Neulußheim. Eine Mischung aus Winston Churchill und Boris Johnson, Hausmeister Krause und Mr. Bean tappt auf vier Pfoten auf die Bühne, lässt sich nieder und glänzt danach fast ausschließlich durch reine Präsenz – und ist doch Dreh- und Angelpunkt des Programms „Wer ist der Boss? Oder: Ist das Ihr Hund, der sich gerade am Buffet bedient?“
Mit der abendfüllenden Melange aus Kabarett, Alltagsplauderei und Kamingespräch gastierte am vergangenen Freitagabend der in Wuppertal geborene, gerüchteweise inzwischen 50-jährige Uwe Kleibrink in der Rolle seiner Kunstfigur Kurt Knabenschuh im Kulturzentrum „Alter Bahnhof“ – eine Art modernisierter deutscher Michel, der sich ganz nach Bedarf in den kuscheligen Liedermacher mit Minderwertigkeitskomplex, in Alfred Tetzlaff oder einen bühnenfähig weichgezeichneten Klaus Kinski verwandeln kann, immer aber im biederen Kleinbürger-Staus verharrt, die ihn für jeden Gast als Sparkassen-Filialleiter ums Eck persönlich bekannt macht: Mal bissig, mal poltrig, mal witzig, mal seicht.
„Alltagskabarett“ nennt der Künstler das Genre, dem er in beiderlei Wortsinne gerecht wird – mit teils sehr guten, pointierten und zündenden Witzen, teils aber völlig vergeigten Konstrukten, die sich nicht mal zum Kalauer erheben können, betrachtet er den Alltag und die „ganz normalen“ Mitmenschen mit deutlicher Konzentration auf den Hundehalter als solchem und bleibt dabei selbst ein wenig alltäglich.
Der ehemalige Industriekaufmann, der dann BWL studierte und als „Schreibtischtäter“ arbeitete, hat vor rund zehn Jahren seinen „Kurt Knabenschuh“ erfunden und seither mit und von diesem gelebt, Wandlungen vollzogen und dessen Leben auf die Bühne gebracht – manchmal als eigenes Alter Ego, vor allem aber als Spiegel für sein Publikum.
Kriegsähnliche Begegnungen
So auch dieses Mal, als man reihenweise heftiges Nicken und zustimmenden Applaus hören konnte, wenn Kleibrink die Erlebnisse mit seiner englischen Bulldogge Otiz Revue passieren lässt: Die Erfahrungen mit verschiedenen Hundeschulen zwischen der esoterischen Methode „Sie müssen den Hund lesen“ und der Bootcamp-Variante, in der nicht ganz klar ist, ob sich dabei Hund oder Halter in „Private Schneewittchen“ verwandeln, die oft eher kriegsähnlichen Begegnungen mit anderen Hunden und vor allem deren Besitzern, deren lapidares „Der macht nichts“ gerne mit einem „Aber meiner!“ retourniert wird.
Wie in seinen vorherigen Programmen ergibt sich Kleibrinks Knabenschuh in teils wortakrobatisch beeindruckend dargebotenen Plaudereien, die immer einen tieferen Zweck verfolgen, diesen aber bisweilen nicht erreichen können. Er changiert deshalb stark. Nämlich zwischen genialen Geschichten auf der einen Seite, wie der Antwort auf die Frage, wie man sich „einen so hässlichen Hund“ anschaffen kann, den er angeblich am Rasthof angekettet eingesammelt hat – oder besser eingetauscht („Ich frage mich, ob unser Sohn wohl auch ein liebevolles Zuhause gefunden hat“).
Der tragische Teil des Abends
Oder seiner hintersinnigen Bloßstellung der „Smartphone-Protzkis“ unserer Gegenwart, in der die Menschen „nicht mehr miteinander reden, sondern kommunizieren – wir haben die Geräte dafür“, durch die gedankliche Beimischung der Gesprächsbeiträge auf der anderen Seite der Leitung, wo Chantalle mit „schmutzigen Sachen“ zu hören sein könnte. Andererseits aber auch müden Witzen und teils fast zwanghaft konstruierten frivolen Anflügen, die der Figur Knabenschuh etwas Bizarres geben, gefangen zwischen Hodenpiercing und Flatulenz. Das weg und die – er hatte es genau so angekündigt und auf eine trumphaft gnadenlose Weise durchgezogen – „gesanglichen“ Beiträge am Banjo, die sich tatsächlich als „tragischer Teil des Abends“ erwiesen haben, streichen, dann hört man gern mehr über „Schnöselhunde“ und tierischen Begegnungen, die ein „Das regeln die unter sich“ mit einem trockenen „Dass mir dann aber keine Beschwerden kommen, wenn mein Hund gleich drei Ohren hat“ – hier ist Kleibrink zuhause im Reich der hintersinnigen, kunstvoll zusammengesetzten Scherze auf verbalem Hochniveau.
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