Alter Bahnhof

Neulußheim: Rock, der den Regen vergessen macht

Das Konzert von Olli Roth & Friends im Neulußheimer Kulturtreff lassen sich die Fans selbst bei schlechtem Wetter nicht entgehen.

Von 
Matthias H. Werner
Lesedauer: 
Olli Roth (vorn an der Gitarre) und seine Band heizen im Garten des Alten Bahnhofs bei regnerischem Wetter den zahlreichen Besuchern richtig ein. © Wolfgang Gans

Neulußheim. „Wir machen es bei jedem Wetter“ – der eigenen mutigen Ankündigung hat das Neulußheimer Kulturamt Taten folgen lassen: Ungeachtet des Nieselregens begrüßte Kultur-Chefin Alexandra Özkalay zum jüngsten Sonntagsfrühschoppen im Garten des Alten Bahnhofs ein verblüffend gut präpariertes Publikum – obwohl es in der langen Bahnhofs-Geschichte noch nie ein Open Air bei Regen stattgefunden hatte. Mit Schirmen trotzt es der meteorologischen Unbill und reichte beinahe an die üblichen Zuschauerzahlen heran, die Urgestein Olli Roth, der zum „Sekt, Bier & Musik“-Event der Vier-Sterne-Gemeinde traditionell dazugehört, bislang mit immer neuen Rekorden steigerte.

Das musikalische Schwergewicht aus Wiesloch ließ sich vom schlechten Wetter ebenso wenig beeindrucken und versprühte eine diebische Freude über seine resistenten Fans: „Isch find euch total geil!“ Sagt’s und schießt direkt ein Foto seiner zwar klammen, aber nicht weniger ausgelassenen Rotharier, denen er dann zusammen mit seiner Soundmaschine einen Klassiker nach dem anderen im typischen Roth-Style um die Ohren haut.

Vormerken

  • Weitere Informationen und die Roth-Termine in der Region im Internet unter www.olliroth.de.
  • Der nächste Sonntagsfrühschoppen bringt am 3. August ab 11 Uhr die Seán-Treacy-Band um den kultigen irischen Leader.

Gewitzte Gitarrenspiel, gediegener Bass und treibende Drums

Viel Platz bekam diesmal Gitarren-Künstler Erwin Brandt. Mit halsbrecherischen Läufen und gewitzten Saiten-Akzenten machte er „I shot the Sheriff“ – das Bob Marley 1973 als Letztling mit Peter Tosh und Bunny Wailer veröffentlichte, das aber ein Jahr später erst Eric Clapton in die Charts feuerte – zu einem auch instrumentalen Leckerbissen. Steve Millers „The Joker“, das im selben Jahr erschien und heute zu so etwas wie Roths Genre-Hit geworden ist, staffierte er emotional wie künstlerisch grandios aus.

Zum Sound der Truppe, die seit vielen Jahren „Let the music do the talking“ als Arbeitsmotto zelebriert, gehörten daneben der gediegene und relaxte Ton des Lampertheimer „Bassisten aus Leidenschaft“ Ralf „Bobby“ Bopp – er propagiert „Musik spielt man und arbeitet sie nicht“ – und die treibenden Drums Thomas Kleins, der auch den ein oder anderen humorvollen Stick-Trick beisteuerte, und alles überragend die gechillte Gitarre und vor allem die flexible, vielfarbige Stimme des unnachahmlichen Olli Roth, der seit Jahrzehnten die hiesige Musikszene bereichert, seit er 1977 mit 14 Jahren bei den semiprofessionellen Rockern von „ACID“ einstieg.

Auftritte von Olli Roth locken stets viele Besucher an. © Wolfgang Gans

Einmalig – ob solo oder in der Gruppe

Seither ist viel passiert und Roth konnte neben sich große Namen wie den sechsfachen Grammy-Gewinner und Toto-Sänger Bobby Kimball, den britischen Smokie-Sänger Chris Norman oder den Berliner „Welt-Retter“ Tim Bendzko, die „Hooters“ oder das schwedische Pop-Duo „Roxette“ sowie eine treue und immer noch wachsende Fangemeinde hinter sich versammeln. Bei rund 200 Gigs im Jahr inspiriert er sich selbst ebenso wie seine Zuhörer. Roth hat dabei keineswegs nur Coversongs im Gepäck: Der Ausnahmekünstler, der seit 25 Jahren immer wieder auch solo unterwegs ist, kann durchaus mit Eigenem aufwarten: Seine CD „Modern Day Jukebox“ enthält elf beeindruckende Beispiele seiner kreativen Größe.

Kult sind und bleiben aber seine Klassiker-Programme, die allesamt aus Welthits zusammengestrickt sind, die keiner so wie Roth zu interpretieren versteht. Niemand gibt wie der schlitzohrige Musik-Hüne erst die John-Waite-Hymne „Missing You“, um gleich danach sowohl im astreinen Falsett als auch in einem warm-atmosphärischen Normalsound den Prince-Hit „Kiss“ geradezu zu feiern.

Die Stimmung ist blendend

Überhaupt liebt Roth die 1970er, aber vor allem auch die 1980er: „Ein Lied schreiben, Millionen CDs verkaufen und mit 24 in Rente – das war ein Konzept! Hat bei allen funktioniert. Außer bei mir!“ witzelt Roth, greift in die Saiten und haut als Gegenkonzept zum Regen Don Henleys „Boys of Summer“ raus, für das der US-Rocker und ehemalige Bandleader der „Eagles“ 1986 den Grammy abräumte.

Auch die hitzigen Jungs konnten noch keinen Wetterumschwung fabrizieren – der Stimmung tat es keinen Abbruch. Vielmehr amüsierten sich die Gäste, die den gesamten Bahnhofs-Garten füllten, bei bester Musik und kulinarischem Rundum-sorglos-Paket des Kulturtreffs. Zumal just zur Pause der Himmel für eine kurze Zeit aufriss und eine gemütliche Sommer-Atmosphäre Raum griff. Ob dafür der „gewerkschaftlich geforderte Frauen-Song“, bei dessen Zwei-Prozent-Berechnung Roth sein ganz eigenes Einmaleins bemühte, verantwortlich war, wird für immer ein Rätsel bleiben – Stimmung machten Roth & Friends mit dem Amy-Winehouse-Hit „Valerie“ allemal, wenngleich mit Blick auf die Quote anzumerken ist, dass die britische Soul- und Jazz-Ikone den Titel zwar 2007 in die UK-Charts katapultierte, dieser aber bereits ein Jahr zuvor von der britischen Indie-Rockband „The Zutons“ veröffentlicht wurde.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke