Alter Bahnhof

Kabarettist Roland Maier tritt in Neulußheim auf

Kabarettist Roland Maier aus Österreich zieht im Alten Bahnhof in Neulußheim sehr charmant über die Gesellschaft her – und über seine Ehefrau.

Von 
Jakob Roth
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Roland Maier sieht die Realsatire im Alltag und lässt seine Zuschauer gerne daran teilhaben. © Lenhardt

Neulußheim. Der österreichische Lehrer und Schriftsteller Ernst Ferstl sagte einmal den berühmten Satz „Wir leben in einer verrückten Zeit.“ Als der Kleinkünstler Roland Maier im Alten Bahnhof Neulußheim sein Kabarettprogramm präsentierte, gewann dieses Zitat noch einmal an Aktualität, denn Maier beobachtet in den kleinsten gesamtgesellschaftlichen Unzulänglichkeiten Formen der Realsatire.

Um dies aufzuzeigen, versteckt er stets ein übergeordnetes politisches oder gesellschaftliches Problem hinter charmant erzählten Alltagsgeschichten. Seine Anekdoten und Beobachtungen wirken stellenweise wie kleine, mit Bedacht geschriebene Parabeln. Die zum Teil großen inhaltlichen Bögen seiner Erzählungen erscheinen nie langweilig, sondern höchst lebendig. Dabei benötigt er weder Requisiten noch Bühnenbild, es reichen ein Mikrofon samt Stehtisch.

Wenn Roland Maier sein Kabarett spielt, lauert das dystopische Zukunftsszenario an jeder Ecke, mal realistisch und manchmal in etwas überspitzter Form. Als er auf das deutsche Sozialsystem und auf drohende Altersarmut zu sprechen kommt, wusste das Publikum dann stellenweise auch nicht, ob es lachen oder weinen soll.

Hartes Rentnerleben

Maier ist seit einiger Zeit selbst Rentner und nimmt „an der Volkswirtschaft nur noch als Konsument teil“. Deshalb erlebt er nun am eigenen Leib, wie schwierig dieser Lebensabschnitt sein kann. Für die Sicherung der künftigen Rentenzahlungen hat er jedoch schon jetzt eine Lösung parat: „Am besten weist man in Zukunft einfach jedem Beitragszahler einen persönlichen Rentner samt Lebenslauf und Anschrift zu“, scherzt Maier. „Oder die Menschen arbeiten bis 85 im Tiefbau und verlegen Glasfaserkabel in Neulußheim“, fügte er hinzu und erntete Szenenapplaus.

Als wäre das Leben als Rentner nicht schon schwer genug, treibt ihn seine Frau Ilse jeden Tag ein Stück mehr in den Wahnsinn. Sie kauft neue Milch, obwohl die alte noch nicht leer ist, braucht Ewigkeiten, um sich anzukleiden, weil sie „nichts zum Anziehen hat“ und macht die Fernbedienung beim abendlichen „Zappen“ zum hart umkämpften Zankapfel. Wenn Gäste erwartet werden, putzt die Hüterin des Hauses Maier, als gäbe es kein Morgen mehr. „Wenn Ilse putzt, hat der Rhein Hochwasser“, jammert der Kabarettist.

Denn Gäste zu empfangen, ist immer viel Arbeit. Schöner ist es also, einfach von jemandem eingeladen zu werden. Roland Maier ist da jedoch anderer Meinung. Er beobachtete auf diversen Grillabenden die Auswüchse eines zunehmenden Dranges nach Individualismus. Er deutet an, dass in der heutigen Zeit jede Verhaltensweise, Lebenseinstellung oder Vorliebe immer und überall berücksichtigt werden muss und so die Gesellschaft langsam, aber sicher in tausende Teile gespalten wird.

Skurrile Essgewohnheiten

Besonders Vegetarier, Pescetarier, Ovolaktovegetarier und alle anderen aus der Familie der „-tarier“ machten ihm das Leben schwer. Er vergleicht die verschiedenen Ernährungsweisen mit den Speisegesetzen von Religionen und zeichnet so skurrile Bilder: „Bei künftigen Grillfesten gibt es dann verschiedene Tische für Allergiker, Religionen und alle möglichen ,-tarier’. Wahrscheinlich muss der Muslimgrill dann auch noch zehn Meter vom Christengrill entfernt stehen“, meint er. „Wahrscheinlich sollte man vor Grillfesten einfach eine Tabelle austeilen, in denen die Besucher persönliche Präferenzen ankreuzen können“, fügt er zynisch hinzu.

„Wir driften als Gesellschaft immer weiter auseinander.“ Das ist ein übergeordnetes Thema in Maiers Kabarett, das er durch viele Geschichten und Anekdoten bunt ausmalt. Seine Schilderungen lassen eine sich immer weiter ausbreitende Desozialisation der Gesellschaft spürbar werden. Menschen interagieren nur noch miteinander, wenn es unbedingt sein muss. Lieber ersetzt man sie an allen wirtschaftlich unrentablen Stellen durch Computerprogramme. „Früher gab es zum Beispiel am Bankschalter noch echte Menschen“, merkt Maier an und berichtet, wie die Menschlichkeit heutzutage auf der Strecke bleibt. „Hat euch ein Bankautomat schon einmal gefragt, wie es eurer Mutter geht“, fragt er in die Runde und ein Raunen geht durch das Publikum.

Gesellschaftliche Trends zeichnen sich meistens in allen Lebensbereichen ab, so auch in der Sprache. Besonders die Sprachneuerung des „Genderns“ ist ein beliebtes Diskussionsthema. Für Maier ist es jedoch nur eine lästige Dissonanz im Sprachgebrauch. Das macht er deutlich, indem er den „Erlkönig“ neu vertont. „Was hätte Goethe nur getan“, fragte er ins Publikum und machte mit den letzten Zeilen des Gedichts seinen Standpunkt mehr als deutlich: „Er erreicht den Hof mit Müh’ und Not, das Gendern lebt, das Gedicht ist tot“.

Keine Angst vor Kontroverse

Da Roland Maier die Kontroverse nie scheut und es versteht, sein Publikum eng an seine Erzählungen zu fesseln und teilweise sogar mit den Zuhörern zu interagieren, war sein Kabarettprogramm ein großer Erfolg. Es gelang ihm, Botschaften und Appelle subtil und mit Raffinesse in seinen Geschichten zu verarbeiten. Das zeigt große Klasse und sprachliche Eleganz. Applaus und Ausrufe der Begeisterung honorierten sein kurzweiliges Spiel, das nach mehr als zwei Stunden endete.

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