil es eben dort so gut gefiel, erwarb er in der Holsteinischen Schweiz ein Haus am See, das er mir auf einer Erinnerungstour an seine frühere Dienstzeit später zeigte. Er hat es aber nie selbst bewohnt, weil er den Kontakt zu seiner in Neulußheim lebenden Mutter nicht abbrechen wollte. Von Lübeck aus und bekam er den Ruf ans Theater in Pforzheim als Generalmusikdirektor, wo er von 1978 bis 1997 tätig war. In dieser Zeit - er war um die 50 Jahre alt - lernte er seine Frau Miriam kennen in seiner Eigenschaft als Chorleiter neben seinem Hauptberuf.

Wiedersehen in Neulußheim nach vielen Jahren durch Heirat

Klaus Eisenmann und ich sind beide 1940 geboren. Und als ich 1985 durch Heirat von Schriesheim nach Neulußheim umzog, traf ich ihn dort wieder, der nur zwei Straßen entfernt von mir mit seiner Ehefrau im elterlichen Haus wohnte. Seine Mutter und die meiner Ehefrau waren Schulkameradinnen gewesen. Seit diesem Wiedersehen wurde der Kontakt wieder aufgenommen und wir blieben bis zu seinem Tod freundschaftlich miteinander verbunden.

1981 bekam Klaus einen Ruf an die Musikhochschule Mannheim und eine Professur im Fach Dirigieren. Weil 2002 eine Professorin wegen Krankheit für lange Zeit ausgefallen war, übertrug man ihm zusätzlich zwei Jahre lang die Leitung der Opernschule. Davon konnten auch meine Frau und ich profitieren, weil wir bei vielen Proben, Prüfungen und Aufführungen der Studierenden dabei sein durften, etwa bei einer Opernaufführung unterhalb des Apollotempels im Schwetzinger Schlossgarten oder bei Abschlussprüfungen in Baden-Baden, Aufführungen im Pfalzbau Ludwigshafen und vielem mehr. Bei Geburtstagsfeiern konnten wir Gesangsstudenten engagieren, die die Feierlichkeiten durch ihren Beitrag zum Beispiel in Form von Koloraturarien, begleitet von Klaus am Klavier, bereicherten.

Als eine Konzertagentur aus München Klaus Eisenmann als Chefdirigent anwarb, um Tourneen in Deutschland mit Gastorchestern aus osteuropäischen Ländern durchzuführen, durfte ich ihn dabei sehr oft begleiten. Da diese Tourneen mit Bussen durchgeführt wurden, er aber lieber im eigenen Pkw reiste, löste ich ihn häufig beim Fahren ab oder chauffierte ihn nach dem Konzert nach Hause.

Großartige Konzerte mit dem Bruchsaler Jugendsinfonieorchester

Ich stamme zwar aus einer „Musikerdynastie“ von Komponisten, Dirigenten, Chorleitern, Musiklehrern und Berufsmusikern, bin aber als schwarzes Schaf völlig unmusikalisch. Dafür höre ich aber Musik für mein Leben gern. Seine Chorleitertätigkeit in Heidelsheim bei Bruchsal brachte Klaus Eisenmann über den damaligen Oberbürgermeister Bruchsals die Leitung des städtischen Jugendmusikorchesters ein. Mit diesen jungen Musikern führte er jährlich großartige Konzerte vor stets ausverkauftem Haus auf, die wir immer mit Begeisterung besuchten. Dazu kamen jährliche einwöchige Konzertreisen ins Ausland, zu denen das Jugendsinfonieorchester aufgrund seiner guten Leistungen unter der Leitung Eisenmanns ausgewählt wurde. Auch in der evangelischen Kirche Neulußheim konzertierte das Bruchsaler Jugendsinfonieorchester zweimal.

Wolfgang Treiber kannte Klaus Eisenmann fast 65 Jahre lang. © Dorothea Lenhardt

Bei den Festspielen auf der Burg Zwingenberg am Neckar unter der Schirmherrschaft des Besitzers, seiner Hoheit des Großherzogs von Baden, dirigierte, Klaus Eisenmann jahrzehntelang Opern wie „Der Freischütz“ und „Carmen“ mit Musikern aus verschiedenen Orchestern und Sängern aus mehreren Theatern sowie einem Festspielchor aus Mitgliedern verschiedener zusammengeführter Chöre, die zu einer musikalischen Einheit zu bringen eine schwierige Aufgabe war.

