Neulußheim. Heike Bade kann nur den Kopf schütteln. Bereits vor 15 Jahren war sie überrascht, als man von ihr eine "Negativbescheinigung" forderte, um für ihre Tochter Lara ein Sparbuch zu eröffnen. "Der Titel ,Negativbescheinigung' hat mich damals dermaßen schockiert, dass ich solch eine Bescheinigung nie mehr beantragen wollte", erinnert sich die Neulußheimerin. Doch gerade kürzlich wiederholte sich das Szenario: Lara wird im Februar volljährig, will ihren Führerschein machen. Der entsprechende Antrag mit sämtlichen Unterlagen kam jedoch von der Führerscheinstelle wieder zurück - weil Heike Bade als Erziehungsberechtigte den Antrag allein unterschrieben hatte, die zweite Unterschrift fehlte. Dabei ist Bade seit Laras Geburt alleinsorgeberechtigt. Die dem Antrag angehängte Geburtsurkunde hat die Behörde nicht überzeugt.
"Warum wird Alleinsorgeberechtigten misstraut?", fragt sich die Sozialpädagogin - wo ihnen doch im Alltag die alleinige Verantwortung für ein Kind zugetraut wird. Warum wird bei zwei Unterschriften keiner stutzig und fragt nach entsprechendem Beleg für das entsprechende Sorgerecht? Heike Bade und ihrer Tochter Lara fehlt dafür das Verständnis. Sogar eine eidesstattliche Erklärung über das alleinige Sorgerecht hat die Mutter der Behörde angeboten. Das Angebot wurde abgelehnt. Notgedrungen musste eine Negativbescheinigung beim Jugendamt am Geburtsort von Lara eingeholt werden. Diese erklärt, dass bis zum heutigen Tag niemand anderes eine Sorgeerklärung abgegeben hat. Die theoretische Führerscheinprüfung verschob sich durch das Prozedere um einige Wochen nach hinten.
"Hier besteht Handlungsbedarf"
Hilfesuchend wandte sich die Neulußheimerin an unsere Zeitung. Nicht nur aus persönlicher Betroffenheit - mit Laras Volljährigkeit in wenigen Monaten wird sich das Problem für Heike Bade gelöst haben. Viel mehr sieht sie in der Verfahrensweise an sich dringenden Handlungsbedarf, da dadurch in ihren Augen Alleinsorgeberechtigte diskriminiert werden.
Nach der entsprechenden rechtlichen Grundlage, auf der dieses Vorgehen basiert, fragte die Sozialpädagogin Landrat Dallinger. "Gemäß Paragraf 48 a Absatz 1 der Fahrerlaubnisverordnung ist bei einem solchen Antrag die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich", reagierte das Landratsamt in einem Antwortschreiben und verwies auf Paragraf 1629 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der die Vertretung des Kindes regelt. "Dabei heißt es da: Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt", stellte Heike Bade beim Nachschlagen fest.
Das Thema ist komplex. Die Handhabe unterschiedlich. Das weiß auch Pressesprecherin Silke Hartmann vom Rhein-Neckar-Kreis. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt sie, dass Behörden, Ärzte, Schulen und weitere Einrichtungen bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung die Zustimmung beider Elternteile etwa in Form einer Unterschrift einholen, um sich abzusichern. Denn seit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 gehe man nach Trennung und Scheidung in der Regel von einem gemeinsamen Sorgerecht beider Elternteile aus, so Hartmann und fährt fort: "Allein sorgeberechtigte Elternteile kommen somit in die Situation einen Beleg zu erbringen, dass sie das alleinige Sorgerecht haben."
Stellen können frei entscheiden
Genau diesen Beleg erbringt nach Paragraf 58 a des achten Buches des Sozialgesetzbuches die sogenannte Negativbescheinigung, die vom Jugendamt am Geburtsort des Kindes ausgestellt wird. "Das Jugendamt hat die Aufgabe und Pflicht, die alleinsorgeberechtigte Mutter zu unterstützen, ihrer Nachweispflicht nachzukommen, indem es ihr die sogenannte Negativbescheinigung ausstellt", erklärt Silke Hartmann. Einfluss darauf, ob Institutionen eine solche verlangen, hat das Jugendamt jedoch nicht. "Das liegt allein in der Verantwortung der Stellen, die diese verlangen", so die Pressesprecherin.
Das erklärt, weshalb Heike Bade in fast 18 Jahren erst zweimal eine Bescheinigung dieser Art anfordern musste. "Sie haben Spielraum, können, aber müssen nicht auf Nummer sicher gehen", versteht sie - ärgert sich aber dennoch über den zusätzlichen Aufwand, der mit der Anforderung dieses Nachweises für Alleinsorgeberechtigte einhergeht und dem Misstrauen gegenüber einer Unterschrift.
Von anderen Patchworkfamilien hat sie inzwischen erfahren, dass dieser Aufwand gelegentlich umgangen wird, indem einfach der jeweils neue Partner die zweite Unterschrift tätigt, auch wenn dieser nicht sorgeberechtigt ist. "Eine zweite Unterschrift wird ja nicht angezweifelt oder überprüft", sagt Heike Bade. Denn es gilt das Regel-Ausnahme-Prinzip: Zwei Unterschriften sind die Regel. Bei nur einer muss die Behörde nach Paragraf 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - der sogenannte Untersuchungsgrundsatz - nachhaken. "Dazu ist sie verpflichtet", erklärt Landtagsabgeordnete Rosa Grünstein, an die sich Heike Bade ebenfalls gewandt hat.
Der Untersuchungsgrundsatz sei die Rechtslage für die Nachfrage des Landratsamtes, mit dem sich die SPD-Politikerin aufgrund Bades Nachfrage in Verbindung gesetzt hat. "Natürlich muss die Behörde ihrem Auftrag nachgehen und natürlich dürfen allein erziehungsberechtigte Eltern nicht diskriminiert werden", sagt Grünstein, die jedoch auch nicht leugnet, dass allein die Begriffsverwendung "Negativbescheinigung" etwas Ablehnendes impliziert.
"Allein das Wort ist schon diskriminierend", findet Heike Bade - hoffend, dass sich in diesem Bereich langfristig etwas ändert und Alleinsorgeberechtigten der Alltag durch die Bürokratie nicht schwerer gemacht wird, als er durch die alleinige Verantwortung für ein Kind ohnehin schon ist.
Zum Thema
Eine Negativbescheinigung, die beim Jugendamt des Geburtsortes des Kindes beantragt werden muss, belegt, dass bis zum Tag der Ausstellung des Dokuments niemand anderes eine Sorgeerklärung für das Kind abgegeben hat.
Da theoretisch jederzeit der andere Elternteil des Kindes eine Sorgeerklärung abgeben kann, muss das Dokument für jedes Verfahren neu ausgestellt werden und hat keine dauerhafte Gültigkeit.
Die Negativbescheinigung berührt jedoch nur das Leben der Alleinsorgeberechtigten. Bei Alleinerziehenden, die sich das Sorgerecht mit jemandem teilen, muss dieser Nachweis nicht erbracht werden.
Sind sie auch allein sorgeberechtigt und haben ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff "Sorgerecht" an sz-redaktion@schwetzinger- zeitung.de. vs
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