Bei den Proben war ich immer dabei, wobei wir auch die schöne Anfahrt durch den Odenwald genossen haben. Als Klaus in dieser heißen Sommerzeit der Festspiele nach einer Orchesterprobe einmal dehydriert war, drohte er auf der Burgmauer sitzend rückwärts in den 30 Meter tiefen Abgrund zu stürzen und wurde nur durch ein Orchestermitglied gerettet, das ihn am Bein packte.

Auf Spuren des Vaters in Zoppot gewandelt

In seiner Eigenschaft als Mitglied des Lions Clubs kam eine Reise nach Danzig zustande, wo Eisenmann mit einem polnischen Orchester eine Oper einstudierte. Auch dahin durfte ich ihn begleiten. Klaus berichtete mir damals ganz stolz, dass er der erste deutsche Dirigent sei, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Zoppot auf der berühmten Waldbühne eine Wagneroper aufführen durfte. Mein Vater war vor dem Zweiten Weltkrieg selbst Dirigent im Sommer bei Kurkonzerten in Zoppot gewesen. So konnte ich dank Klaus die damalige Wirkungsstätte besuchen und auf den Spuren meines Vaters wandeln.

Auf einer Reise nach Budapest ging es um die Zusammenführung von Musikern aus verschiedenen Orchester und gemeinsame Proben als Vorbereitung für eine Deutschlandtournee. So hatte ich eine ganze Woche Zeit, um die Stadt zu erkunden. Weitere Höhepunkte im musikalischen Zusammenleben mit Klaus Eisenmann waren die Konzerte mit dem 1750 von Johann Stamitz in Mannheim gegründeten Stamitzorchesters. Klaus Eisenmann baute als Dirigent dieses Laienorchester in 16 Jahren so hervorragend auf, dass es professionelle Qualität bei den Konzerten zeigte. Alle Auftritte des Ensembles mit über 80 Musikern, die im Rosengarten in Mannheim und im Schlosspark von Neckarhausen aufgeführt wurden, haben meine Frau und ich besucht. Eine Besonderheit des Parks war es, dass sich dort eine große Kolonie von Hunderten grüner Papageienvögeln angesiedelt hatte, die mit ihrem lauten Geschrei das Orchester übertönten, sodass das Konzert in spätere Abendstunden verlegt werden musste, wenn die Vogelpopulation schon schlief.

„Klassik am Rhein“ bringt Open-Air-Konzerte nach Altlußheim

Etwas Besonderes und ein musikalischer Leckerbissen waren die Eisenmannschen Hauskonzerte. Die kammermusikalischen Auftritte mit ausgesuchten Musikern des Stamitzorchesters und Klaus Eisenmann als Pianist am Flügel haben wir als Zuhörer immer sehr genossen - genau wie das anschließende Zusammensein im wunderschönen Gärten ihres Heims. Der damalige Bürgermeister von Neulußheim Gerhardt Greiner hat es finanziell ermöglicht, dass Klaus während einer Deutschlandtournee mit einem ungarischen Orchester an einem spielfreien Tag in der Lußhardthalle ein Zusatzkonzert geben konnte, das Klaus ehrenamtlich dirigierte. Bei der „Klassik am Rhein“ in Altlußheim führte er auf einer bombastisch und überdachten Bühne, für die 20.000 Euro von örtlichen Unternehmen gestiftet worden waren, mit dem Stamitzorchester in zwei Jahren große Open-Air-Konzerte mit klassischer Musik auf.

Im Jahr 2023 erkrankte Klaus Eisenmann schwer und konnte das Krankenlager bis zu seinem Tod im Oktober 2024 kaum mehr verlassen. Es waren nur kurze Krankenbesuche möglich, aber ich konnte mich noch von ihm verabschieden. Auch für mich war es eine schwere Zeit, da ich oft an seinem Haus vorbeikam, selbst noch kerngesund, aber nie mehr das Klavierspiel von Klaus Eisenmann an seinem Flügel hörte.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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